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Burgenland Ferien vom Jeh

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Wer die Lcitha überschreitet, vermeint, eine andere Luft zu atmen. Er kommt aus den lärm-durchtobten, steinernen Straßenschluchten der Großstadt, fuhr unter dem rauchverhangenen Graublau der Industriegebiete dahin und mit einem Male nimmt ihn Grün auf, das Land wellt auf, eine wundersame Stille breitet schützend ihre unsichtbaren Arme aus. Und dann — steht man oben auf der Höhe bei Forchtcnstein, und der Blick schießt wie ein freier Vogel nach Osten, wo der Himmel mit dem Lande in einer sehnsuchtslockenden Unendlichkeit verfließt. Der Ankömmling ahnt, daß dieses Burgenland eine Besonderheit, eine Welt für sich ist. Musische Naturen wollten Vergleiche ziehen mit der Provence und der Toscana — sc mächtig leuchtete ihnen die hellere und heißere Sonne, so erhaben -dünkte sie die ungewöhnliche Höhe des klaren Himmels. Aber alle Vergleiche konnten nie zutreffen, weil das Burgenland ein Reich der . . t....., ....... . '. , .

Gegensätze ist, das an der Schwelle zweier Welten liegt, ein Durchgangsland voll Geschichte. Lieber diese Erde zogen die Goten und Langobarden, die Vandälen. denen man nachsagt, schon sie hätten ihren Zügen ein rotgoldenes Banner vorangetragen — Rot und Gold sind auch heute die Landesfarben. Durch dieses Land ritten die' Völker der asiatischen Steppe: .Hunnen, Awaren und Mongolen; zwei Jahrhunderte lang hallte es wider vom Kriegsgeschrei5 der Türken und Kuruzzen. Und immer wieder nahm der Bauer seinen Pflug, der Winzer sein Rebmesser, der Mauter die Kelle, der Zimmermann die Axt in die Hand. Wer da der Toscana gedenken möchte, der entsinne sich der Worte des geistvollen Italieners, der einst sagte, Italien wäre geschaffen, nun gelte es, die Italicner zu schaffen. Das burgenländische Volk war immer da, niemand brauchte es zu schaffen! Es war daher . klar, daß nach Reichls Aufruf vom 21. Oktober 1918 zur Vereinigung des Burgenlandes ifiit Oesterreich die provisorische' Nationalversammlung keine andere Staatserklärung als die vom 21. November 1918 abgeben konnte, welche im fünften Absatz die „seit Jahrhunderten in innigster wirtschaftlicher und geistiger Gemeinschaft“ stehenden deutschen Siedlungsgebiete der ungarischen Gespanschaften Preßburg, Wicselburg, Oedenburg und Eisenstadt als österreichischen Boden ansprach.

Das Schicksal einer Grenzmark lastete immer auf burgenländischcm Boden — bis in die jüngste Vergangenheit. Nun, da die Erde wirklich frei, darf das Land wieder lächeln und seine Schätze zeigen. Von Edelstal und Kittsee im Norden über Paindorf zu den Heidebauern und in den Seewinkel: hier webt Pußtastimmung, hier ist etwas, das man in ganz Oesterreich vergeblich sucht! Hier stehen die Hirten gelassen an ihren Lagerfeuern und singen, wenn der Abend über die Steppe .kommt und die Ziehbrunnen schwarze Gestalten vor den Himmel malen. Neusiedl eröffnet den Zugang zum größten Steppensee Europas. Ein Paradies für den Wassersportler, eine gesegnete Heimat seltenster Vogelarten. Gols, südöstlich davon, ist die größte Weinbaugemeinde Oesterreichs- Weiter sudlich liegt Frauenkirchen mit der gewaltigen Barockkirche, in der Maria Theresia oft betete, schimmert der eigenartige Zicksee und sind Illmitz, St. Andiii und Podersdorf gern besuchte Orte. Aus Tadten im Seewinkel stammte der Urgroßvater Haydns. Am westlichen Ufer des 310 Quadratmeter großen Neusiedler Sees liegt die malerische Freistadt Rust, weithin bekannt als Heimat der Störche. Der alte Goethe hat übrigens den roten Rüster sehr geschätzt. Auch Mörbisch, ganz nahe der ungarischen Grenze, pflegt einen guten Tropfen; das im Vorjahr eröffnete, neuzeitlich ausgestattete Strandbad von Mörbisch ist ein besonderer Anziehungspunkt am See. Ueber welliges Gelände gelangt man nach Sankt Margarethen, berühmt seit 1926 durch seine Passionsfestspiele. Die Steinbrüche dieser Gegend lieferten Baustoff für den Dom von Sankt Stephan, die Votivkirche und die Prunkbauten der Wiener Ringstraße. In der Landeshauptstadt Eisenstadt ging Haydn mit Perücke, Schnallenschuhen und Degen durch die Straßen; zwanzig Jahre seines Lebens und Schaffens verbrachte er hier, in der Bergkirche liegt er begraben. Diese Stadt ist mehrere Tage des Besuches wert. (Wer nicht genau Bescheid weiß, dem steht der Burgenländische Fremdenführerdienst Bothar, der auch fremdsprachige Gesellschaften betreut, zur Verfügung. In Wien erhält man Auskunft in der Opernpassage bei der Burgenlandschau und bei der „Südburg“, I., Babenbergerstraße 9.) Der mittlere Teil des Landes verengt sich nächst Sieggraben, wo die im Bau befindliche „burgenländische Autobahn“ durchführt, bis auf vier Kilometer. Dann geht's in das Gebiet der

Stoob und Rabnitz. In diesem Umkreise liegt Raiding, der Geburtsort von Franz Liszt. Landsec zunächst ist eine der größten Burgruinen Oesterreichs — nebenbei im Pauliberg geologisch höchst interessant. Für Wanderfreudige ist das Bergland der Mitte, das im Gschriebenstein fast 900 Meter Höhe erreicht, wie geschaffen. Ja, hier kann man sich, wie ein Witzbold es ausdrückte, von der „Erholung“ — erholen. Ein Paradies für alle, die dem Rummel feind sind, ist das Südburgenland vom Günser Gebirge bis ins Neuhauser Hügelland. Schlaining und Güs-sing sind bekannt durch ihre Burgspiele, überall gibt es schöne Campingplätze. Niemand versäume Bernstein, den einzigen Fundort von Edel-serpentin, aus dem man herrliche Schmuckstücke fertigt — ebenso schön wie aus chinesischer Jade. Das österreichische Herz-, Frauen- und Rheumabad ist Tatzmannsdorf. Hier träumte schon Grillparzer bei einem Becher heilkräftigen Wassers seiner Poesie nach — ei erzählt es in seinem Tagebuch. Das milde subalpine Klima schätzen besonders wetterempfindliche Menschen. Das neuerbaute Kurmittelhaus mit seiner vollautomatisierten Mooraufbereitung und Förderung ist die modernste Anlage ihrer Art in ganz Europa. Die Verkehrsverbindungen nach Tatzmannsdorf (direkte Wajen ab Wien) mit der Bahn sind gut; es gibt im Burgenland, wo immer man sich hinwenden will, keine nennenswerte Siedlung, die nicht mit. den ..Autobussen (von denen auch viele schön ab Wien fahren) erreichbar wären, ob man vom Norden nach dem Süden oder vom Westen und Süden, aus der Steiermark her kommt. Noch gibt es zuwenig Quartiere; aber überall regen sich bauende Hände. Burgenland, heute-in erster Linie ein Reiseland, ' wird morgen das Urlaubsland des Volkes, d i e Zuflucht des Bescheidenen, des kleinen Mannes sein. Denn eines braucht man im Burgenlande nicht zu haben: die dicke Brieftasche. Und vielleicht noch etwas nicht: Angst vor einem verregneten Lirlaub.

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