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Das Burgtheater ist kein Variete

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Ein multitalent. Burgtheaterschauspieler und Regisseur Hackl inszeniert Feydeaus „Der Floh im Ohr" im Akademietheater. Premiere am 26. April.

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Ein multitalent. Burgtheaterschauspieler und Regisseur Hackl inszeniert Feydeaus „Der Floh im Ohr" im Akademietheater. Premiere am 26. April.

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dieFurche: Wie ist derzeit die Stimmung am Burgtheater, da der Burgchef Claus Peymann 1999 geht? Ist man erleichtert oder verunsichert weil eine Vzränderung bevorsteht?

Karlheinz Hackl: Man weiß, es fällt nur mehr eine Entscheidung zwischen dem Wiener Volksoperndirektor Klaus Bachler und dem Leiter des Schauspielhauses in Hamburg, Frank Baumbauer. Beide hätten Probleme in dieser Position. Bachler gilt für viele als die österreichische Variante. Er ist Garant für den Status quo, er kennt Leute, Regisseure und verletzt niemanden. Er ist kein Künstler und er ist in dieser Beziehung ohne Ehrgeiz, aber er kann Leute zusammenbringen. Das ist die eine Lobby. Die andere ist die von Baumbauer. Dieser hat Begisseure wie Bachmann oder Marthaler an der Hand. Er bringt neue Impulse, als Künstler hat er einen eigenen Stil. Es ist der Stil des Hamburger Schauspielhauses, der dann bei uns aufgepropft wird. Das vergessen die Leute. Baumbauer kennt kaum jemanden in Österreich. Ich bin überzeugt davon, daß er auch mich nicht kennt. Dann gibt es die sogenannten progressiven Kreise unseres Landes, die meinen, daß meine Sicht auf den Beruf konservativ und traditionell sei. Darüber bin ich wirklich sauer. Mein ganzer Werdegang, meine Aktionen, die ich mache; sind unkonventionell. Ich mache eigene Kabarettprogramme, singe, inszeniere, mache freche Programme allein. So zum Beispiel war meine Inszenierung von „Romeo und Julia" an der Rurg sehr modern. Ich stelle die Personen mit heutigen Kostümen auf die Bühne.

dieFurche: Konservativ, kann das nicht auch etwas Positives sein?

Hackl: Ja, aber es wird einem zum Vorwurf gemacht. Vor allem, wenn man hört: „Das ist doch der, der das Theater wiederbringt, wie es in den siebziger oder achtziger Jahren war." Ich empfinde das als Frechheit, zumal man mit mir überhaupt nicht geredet hat. Was will man von Leuten, die gar nicht ins Theater gehen, sondern nur abhängig sind von anderen, die ihnen ins Ohr flüstern. Ich meine jetzt nicht die zwei neuen Burgkandidaten. Die Politiker bei uns haben immer vier oder fünf Leute gehabt, die entscheiden, was passiert. Es werden weder Publikum, Schauspieler noch Regisseure gefragt. Es wird mit Andre Heller gesprochen, wer Burgtheaterdirektor werden soll. Bitte, das halte ich für gefährlich, weil Andre Heller von Theater so viel weiß, wie ich vom Seiltanzen. Wir können ja an der Burg nicht „Roncalli" spielen oder durch den Reifen springen. Jemand, der meint, Theater soll wie ein Video-Clip sein und die Szenen nicht länger als drei Minuten, der sich sonst langweilt, dem fehlt einfach die Kompetenz. Ebenso wird Operndirektor Holender gefragt, wer Burgtheaterdirektor wird. Ich verstehe das einfach nicht.

dieFurche: Sie sind als Geheimkandidat gehandelt worden. Würde es Sie reizen, Burgtheaterdirektor zu sein?

Hackl: Ich interessiere mich grundsätzlich schon dafür. Natürlich will ich noch andere Schritte unternehmen. Der eine mit dem Inszenieren ist mir gelungen. Ich möchte dies intensivieren und zwei Inszenierungen pro Jahr machen. Ich weiß, daß Leute auf mich hören, daß ich etwas bewirken kann. Ich würde gerne ein Ensemble leiten. Das ist die eine Seite in meinem Herzei}, und die andere, daß das Burgtheater ein Moloch ist, der einen auffrißt. Man kann sich selbst künstlerisch nicht weiterentwickeln, wenn man dieses Theater leitet. Man sieht es am Beispiel von Peymann. Er ist meines Erachtens in den letzten zehn Jahren deswegen so ausgebrannt, weil ihm als Direktor viel abgerungen wurde. Daneben wollte er auch noch Regie führen. Das alles zusammen höhlt aus, ich beleidige ihn nicht, wenn ich das sage. Der tagtägliche Streß, der Riesenapparat entzieht einem auf Dauer die künstlerische Potenz.

dieFurche: Was bleibt dann von der Ära Peymann?

Hackl: Selbstverständlich anerkenne ich einmal, was war: „ Hermann-schlacht", „Nathan der Weise", „Ritter, Dene, Voss". Und vielleicht „Heldenplatz", obwohl mir diese Inszenierung nicht besonders gefällt, da ich den Herstellungsprozeß kenne. Es ist eine gute Arbeit und toll, weil es das Vermächtnis von Thomas Bernhard ist. Ich wage zu behaupten: Wäre er heute noch am Leben, wäre das Stück kein Ereignis mehr. Die linke Kulturpolitik hat immer die Angst, daß wir hier eine grüne Wiese machen, wo echte Gänse herumlaufen und wir rückschrittlich werden. So ein Blödsinn. Für mich ist das Burgtheater austauschbar geworden. Den Stil, die Inszenierungen kann man ebenso in Berlin, Hamburg und überall sehen. Die Handschrift des Hauses unterscheidet sich nicht von den anderen Theatern. Der Inszenierungsstil ist intellektuell angehaucht, analysierend und ein bißchen kalt. Es fehlt die große Bombe an Gefühl. Nur mit Distanz wird man die Leute ä la longue nicht im Theater halten können. Der Schauspieler muß das Publikum an den Drüsen packen, dann ist es toll.

dieFurche: Was bedeutetßr Sie die Handschrift des Burgtheaters?

Hackl: Das Burgtheater muß sich in Zukunft genauso verhalten wie jeder andere EÜ-konforme Betrieb. Es muß stark auf den Markt gehen und die Besonderheiten unterstreichen: unsere Seele, unsere Mentalität, die Art, wie wir sind. Ich bin leidenschaftlicher Österreicher, das ist gut für den Beruf. Wir müssen mehr aus unserem Umfeld schöpfen, aus unserem slawischen, schwermütigen, temperamentvollen Wesen. Ich habe immer festgestellt, daß die deutschen Zuschauer, wenn sie unsere Mentalität entdecken, sich darüber freuen. Das bedeutet natürlich nicht, daß man dauernd Nestroy produziert. Der Reichtum unserer Literatur sollte mehr betont werden. Wir sollten auch offen sein, aber nicht kopieren. Warum müssen wir ständig über die Gren -zen schauen ?

dieFurche: Sie haben „Der Floh im Ohr" von Georges Feydeau inszeniert Wie sehen Sie Feydeau?.

Hackl: Bei Feydeau darf man sich nicht distanzieren, man darf nicht Komödie spielen. Es muß existentiell gespielt werden. Existentiell spielen es die Franzosen nicht. Das ist unsere Chance, es muß wie eine Tragödie gebracht werden mit den absolut großen Gefühlen, also Nöten, Ängsten der betreffenden Personen. Dann wirkt die Komödie lustig und das Publikum muß lachen. Ich versuche, den Schauspielern das zu erklären. Jedem ist klar, daß bei einer echten Tragödie die Rolle ernst zu spielen ist, aber beim „Floh im Ohr" ist das überhaupt nicht selbstverständlich. Ich weiß, die Kulturpolitiker haben über solche Stücke die Nase gerümpft. Sie empfinden es unter ihrem Niveau. Ich bin da anderer Ansicht, und einige wissen ja, wie schwer ein Feydeau zu spielen ist. Wie schwierig es ist, es so zu bringen, daß das Publikum über die Existenznöte richtig lachen kann. Allerdings ist es ein ganz anderes Lachen als bei einem Löwinger-Stück. Die gute Besetzung ist natürlich auch sehr wichtig. Bei diesem Genre kann man nicht schummeln. Beim heutigen Trend, der bei manchen Intellektuellen herrscht, müßte ich mich folgerichtig genieren: „Entschuldigen Sie bitte, ich habe einen Feydeau gemacht und da kommen Leute rein."

dieFurche: Denken Sie an bestimmte Rollen zurück oder voraus?

Hackl: Eher immer zurück, weil ich meistens Glück hatte. Ich mußte nie um eine Rolle kämpfen, außer um Li-liom. Obwohl ich aus dem Sozialbau komme, nimmt man mir eine Schnitzlerfigur, den Schwierigen, genauso ab wie den Weinberl im Jux. An Platonov liegt mir viel und ich hoffe, daß er noch lange am Spielplan bleibt. Es ist die anstrengendste Rolle, die ich je gespielt habe, aber von einem enormen Reichtum. Ich bin rundherum glücklich, wenn ich aus dem Theater gehe. Es ist schön, so eine Zuwendung vom Publikum zu bekommen.

Das Gespräch führten

Claudia Rismondo und Heiner Roberski

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