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Christine Lavant

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Die Dichterin Christine Lavant wurde am 4. Juli 1915 in Großedling bei St. Stefan im Lavanttal in Kärnten geboren. Sie war das neunte und letzte Kind des Bergarbeiters Georg Thonhauser. In einfachen Verhältnissen in St. Stefan im Lavanttal lebend (dem Flußtal entlieh sie ihren Dichternamen) hat sich Christine Lavant viele Jahre hindurch mit Strickarbeiten den Lebensunterhalt verdienen müssen. Viktor Kubczak, der Verleger von Paula Groggers Schriften (Brentano-Verlag) hat Christine Lavant, die schon früh zu schreiben begonnen hatte, als Schriftstellerin entdeckt. Später hat Ludwig v. Ficker auf sie aufmerksam gemacht.

Die Lyrikerin Lavant, eine kleine und zarte Frau, hatte körperlich viel zu leiden, sie ist arg hör- und sehbehindert, und es scheint, als habe ihre Seele auch aus den körperlichen Unzulänglichkeiten die dichterische Kraft geschöpft. „Seit ich den Leib meiner Mutter verlassen, war ich niemals wieder geborgen“ schreibt sie. Diese Aussage dürfte wohl mit den leiblichen Unvollkommenheiten im Zusammenhang stehen, doch hat sie auch an sich allgemeinmenschliche Gültigkeit. Die Dichterin hat nicht teil an dem, was wir gemeinhin unter „Welt“ verstehen, sie lebt abgeschlossen von ihr, der Natur und den Mächten, die in ihr weben, hingegeben. Ihre Gedichte, von denen keines betitelt ist und die fast alle den gleichen Umfang haben, sind der Niederschlag ihres täglichen Lebens und zeigen den Kampf ihrer Seele auf. Gottergebenheit und Gottesferne streiten in ihr, Auflehnung und Gottessehnsucht ringen um die Vorherrschaft. Sie ist gläubig und zweifelnd, ein suchender Mensch, eine echte Dichterin. Für die Dichterin gibt es keine leblosen Dinge, denn alles, was in der Schöpfung ist, hat Leben für sie. Allem Kreatürlichen und allen Lebenserscheinungen tiefinnerlich verbunden, geht sie gleichsam im Mysterium der Welt auf, die voll Geheimnis ist.

Christine Lavant hat in ihrer Jugend viel Rilke gelesen, und in ihren ersten Versen war sie noch stark von ihm beeinflußt. Ihr Gedichtband „Die unvollendete Liebe“ vom Jahre 1949 zeugt davon. Erst sieben Jahre später kam ihr nächster Gedichtband „Die Bettlerschale“ heraus, der schon ganz ihre eigene Art zeigt:

„... Nur es dauert mir schon ettoas lange und so aufgeregt wie eine Schlange sich zur Zeit der Häutung wohl benimmt, geh ich ruhlos, böse und verstimmt, auf und nieder in dem kleinen Raum. Was hilft mir der Fink im Birnenbaum? Sinnlos reift der Sonne Morgenrose. Wenn ich jetzt Gebete zu dir stoße ist es bloß der Seele Ungeduld, die den Leib als Irrtum oder Schuld schon zu lange mit sich schleppen mußte. Wars nicht, daß ich einen Ausweg wußte? Gestern noch und fast bis Mitternacht. Meine Freiheit schien mir schon vertraut, doch des Vogels schwacher Morgenlaut hat mich wieder in die Haft gebracht.“

Nach dem Gedichtband „Die Bettlerschale“ erschienen die Gedichtsammlungen „Spindel im Mond“, „S'onnen-vogel“ und „Der Pfauenschrei“. Viele ihrer Verse lassen vermuten, daß Christine Lavant sie in hoher Seelennot geschrieben habe, die sie zu bannen versucht. „Ich weiß nicht, ob der Himmel niederkniet, wenn man zu schwach ist, um hinaufzukommen,..“

1954 hat die Dichterin den Georg-Trakl-Preis erhalten, 1956 den Förderungspreis für Lyrik des österreichischen Staatspreises und den zweiten Preis des Lyrikpreisausschreibens der „Neuen Deutschen Hefte“, Berlin. Auch ein Ehrenpreis für Literatur wurde ihr seitens der Bayerischen Akademie der schönen Künste zuerkannt.

Der Dichterin Prosa umfaßt märchenartige Erzählungen, die aus der realen Welt in eine andere führen. Sie schreibt von Menschen, erniedrigten und sich selbst erniedrigenden, in denen nichterfüllte Liebe und Liebessehnen ist. Diese Erzählungen, der Reihenfolge des Entstehens nach, sind: „Das Kind“, „Das Krüglein“, „Maria Katharina“, „Baruscha“ „Die Rosenkugel“ „Das Ringelspiel“. Trotz aller Schönheit dieser Märchenerzählungen ist Christine Lavants Prosa ihrer Lyrik nicht gleichwertig:

.. .„Immer bleibt das Geheimnis sich gleich

und wohnt unter uns und wird niemals verbraucht..

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