Martin Walser - © FOTO: APA/dpa/Felix Kästle

Schirrmacher und Walser: Das Ende der Debatte

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Über Frank Schirrmachers "Walser-Vernichtung".

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Über Frank Schirrmachers "Walser-Vernichtung".

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Frank Schirrmacher, Mit-Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen, hatte, so hört man, bis vor kurzem ein Problem: Er war, nach einer längeren Erfolgsphase, in den komplizierten internen Machtkämpfen des Weltblattes in Schwierigkeiten geraten.

Darum, so wissen "Insider" zu berichten, habe er auch seine wilde Attacke auf den vormaligen "Hausautor" Martin Walser geritten. Die Ablehnung eines Vorabdrucks von Walsers Schlüsselroman "Tod eines Kritikers", die Schirrmacher unter Erhebung des Vorwurfes, Walser bediene antisemitische Klischees, öffentlich machte, diente demnach vor allem dem eigenen Machterhalt: Welcher Eigentümer würde sich von einem Herausgeber trennen, der gerade die Debattenhoheit über den Schreibtischen errungen hat?

Vielleicht war es auch ein anderes Kalkül, das den deutschen Feuilleton-Wunderwuzzi zur Walser-Vernichtung getrieben hat. Fest steht nur: Es war Kalkül. Denn wenn einer seine journalistischen Sinne beieinander hat, richtet er einem Autor die Ablehnung eines Vorabdrucks persönlich aus und veröffentlicht seine Kritik zum Erscheinen des Buches - dann, wenn das Publikum in der Lage ist, das Urteil des Kritikers zu überprüfen und sich ein eigenes zu bilden.

Die Diskussion, die seit zwei Wochen durch die Medien wogt, und der sich auch niemand entziehen kann, ist dagegen vollkommen absurd: Kaum jemand, der sich jetzt äußert, kennt Walsers Text, was die Dezidiertheit der Standpunkte nur zu verstärken scheint.

Mag sein, dass es - unabhängig vom Text - an der Zeit war, darüber zu diskutieren, was man denn heutzutage unter Antisemitismus zu verstehen habe. Es steht aber zu befürchten, dass der Nutzen dieser Debatte kleiner ist als der Schaden, der entsteht, wenn sich beim Publikum der Eindruck verfestigt, dass die Debatten, die heute in den Feuilletons geführt werden, nichts anderes sind als Instrumente der Selbstinszenierung und der Positionierung in Auseinandersetzungen, die mit der debattierten Sache nichts zu tun haben.

Das wäre dann ein Ende der Debatte an sich.

Michael Fleischhacker ist Stv. Chefredakteur der Tageszeitung "Die Presse".

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