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Damit das Geld für Afrika nie versiegt

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Man nennt ihn „Kontainer-Papa" oder „Narr Gottes": Seit Jahrzehnten organisiert ein Kremser Lehrer Hilfslieferungen für Bedürftige in der Dritten und Vierten Welt.

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Man nennt ihn „Kontainer-Papa" oder „Narr Gottes": Seit Jahrzehnten organisiert ein Kremser Lehrer Hilfslieferungen für Bedürftige in der Dritten und Vierten Welt.

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Von Mauretanien bis Kenia und vor allem in Tanzania rufen ihn die Menschen liebevoll „Container Baber" - zu deutsch „Kontainer-Papa". Er selbst sieht sich als „Missionar von der Heimat aus". Der Niederösterreicher Friedrich Walterskirchen rackert seit 32 Jahren unermüdlich für die Dritte Welt. Doch seit der Balkankrieg tobt, interessiert nur mehr wenige das Leid der Menschen in Afrika. Der Geldfluß ist versiegt, und Walterskirchens Kontostand steht diametral zu seiner Nächstenliebe. Fast eine Million Schilling war Friedl „Waki" Walterskirchen in der Kreide, weil er die Kosten für den Transport der beiden letzten mit Maschinen und Werkzeug gefüllten Kontainer nicht mehr durch Spenden hereinbringen konnte. Er hatte sie, wie die 30 Kontainer davor, aus seiner privaten Kassa vorfinanziert.

Dennoch ist er, der selbst eine bosnische Familie bei sich aufgenommen hat, optimistisch und vor allem nicht unzufrieden. Er hat 500.000 Schilling bereits zurückbezahlt, der Rest wird sich auch noch irgendwie finanzieren lassen. „Ich lebe nur mehr für Tanzania", erklärt er ohne einen Funken Wehmut. Eher ist er stolz darauf und voller Freude.

Die ersten Afrika-Hilfsaktionen startete Walterskirchen mit den jungen Menschen der Wachauer Landjugend und dem Ländlichen Fortbildungswerk 1963 für Bolivien. 1971 folgte die Biafra-Aktion, seit 1981 läuft die Tanzania-Hilfe. 32 Kontainer voll mit alten Maschinen, Werkzeugen, Fahrrädern und dergleichen erreichten seither das Land.

Tanzania gehört zur Vierten Welt, also zu den ärmsten Ländern der Erde. Es liegt im Südosten des „Schwarzen Kontinents" mit einer Fläche von 945.087 Quadratkilometern und 30 Millionen Einwohnern. Tanzania entstand, als sich Anfang der sechziger Jahre die beiden Republiken Tan-sanjika, ehemals Deutsch-Ostafrika, und Sansibar, ehemals unter britischem Protektorat, nach 240 Jahren unblutig vom Joch der Kolonialisie-rung befreiten und unabhängig wurden. Tanzania zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Uberleben ist dort das Wichtigste. „Es leben in Tanzania 127 Stämme. Die Menschen sprechen 127 Sprachen, die sich so unterscheiden wie Deutsch von Dänisch", erzählt Walterskirchen, der selbst erst 1991 erstmals das Land bereiste.

Aber dies ist nur eines der sekundären Probleme, die das Land hat. Verkehrsmäßige Infrastruktur gibt es im wesentlichen keine. Dadurch funktioniert die Verteilung in diesem Land überhaupt nicht. Und Bodenschätze gibt es ebenfalls nicht, Tanzania ist in weiten Bereichen nur mehr Steppe. Eine Folge der Rodungen in der Kolonialzeit und auch danach. Dazu kommt, daß das Hauptexportgut Sisal keine Abnehmer findet, seit der Kunststoff die Welt erobert hat.

Friedrich Walterskirchen hat seine Liebe zu Afrika und der schwarzen Bevölkerung im Alter von fünf Jahren entdeckt. „Damals schenkten mir meine Eltern eine Negerpuppe, in die ich mich verliebt habe". Die Missionarzeitungen hat er während seiner Schulzeit mit besonderem Interesse gelesen. So entstand der Wunsch, selbst als Missionar nach Afrika zu gehen. Das Schicksal wollte es anders. Sein Vater kam aus der russischen Gefangenschaft nicht mehr nach Hause. Friedl Walterskirchen, der 1947 am Josefinum in Wieselburg seine Ausbildung zum Agraringenieur' abschloß, mußte den Hof der Eltern übernehmen und die Familie ernähren.

In dieser Zeit am Josefinum war der Kapuziner Fidelis Krautsack, ein ehemaliger Missionar in Tanzania, sein Religionsprofessor. Dieser war es schließlich, der den Kremser Wohltäter Walterskirchen auf die Probleme des jungen afrikanischen Staates hinwies. Das Land, das lange Zeit vom christlichen Präsidenten J. K. Nyere-re regiert wurde, ist vorwiegend muslimisch. Nur 30 Prozent sind Christen, viele Einheimische gehören Naturreligionen an. Dennoch funktioniert das Zusammenleben. Heute regiert ein muslimischer Präsident. Doch die Christen sind es, die dem Land Bildung bringen. In den Schulen ebenso wie im Umgang mit Werkzeugen.

Apropos Werkzeug: „In Tanzania gilt", so erzählt der Afrika-Fan Walterskirchen, „wie bei vielen Naturreligionen, der Boden als heilig. Männer berühren den heiligen Boden nicht mit ihren Händen, denn Erde heißt Wachstum und Wachstum ist weiblich. Die eigentliche Arbeit liegt also bei den Frauen. Und weil eine Frau die gesamte Arbeit nicht alleine bewältigen kann, haben die Männer mehrere Frauen. Das funktioniert, weil es auch nicht anders geht." Aber - durch das Werkzeug brauchen die Männer den Boden nicht mehr zu berühren. Immer öfter gehen sie jetzt ihren Frauen zur Hand. Walterskirchen: „Diese Frauen sind dann besonders stolz, und für das Land ist das natürlich auch sehr gut."

Friedrich Walterskirchen, der in Afrika schon als „Narr Gottes" oder „Werkzeug Gottes" betitelt wurde, lebt seine Uberzeugung, und die heißt „Alles für Tanzania". Urlaub oder Luxus sind ihm fremd und interessieren ihn auch nicht. In seiner Freizeit reist er durch die Lande und wirbt für Tanzania. Ohne diesen unermüdlichen Einsatz wäre es schon bisher nicht möglich gewesen, 32 Kontainer mit Hilfsgütern in den Vierte-Welt-Staat zu schicken. Daß Gebrauchsmittel und nicht Geld gesammelt werden, hat seinen Grund in der hohen Inflation, die im Land herrscht. 7.700 Prozent in den vergangenen 30 Jahren.

Walterskirchens neueste Initiative ist es, Sonnenkocher zu kaufen und nach Tanzania zu schicken. Durch diese auf der Basis der Sonnenenergie funktionierenden Kocher können die Tanzanier nicht nur Speisen zubereiten, viel wichtiger ist, daß sie kein Holz brauchen. Davon gibt es dort nämlich nur sehr wenig. „Und wenn die wenigen Bäume nicht gerodet werden und wieder aufgeforstet werden kann, entsteht auch wieder Vegetation", erklärt Walterskirchen.

Walterskirchen ist engagierter Katholik. Für die katholische Kirche sieht er in Afrika eine große Zukunft. Eine größere als in Europa. „Allerdings nur", so Walterskirchen, „wenn Verständnis für die Lebensweise der Afrikaner aufgebracht wird." Darunter versteht er eine gewisse Inkulturation, die die katholische Kirche in ihrer Anfangszeit auch in Europa praktizierte, als sie beispielsweise das germanische Julfest in das Weihnachtsfest umwandelte et cetera.

Zur Zeit sind in Tanzania die Katholiken - wie erwähnt - für den gesamten Bereich der Bildung zuständig. Die Diözesen leisten Entwicklungsarbeit, vor allem aber auch die 776 Ordensschwestern der „Afrikan Bene-dictine Sisters of St. Agnes" in ihren 22 Klöstern. Einige von ihnen sind gerade in Österreich auf Besuch. Eingeladen von der Stadt Krems, die seit 35 Jahren Heimatstadt Friedrich Walterskirchen ist, und der katholischen Männerbewegung. Sie teuren zur Zeit gemeinsam mit ihrem öster-reichichen Mentor von Pfarre zu Pfarre und werben für ihre Anliegen.

Eines der Fernziele des bescheidenen, graubärtigen Kämpfers für ein besseres Leben am Schwarzen Kontinent ist es auch, Schwestern und Priester nach Österreich zu bringen. Sie sollen hier die Sprache lernen und in den Diözesen mitarbeiten, um später in und für ihre Heimat Ähnliches zu leisten, wie dies Friedrich Walterskirchen von Österreich aus vorzeigt. Denn Afrika rettet sich durch einen höheren und sozialen Wohlstand und nicht durch ein Wunder.

Apropos Wunder: Als die afrikanischen Benediktiner-Ordensschwestern kaum noch zu essen hatten und auch keine Kleidung, beteten sie neun Tage zum heiligen Josef. Dann kam jemand und gab ihnen die Adresse von Friedrich Walterskirchen, dem „narrischen Lehrer aus Krems, der Werkzeug und Maschinen in die Dritte Welt schickt."

Der Autor ist

Student an der Journalismus-Akademie in Krems.

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