"... damit der Name nicht ausstirbt"

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Bekannt aus vielen Film-und Fernsehrollen, steht der Autor und Herausgeber Miguel Herz-Kestranek oft im Schatten des Schauspielers. Im furche-Gespräch erzählt der Vize-Präsident des Östereichischen P.E.N.-Clubs, wie er durch das Schicksal seines Vaters zum Herausgeber österreichischer Emigrationsliteratur geworden ist.

Die Furche: Herr Herz-Kestranek, zwei Theaterengagements haben Sie selbst beendet, das dritte wurde beendet. War Ihre Liebe zum Theater eine unglückliche?

miguel herz-kestranek: Es hat sich einfach nicht mehr ergeben. Zum einen habe ich kaum mehr Angebote bekommen, zum anderen habe ich mich durch meine Solo-Abend-Karriere, durch das Fernsehen, das Selbst-Produzieren und nicht zuletzt durch das Schreiben auch innerlich vom Theater entfernt. Und mittlerweile habe ich am Theater in der Form, wie wir es betreiben, meine Zweifel.

Die Furche: Sie bezeichnen die Schauspielerei als Brotberuf, aber es ist nicht das, wo Ihr Enthusiasmus liegt.

herz-kestranek: Ich bezeichne mich auch als Schauspieler nie als Künstler, sondern als Könner. Ich mache zu fast 100 Prozent Fernsehen, und Fernsehen ist ein Geschäft wie Waschmittel oder Hosenknöpfe. Ich bin in diesem Geschäft eine Ware, und eine gar nicht so wichtige. Könnten die Produzenten diese Ware einsparen - man kann heute im Computer Filme mit verstorbenen Stars machen, es ist nur noch sehr teuer - , dann würden sie das tun.

Die Furche: Was würden Sie machen, wenn Sie ganz aus diesem Geschäft aussteigen könnten?

herz-kestranek: Als Schauspieler kleine, nicht kommerzielle Filme, und wenn man davon leben könnte, Dokumentarfilme. Und ich hätte Zeit und Muße, mehr zu schreiben und herauszugeben und könnte mehr für den P.E.N. arbeiten. Ich würde die Solo-Auftritte machen, an denen mir wirklich etwas liegt, vor allem mehr singen. Und wäre ich noch jünger, wäre ich ein begeisterter, ganz revolutionärer Europapolitiker.

Die Furche: Auf Fotos in St. Gilgen sind Sie in der Lederhose zu sehen. Es gibt wahrscheinlich wenige Menschen jüdischer Herkunft, die überhaupt eine Lederhose besitzen.

herz-kestranek: Wir haben in Österreich eine oft heuchlerische und verlogene Antifaschismuskultur, wo sehr viele Gesinnungsparvenüs unterwegs sind, viele Aufarbeitungs-und Betroffenheitsmonopolisten. Die Lederhose ist für mich ein Teil meiner Familientradition. Kaum jemand weiß, dass eines der ersten Gesetze nach dem Anschluss 1938 Juden das Tragen von Lederhose und Dirndl verboten hat. Ich lasse mir das heute von niemandem mehr verbieten. Außerdem würde ich ja Hitler recht geben, wenn ich die Tracht, die von den Nazis missbraucht wurde, heute noch immer damit in Zusammenhang bringe.

Die Furche: Jörg Mauthe hat Sie einmal vorgestellt: Miguel Herz-Kestranek - ein Name, in dem die Sonne nicht untergeht. Welche Länder und Herkünfte sind darin vereint?

herz-kestranek: Das jüdische "Herz", das tschechische "Kestranek" und das spanische "Miguel" als Erinnerung an die Emigration. Meine Eltern haben einander in Montevideo kennen gelernt. Der Doppelname entstand durch Adoption: Meine Großmutter war eine Kestranek, mein Großvater ein Herz; mit 28 Jahren wurde mein Vater von seinem Onkel adoptiert, damit der Name Kestranek in männlicher Linie nicht ausstirbt - und weil es in der Wäscherei unverfänglicher war, Wäsche für Kestranek zu hinterlassen als für Herz.

Die Furche: Jüdische Herkunft, christliche Erziehung und Nähe zum Buddhismus - wie lebt man damit?

herz-kestranek: Ich bin sehr verankert in meinen jüdischen Wurzeln - allerdings nicht in der Religion; ich weiß über sie zu wenig. Andererseits kann ich das katholische Aufwachsen nicht über Bord werfen, als hätte es nie existiert. Ich bin kein Buddhist, aber ich habe mich sehr mit dem Buddhismus beschäftigt und habe einen Freund und Lehrer - einen buddhistischen Mönch aus Sri Lanka, der in Wien lebt. Ich habe dadurch unglaublich viel gelernt: auch mich mit etlichen Grauslichkeiten der katholischen Kirche auszusöhnen.

Die Furche: In katholischer Umgebung mit jüdischer Herkunft aufzuwachsen und in Familienverhältnissen, die nicht dem katholischen Bilderbuch entsprechen, kann ja nicht leicht gewesen sein.

herz-kestranek: Das Aufwachsen war schwer, mit viel Heuchelei, viel Lüge, viel Bigotterie. Diese zusammengewürfelte riesige Familie hat natürlich auch alle Schrecklichkeiten enthalten, die Familie überhaupt bedeutet - aber auch viel lustigen Irrsinn, wenn so heterogene Menschen mit den verschiedensten Interessen und Lebensentwürfen in das Korsett Familie gepresst werden. Das hat auch sehr viel mit meinem Vater zu tun, der, aus der Emigration zurückgekommen, in vierter Ehe die Frau eines ss-Hauptmanns heiratete, mit vier in die Ehe gebrachten Kindern.

Die Furche: Was haben Sie über Ihren Vater erfahren, als Sie seine Emigrationsbriefe herausgegeben haben?

herz-kestranek: Ich bin aufgewachsen in dem ausgestorbenen Tante-Jolesch-Geist und-Humor. Der jüdische Witz und die jüdische Ironie waren durch meinen Vater immer gegenwärtig. Wenig bis nichts habe ich erfahren über seine Emigration. In den Briefen habe ich einen mir vollkommen unbekannten Vater kennen gelernt.

Die Furche: Dessen Sohn Sie gerne sind?

herz-kestranek: Einen Vater, dem ich viel verdanke, durch dessen Schwäche ich aber als Kind und Jugendlicher auch viel Leid ertragen musste. Aber ich habe mich nach seinem Tod mit ihm ausgesöhnt. Ich habe einmal ein ganz einfaches Gedicht an ihn geträumt, dem Sinn nach etwa: Lieber Vater, du bist weg, ich bin da, du hast so viel Schlechtes gemacht, du hast so viel Gutes gemacht, aber ich habe dich lieb, ich verzeih dir alles, und solltest du noch irgendwo herumschwirren, lass los, wir beide sind Freunde und alles Gute! Danach bin ich aufgewacht und konnte das hinschreiben. Seitdem bin ich mit meinem Vater bestens.

Das Gespräch führte Cornelius Hell.

"Ich war nie ein Proporz-Schranze"

Der Blick und die Gestik ziehen den Gesprächspartner hinein in die unbedingte Präsenz des Schauspielers. Natürlich wird er im Café ständig von irgend jemandem erkannt, aber die Unterbrechung stört die Konzentration nicht. Miguel Herz-Kestranek , Jahrgang 1948, hatte feste Engagements am Burgtheater, am Schauspielhaus Graz und am Theater in der Josefstadt und große Rollen bei den Salzburger Festspielen, aber bekannt ist er vor allem aus seinen etwa 150 Film-und Fernsehrollen. Dahinter verschwindet oft, was ihm am wichtigsten ist: der Autor und Rezitator. Elf Bücher gibt es von ihm, darunter die 1997 edierten Briefe seines Vaters aus der Emigration: "...also hab ich nur mich selbst!" Neben zahllosen Soloprogrammen veranstaltet er den Wiener Advent und den Salzkammergut Advent. Die Homepage www.herz-kestranek.com zeigt seine Aktivitäten.

Am Dienstag, 13. Juni werden um 20 Uhr im Wiener Jüdischen Museum zwei Bücher präsentiert, an denen Herz-Kestranek beteiligt ist: Die Anthologie österreichischer Exillyrik "In welcher Sprache träumen Sie?" und die Erinnerungen der 2003 im "Österreichischen Altersheim" in Tel Aviv verstorbenen Anny Robert: "Herrlich ist's in Tel Aviv - aus der Wiener Perspektiv". Nach einemGespräch der Herausgeber Daniela Ellmauer, Miguel Herz-Kestranek, Konstantin Kaiser, Albert Lichtblau und Daniela Strigl liest Andrea Eckert aus den Erinnerungen und Gedichten.

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