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Chopin — interpretiert durch Alfred Cortot

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Der 77jährige Alfred Cortot, der einen großen Teil seines arbeitsreichen Lebens und seiner künstlerischen Kraft dem Werk Chopins gewidmet hat, ist auch heute noch einer der besten, sicher der faszinierendste Interpret des großen polnischen Meisters. Auch bewältigt er heute noch ein Programm, an dem mancher jüngere Pianist scheitern müßte: Cortot spielt an einem Abend die 24 Preludes und die beiden Hefte mit je zwölf Etüden. In den Stimmungsbildern, die Chopin Präludien genannt hat, zeigt sich die Meisterschaft des Miniaturisten Cortot. Das Charakteristische jedes einzelnen Stückes wird in seinem Wesen erfaßt und mit vollendeter Sicherheit ausgedrückt. So klingt das Gewohnte verführerisch neu, zuweilen auch so neuartig und farbig, als stamme einzelnes von Debussy. Auf diesen weisen auch die Titel, Miniaturkommentare, die Cortot den Preludes im Programmheft beigefügt hat. Niemand wird die Hilfe zurückweisen, die der intime Chopin-Kenner hiermit seinen Hörern anbietet, zumal sie ganz aus der Lebens- und Gefühlssphäre des empfindsam-leidenden, von Schmerz, Leidenschaft und Heimweh zerrissenen Romantikers stammen. „Schmerzliches Nachsinnen, in der Ferne das öde Meer…", „Auf einen Grabstein", „Das Leid der Erde“, „Finis Poloniae", „Im fremden Land, in sternklarer Nacht, denke ich an die ferne Geliebte", „Aber der Tod ist nah, im Schatten": das sind in der Tat Leitmotive von Chopins Leben und Kunst. — Wer wagt es, einem solchen Künstler gewisse technische Unvollkommenheiten oder unerlaubte „Freiheiten" im Tempo oder in der Dynamik nachzurechnen? Wir nicht.

Man muß den Rahmen des Begriffes „M u s i k der Gegenwart“ sehr weit spannen, wenn man die vier Werke darin unterbringen will, die im ersten Konzert dieses Zyklus, der von der Gesellschaft der Musikfreunde gemeinsam mit der Ravag veranstaltet wird, gespielt wurden. Armin Kaufmanns „Scherzo Capriccios o", ein Fünfminutenstück für großes Orchester, ist ein Beitrag dieses talentierten Komponisten zur „gehobenen Unterhaltungsmusik". — Franz Schmidts bereits 1931 uraufgeführte „Variationen über ein Husarenlied" wurden an dieser Stelle bereits besprochen. — Die Rhapsodie für Klarinette und Orchester schrieb Claude Debussy (zunächst in der Klavierfassung) 1909 bis 1910 für einen Concours am Pariser Conservatoire, in dessen Jury er saß. Debussy schätzte diese kleine Gelegenheitsarbeit und bezeichnete sie als eine seiner „liebenswürdigsten" Kompositionen. (Karl Oesterreicher war der Solist des delikaten Soloparts.) Blieb als „Musik der Gegenwart"Belą B a r t 6 k s 1937 bis 1938 komponiertes Violinkonzert, das nach 1945 in Wien bereits zweimal aufgeführt wurde und bei jeder neuen Begegnung gewinnt. (Der Bartök-Biograph Serge Moreux weist ihm einen Platz in der Nachfolge von Alban Bergs Violinkonzert zu.) Sirio Piovesan spielte tapfer den sehr schwierigen Solopart. Da . gutvorbereitete Konzert wurde von dem deutschen Dirigenten Wilhelm Schüchter geleitet (Wiener Symphoniker).

Helmut A. Fiechtner

Das neunte Konzert des Tonkünstlerorchesters unter Robert Hegers zielbewußter Führung gipfelte in einer vorbildlich schönen Wiedergabe des Klavierkonzertes d-moll, op. 15, von Brahms, mit Dr. Hans Weber als Solisten. Der Zug ins Gewaltige, von den Aus- führenden mit stilistischer Treue in der so eigenartigen Schwebung zwischen Beethoven und Schumann bis in die kleinsten Bogen nachgezeichnet, macht dieses Werk ebenso fesselnd wie widerspenstig, ebenso schwungvoll wie trutzig und ebenso ungestüm wie reserviert. Neben dieser bedeutenden Interpretation kam die einleitende Es-, dur-Symphonie von Mozart zu ihrem vollen Recht, während die von Debussys „Iberia" — eine seiner duftigsten und subtilsten Partituren — ein wenig steifer geriet als sie ist, nichtsdestoweniger aber die farbentiefe Intensität lebendig zu spiegeln wußte. Es war eines der besten Tonkünstler, konzerte.

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