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Christopherus

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„Das hochwürdige Leobner Ordinariat hat mit Note vom 3. März 1789 diesem Kreisamte erinnert, daß es sämtlichen Dechanten dieses Kreises aufgetragen habe, die an den Kirchenwänden angebrachten unschicklichen Kristophs-gemälde auf eine bescheidene Art binnen 4 Monaten ... wegzuschaffen. J. v. Greyffenbach, Kreisamt Prugg“ Dieses Schreiben (Zahn, Steir. Misz. 54), das zu seiner Zeit wohl nicht allein dastand, gibt uns die Erklärung, wieso an so vielen Kirchen unter der Tünche Darstellungen des heiligen Christophorus entdeckt wurden. Wer aufmerksam durch unser Land fährt, kann oft unter abblätterndem Verputz Teile eines Christophsbildes sehen, manchmal ermöglichen seltsame Zufälle die Wiederauffindung oder Aufdeckung solcher Darstellungen. Eines der ältesten Fresken Österreichs, das den Heiligen zeigt und dessen Typus für viele andere vorbildlich war, der spätromanische Christophorus im Querschiff des Gurker Doms, wurde erst in den zwanziger Jahren wieder freigelegt, ihm folgte noch eine lange Reihe in oder an verschiedenen Kirchen. Nicht als kleiner Schmuck des Gotteshauses, nein, als eindrucksvolles Mahnmal steht St. Christoph übergroß, schwerfällig, manchmal klobig oder geradezu unschön, auf seiner Schulter das Kind mit dem Strahlenkranz. Oft begegnet man der Frage, warum denn gerade dieser Heilige und auf solch eine Weise dargestellt so häufig anzutreffen sei.

In den wirren, umwälzenden Zeiten des späten Mittelalters, als eine alte Ordnung zerbrochen werden mußte, um eine neue daraus erstehen zu lassen, erreichte die Macht des Todes und die Angst vor ihm einen Höhepunkt. War in der Romanik der Kampf zwischen Engel und Teufel um die Seelen der Verstorbenen nur an den Kapitalen der großen Bauwerke gleichsam am Rande aufgetaucht, waren in den Zyklen vom Leben Christi dessen Wunder im Vordergrund gestanden — am Ende des Mittelalters, im 14. und 15. Jahrhundert, kamen andere ikono-graphische Themen zur Herrschaft: öl-berg, Geißelung, Kreuzschleppung.

Das Gebet am ölberg, die Stelle der Evangelien, in der Jesus von der menschlichsten Seite gezeigt wird, in welcher der Erlöser selbst den Tod fürchtet — sie erschien dem Menschen im „Herbst des Mittelalters“ als Sinnbild ihrer eigenen Angst und Hilflosigkeit: Herr, laß diesen Kelch an uns vorübergehenl

Die Gedanken der Zeit kreisten um den Tod: Totenleuchten erhellten die Friedhöfe inmitten der Städte und Orte, Karner nahmen die Gebeine auf, bildende und darstellende Kunst zeigten Totentänze (noch heute existiert ein solcher zu Metnitz in Kärnten). Aber es war nicht allein die Angst vor dem Tode, es war die Angst vor dem Hinscheiden ohne Vergebung der Sünden. Und hier sollte Sankt Christoph hellen: er, der das Christuskind über das V/asser getragen hatte, der Patron der Brücken, der Wege, Straßen und Pässe, er sollte auch den Gläubigen sicher hinüberbringen, und es hieß, daß man an dem Tage, an dem man sein Bild gesehen hatte, nicht ohne Empfang der Sterbesakramente das irdische Leben verlassen könnte. So prangt an den Kirchen in Stadt und Land sein Bild. Auch in Wien — wie F. Englisch vor kurzem in einem Vortrag erwähnte — waren Christophorusbilder an den Kirchen von Maria am Gestade und St. Ruprecht, dem

Donaukanal zugekehrt, zu sehen, die wie so viele andere von Wind und Wetter bis auf geringe Spuren zerstört sind. Ganz klein haben die verschiedenen Künstler und ihre mehr oder weniger tüchtigen Gesellen die Landschaft angedeutet, oft auch Fische, Enten oder symbolische Figuren wie Sirenen mit zwei Schwänzen — vielleicht die Lockungen des irdischen Lebens bedeutend — in das Wasser gemalt, durch das der Riese watet, einen jungen Baum als Stütze, auf der Schulter das Kind, das in seinen Armen oft die Weltkugel hält. Weit grüßt er ins Land, den Bauern auf dem Feld, den Fischer am See, den Schiffer auf dem Strom.

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