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Christliche Romane

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Der Bischof von Dunmore. Roman. Von Franci: Mac Mi n u s. Verlag der Arche, Zürich. 240 Seiten

Christliche Glaubensfragen — der Mensch zwischer Sünde und Gnade, in der Entscheidung zwischen Got und Satan, zwischen Himmel und Hölle, die Hoff nungslosigkeit und Verlorenheit des modernen Men sehen in seiner Gottferne — sind zu einem aktuelle! Thema der Literatur geworden. In diesem Zusam menhang gehören auch die Bücher des Holländer Walter B r e e d v-e 1 d, dessen erster in deutsche Uebersetzung erschienener Roman den Titel trägt „Gott schreibt gerade auch auf krummen Wegen.' Das Hauptthema also Graham Greenes, Evelyi Waughs und auch der Elisabeth Langgässer, die es an genialsten, manchmal aber fast unerträglich radika aufgenommen hat. Breedveld ist zahmer als diesi drei, ohne jedoch flach zu werden. Vor allem nimm bei ihm das Böse nicht jenen überragenden Raun ein, den ihm die genannten Autoren zuweisen, be sonders die Langgässer, die einmal gesagt hat, Si schildere die Sünde „rundherum, in prangende Fülle, in teuflischem Hochmut und üppiger Augen lust“, um so das Wirken der Gnade besonder augenfällig zu machen.

Auch Breedveld geht es um das unfaßbare Wirkei der Gnade im Menschenleben; aber er setzt di Problematik anders an. Betrachten wir daraufhin seil neues Buch „Sandra“ Sandra ist ein natürlich religio empfindendes Mädchen, das von seinen nichtgläubi gen Eltern in humanistischem Sinn erzogen wird um durch den Umgang mit gläubigen Christen in inner Konflikte gerät, denen sie hilflos gegenübersteht. Si wird hin und her gerissen zwischen Verstandes mäßigem Aufbegehren, ja leidenschaftlichem Wider willen gegen den Glauben und einer unbestimmte! Sehnsucht, sich ihm hinzugeben. Dazu kommt eil anderes Problem, das sie zu zerbrechen droht. Sandr weiß aus einem Gespräch mit ihrem Vater, kurz vo dessen Tod, daß bei der Geburt ihres älteren Brüden um das Leben der Mutter zu retten, ein medizinischer

Eingriff notwendig wurde, der dem Kind das Leben l kostete, und hört dann später von einer Katholikin : eine sehr fragwürdige Auslegung dieses Falles als

Mord, so daß sie an der Berechtigung ihres eigenen ; Lebens zu zweifeln beginnt. In einem Gespräch mit einem sehr weisen alten Kapuzinerpater geht ihr i dann zum erstenmal auf, daß Gott sich mit Geburt und Tod jedes einzelnen Menschen beschäftigt, daß er dem neuen Menschen seine unsterbliche Seele in

- dem Augenblick gibt, in dem er von seinen Eltern i zum Leben erweckt wird. Das befreit sie von ihren

- Skrupeln, und sie vermag hinfort zu glauben, daß s auch ihr Leben von Gott gewollt ist. Nun, nachdem r der Begriff Gott für sie Gestalt bekommen und etwas : Faßbares, zunächst für ihren Verstand Erfaßbares, geworden ist, geht ihr Weg immer eindeutiger und l sicherer auf ihn zu. Nicht schmerzlos und ohne Kon-l flikte, denn Sandra ist ein Mensch, der immer bis I zum Begreifen vordringen will, bei dem sich der Ver-: stand allzu leicht ,dem schlichten Glauben in den t Weg stellt. Aber, gerade d a s scheint uns wichtig i an diesem Buch. Breedveld zeigt an seiner Sandra

- die ganzen Schwierigkeiten des Menschen unserer : Zeit, zu Gott zu finden, und er tut es in einer Weise, r die auch dem Nichtgläubigen die religiösen Phäno-

- mene zugänglich macht, ja, den Draußenstehenden s zur Auseinandersetzung geradezu verlockt, was man gewiß nicht von allzu vielen christlichen Romanen l behaupten kann. , s Ethel M a n n i n zum Beispiel möchte, wie sie aus-i drücklich sagt, mit ihrem Roman „Spät hab' ich Dich s geliebt“, ihre Leser zur Lektüre des heiligen Augu-

- stinus bewegen. Wir bezweifeln gewiß nicht, daß die i Autorin selbst von Augustinus leidenschaftlich an-e gerührt ist. Aber, wie sie die Schriften und Gedanken e des großen Heiligen in ihrem Buch verwertet, ist

- eher verstimmend als überzeugend. Es stehen viele

- gute und richtige Einsichten in der Geschichte des i Francis Sable, eines erfolgreichen Schriftstellers und i Weltmannes, dessen Atheismus durch den leichtsinnig von ihm verschuldeten Tod seiner Schwester ins Wanken gerät und der dann durch seine Begegnung mit Augustinus den Weg zu Gott findet. Aber, es steht auch viel Ungereimtes und Banales in dem Buch, was in diesem Rahmen doppelt stört. Auch für den christlichen Roman sind Inhalt und guter Wille allein nicht ausreichend; erst Form und gestalterische Kraft machen sein Niveau aus, und an beidem mangelt es Ethel Mannin.

Hinzu kommt noch die unmögliche Uebersetzung. Hier einige Kostproben: „Warum machst du dir so viele Gedanken darüber, Francis?“ — „Aus demselben Grunde, aus dem du dich wegen- mir kümmerst.“ Oder: „Mach Ferien, bis Mr. Francis wieder sich selbst ist.“ Und in einem Satz steht: „...auf weiteren Gräten frieren“! Es wimmelt nur so von solchen Schnitzern. Noch schlimmer sind die den Sinn entstellenden Uebersetzungsfehler. Da wird verschiedentlich mit den Begriffen „Lieben“ und „Verlieben“ herumjongliert, und zwar so, daß Verlieben als das umfassendere und übergeordnete Gefühl gilt.

Gegenüber diesem sprachlichen und Gefühlwirrwarr Ist Mac M a n u s' „Bischof von Dunmore“ ein wahres Labsal. Eine meisterhaft erzählte Geschichte, deren hintergründige Tiefe durch den sicheren Instinkt des Autors für seelische Vorgänge und durch seine geniale Beherrschung des Wortes klar und durchsichtig wird.

Dies der Inhalt: Der Bischof von Dunmore wird in einem zufälligen Gespräch an einen alten geächteten Priester erinnert, der ihm in seiner Jugend verständnisvoller Helfer und Freund war, und den er längst tot glaubt. Nun, nachdem er von dem einsamen Leben des alten Mannes in den irischen Bergen erfährt, denkt er noch einmal über dessen Schicksal nach; über „diese Geschichte eines Ungehorsams, die so kompliziert wurde wegen der ihr zugrunde liegenden aufrichtigen Nächstenliebe und der verletzten Selbstachtung und des Treuebruches und der unziemlichen Rede und des tiefen Würdegefühls — ein verworrenes Dickicht, das man, um Frieden zu schaffen, nur absterben lassen oder weghauen mußte ...“ Mit seinem Verständnis und seiner Güte gelingt es dem Bischof, das Dickicht des Stolzes und der selbstgewählten Verbannung zu durchbrechen und Vater Phelan die Verbindung mit den Menschen neu zu schenken.

Ein kostbares kleines Buch, dessen ungewöhnliche literarische Qualitäten auch in der deutschen Ueber-setzune voll' wirksam werden.

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