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Das Burgenland von heute

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Wer schon einmal über die Fluren dieses gesegneten Landstrichs gegangen ist und die schwere, schwarze, fettige Scholle prüfend in seine Hand genommen hat, der begreift, daß dieses Land einstmals der große Gemüsegarten Wiens und darüber hinaus sein Wirtschaftshof gewesen ist. Wenn sich in anderen Teilen Österreichs der Mensch um jede Handvoll Heu, um jedes Büschel Korn schwer mühen und einzeln bücken muß, fällt dem Burgenländer die reife, satte Frucht scheinbar von selbst in den Arm. Freilich, auch diese Fülle der Fruchtbarkeit wird dem Menschen nicht geschenkt.

Nur klein ist hier das Stückchen Land, das der Bauer sein Eigen nennen kann. Das immer wieder nötige Aufteilen des Ackers auf die meist zahlreichen Söhne brachte eine Aufsplitterung des Bodens mit sidi wie nirgends sonst. Wenn wo anders die jüngeren Bauernsöhne in die Stadt ziehen oder sich einem Handwerk zuwenden, so bleibt hier der Mensch seiner Scholle treu, auch wenn sie nicht mehr ausreicht, seinen Besitzer zu ernähren. Er verdingt sich hier neben seiner Bauernarbeit als Knecht, als Bauhilfsarbeiter, er wird, wenn er Kroate ist und damit das Geschick zum Handeltreiben schon in die Wiege gelegt bekam, ein Gelegenheitshändler, der mit allem und allen handelt, oder er hilft seiner in dieser Beziehung noch tüchtigeren Frau, er bastelt, er schnitzt, er webt, er stickt und strickt, er zieht Kerzen, er töpfert, er erzeugt Lebzelten, Pfeifen, Kegelspiele. Das sind nicht Einzelerscheinungen, sondern allgemeiner Brauch, so daß meist ein ganz bestimmtes Handwerk für einen Ort charakteristisch ist.

Kurzum, der Burgenländer nimmt alles in die Hand, um zur kärglidien Kost aus seinem Acker das nötige Salz zu verdienen. Wie weit ein solcher bis an die Grenze seines Vermögens belastet ist, kann nur der ermessen, der Selbst zwei ihn voll ausfüllende Berufe ausübt.

Kaum irgendwo wie hier wird das kleinste Fleckdien Boden bebaut und bis zur letzten Möglichkeit ausgenützt. Die Intensivierung führt automatisch zur Gartenkultur auf den Äckern, weil nur so das Erträgnis die primitivsten Lebensbedürfnisse befriedigen kann. Ein Heimgarten verlangt Mühe, erst recht die Übertragung dieses Heimgartens ins Große auf einen Acker mit Ananaserdbeerkulturen oder auf hunderte Meter lange Erbsenbeete. Dazu die allgemein schwere Beanspruchung in der Bewirtschaftung der Hackfrucht, die in der Anbaufläche des Burgenlandes einen breiten Raum einnimmt, neben dem auch hier verbreiteten Weinbau, der mehr Arbeit erfordert als die meiste andere Frucht.

Die nächste Ernte, der Ertrag ihrer Hände Arbeit, ist es, um den alle Gedanken der Menschen dieses Landes kreisen. An der Ernte hängt ihr aller Schicksal.

Und das Volk ist arbeitsam und willig, aber die Mittel sind noch viel mehr als in anderen österreichischen Bundesländern beschränkt. Transportmöglichkeit wird auch hier den entscheidenden Ausschlag geben. Schon seit je ist diese Frage für das Burgenland das Hauptproblem. Der nördliche Teil, ohne natürliche Schwierigkeiten, ist gerade noch ausreichend mit seinem gegebenen Absatzgebiet, mit Wien, verbunden. In den mittleren Teil führt nur eine Bahnlinie, die zwar noch die Nordsüdrichtung einhält, in stetigen Kurven und Umwegen aber gleichsam in jeden Winkel des Landes hineinsehen möchte wie die Bäche in diesem Gebiet. In ewigen Bögen schaukelt sie dahin und täuscht eine Geruhsamkeit vor, die den Menschen zur Geduldend zur Beschaulichkeit vor all der Schönheit ermahnt. Und die Bahn nimmt unvermittelt ihr Ende, weil der Schienenstrang schließlich ganz hinüberführt nach Ungarn, in das tapfere Städtchen Güns (Köszeg), dessen Reste von Verteidigungsanlagen noch heute das Hohelied seiner Bürger und ihres Kommandanten Jurisich im Turkenkrieg verkünden.

Der enge Hals des Landes zwischen Wechselgebirge und der ungarischen Greiwe bei ödenburg laßt auch nur Raum für eine •einzige Straße, di?“ sich in mühsamen Serpentinen ihren Weg sudit.

Die Landschaft ist so recht ein Spiegelbild hrer Bewohner. Wie sich in diesen die Härte und Zähigkeit des Gebirglers mjt der in träumerischer Sehnsucht sich verzehrenden Art des Menschen der weiten Ebenen zu einem erdverwurzelten, zielstrebigen, arbeitsamen und doch weltoffenen, empfänglichen und begeisterbaren, ja leidenschaftlidien Menschenschlag vereinigt, so ist auch das Land. Abgesehen von der Ebene des Nordostens ist das abwedislungsreiche, freundliche Auf und Ab, die fruchtschweren Rücken, die weinumlaubten, flachen Hänge und die mäßig breiten Täler mit ihrem saftigen Wiesengrund der Typus der Landschaft.

Wie die Gegensätze von Ost und West in der Landschaftsform hier glücklich ausgeglichen werden, so gleichen sich auch hier die Völkergruppen, Germanen, Slawen, und Magyaren in glücklicher Form aus. Meist in 'hrer Sprache in den einzelnen Dörfern ihren Ursprung noch erhaltend, haben sie sich von ihrem Wesen gegenseitig viel gegeben, so daß ^■in aufgewecktes, intelligentes Volk entstanden ist, das wie in allen völkischen Überschneidungsgebieten leicht in einzelnen ganz großen Köpfen gipfelt.

Das Schicksal hat diesen von der Natur gesegneten Landstrich ganz besonders heimgesucht.

Die Mittellosigkeit des Landes, gepaart mit der Systemlosigkeit der Schienenwege ist die Ursache, warum bisher die Verheerungen der Kriegsmonate im Burgcnland noch am deutlichsten sichtbar sind. Sie waren hier aber auch am größten und haben am tiefsten in die Verwaltung und Organisation des Landes eine Lücke gerissen. Eisenstadt ist zwar der größte Ort, liegt aber stark peripher.

Ein Schritt vbn der schon wieder stark belebten Straße in die Pfarrkirche, und wir meinen in der Puszta zu sein. Weit, offen wirkt der Kirchenraum, ländliche Stille und bäuerliche Gelassenheit und Ruhe ist sein Gepräge. Man ist in ihm ständig darauf gefaßt, daß ein vollbeladener Heuwagen mit den bändergesdimückten Burschen und Mädchen in übermütiger Erntefestlaune durch das breitgewölbte Tor einfährt.

Es ist nicht so einfach, aus TeileW dreier früherer ungarisdier Komitate — Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg — daher auch der Name ßurgenland — ein einheitliches Land zu gestalten. Nicht einmal zwei Jahrzehnte standen dazu zur Verfügung, und schon wurde seine Einheit wieder zerschlagen und sein Gebiet zu Teilen von Reichsgauen. Zum Glück, daß dieser Spuk nicht allzu lange sein Wesen treiben konnte. Es ist leicht einzusehen, daß unter den heutigen erschwerten Bedin-. gungen normale Verhältnisse aus diesem F.rbe nur langsam wieder erstehen können, trotzdem es an oberster Stelle ein Mann lenkt, der in mancher Beziehung ein Beispiel für unser Land sein kann. Auch er ging seihen leidvollen Weg durch die Kerker der Gestapo; viel konnte sie ihm nehmen, seine aufrechte Gesinnung nicht. Hier steht ein Kroate an der -Spitze eines österreichischen Bundeslandes, und macht alle Rederei von Minderheitenproblemen damit zum Gewäsch, eine lebendige Dokumentation der demokratischen Haltung des heutigen Österreich.

Daß sich das Volk selbst in der Not der heutigen Zeit hier im Schnittpunkt der Völkerschaften und Kulturen der wahren Werte besinnt, zeigt uns das Fußfassen-könneh der katholisdien Akademie, die durch ihre Zweigstelle Burgcnland sogar hier auf dem flachen Land regelmäßig gut besuchte Vorlesungsreihen von erfreulichem Niveau abhalten kann.

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