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Das Erbe von Anton Wildgans

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Fünfzehn Jahre sind seit dem Tode des Dichters vergangen. Wenige Jahre vorher (1930) hatte Wildgans seine ..Gesammelten Werke“ bti A. Staadcmann redigiert. Sowohl diese Ausgabe als auch die einzeln erschienenen frühen oder späteren Sdiöpfungen des Dichters »ind längst vergriffen. Sie den Lesern in Österreich und in aller Welt wieder zugänglich zu machen, ist Aufgabe und Ziel der neuen Ausgabe der „Sämtlichen Werk«“, die von der Witwe des Dichters und Hofrat Dr. Otto Rommel betreut und von den beiden Verlagshäusern Bellana-Verlag, Wien, und Sty ria — Anton Pustet, ' Graz und Salzburg, herausgegeben wird. Doch ist die Verbreitung der bekannten Werke des Dichters nicht die einzige Aufgabe dieser neuen Ausgabe: ein ungewöhnlich reicher und interessanter Nachlaß soll zugleich zutage gefördert werden.

Um die Komposition und die Gruppierung »eines Gedichtbandes nicht zu stören, hatte der Dichter eine Reihe von Stücke ausgeschieden, die efen veröffentlichten durchaus ebenbürtig sind und nun zum erstenmal aufscheinen. Von besonderem Interesse wird der zweite Band sein, der den Titel führt ..Der junge Wildgans“ und für die Öffentlichkeit ganz neu ist. Neben Jugendgerichten wird er vier vollendete Einakter enthalten („Das Inserat“, „Der Löwe“, „Vor dem Duell“ und ..Wechselfieber“), die zwischen 1905 und 1911 entstanden sind. Diese Stücke haben ein mehr artistisches Interesse, da sich in ihnen ein spielerisches Erproben der Kräfte des jungen Dramatikers spiegelt, dem freilich die Pointe noch wichtiger ist als das behandelte Problem. Einer gehaltvolleren Schicht gehört ein dreiaktiges Komödienfragment an, das schon echte Wildgans-Züge aufweist. Das weitaus reifste Stück aber ist ein kleiner, vollendeter Roman, „Die irdische Maria“ (1913), dessen Veröffentlichung der Dichter selbst mehrfach erwog und das nun zum erstenmal zugänglich wird.

Die Bände III und IV werden die bürgerlichen und mythischen Dramen bringen, Band V den „Kirbisch“ und Band VI „Musik der Kindheit“. Der vorletzte Band vereinigt unter dem Titel „Der Dichter zu Zeit und Welt“ eine bedeutende Anzahl von Reden, Aufsätzen, Prologen, Zeitgedichten und Tagebuchaufzeidinungen aus der Reifezeit. Er bringt ferner zwei dramatische Skizzen satirischer Haltung, deren Stoff aus der Burgtheaterzeit des Dichters stammt, „Die Faustbesetzung“, ein wirkungsvolles Kurzstück aus dem Kulissen milieu, und „Der Wald“ (später unter dem Titel „Der Sturz des Ministeriums Deunis“), welches die deprimierenden Erfahrungen des Autors mit der hohen Ministerialburokratie darstellt. Der Abschlußband ist einer umfassenden Darstellung von Wildgans' Tätigkeit als Leiter des Burgtheaters gewidmet. Ein Nachwort des Herausgebers bringt eine Gesamt-wüdigung.

Der Text der geplanten Ausgabe wird auf Grund sämtlicher erreichbarer Drucke und unter steter Heranziehung des handschriftlichen Nachlasses revidiert werden. Auf einen Lesartenapparat mußte — im Hinblick auf die schwieri gen Produktionsbedingungen und um diese Volksausgabe nicht Unnötig zu belasten — verzichtet werden. Aber auch der Philologe und derjenige, der tiefer in den Schaffensprozeß des Dichters eindringen will, sollen zu ihrem Recht kommen. Zwar wird die — nichtchronologische — Anordnung der Gedidne der ersten Ausgabe nicht angetastet, die Reihenfolge ihrer Entstehung wird aber aus einem Register »m Schluß des betreffenden Bandes ersichtlich sein. Mehrere der Bände werden charakteristische Variantenproben enthalten, so zum Beispiel der Band mit dem „Kirbisch“, weil der Dichter selbst der Formwerdung dieses Epos beispiel hafte Bedeutung zuerkannte und weil das handschriftliche Material hiezu besonders reichhaltig ist. Bibliographische, entstehungs- und theatergeschichtliche Hinweise werden alle Bände ergänzen. Daß sie gründlich und instruktiv sein werden, dafür bürgt der Name des Herausgebers. Einem Wunsdie der „Wildgans-Gesellschaft“ zufolge erscheinen >ls erste Bücher der „Kirbisch“ und die „Musik der Kindheit“.

Flucht in die Krankheit? Von Dr. phil. Ed. Grünewald. Sammlung: Medizin — Philosophie — Theologie (Prof. Dr. H. Urban). Tyrolia, Innsbruck 1947. 34 Seiten.

Hier wird die alte psydioanalytische Frage nochmals aufgerollt, ob es eine Flucht in die Krankheit, ein Ausweichen vor dem Leben gebe. Der Autor bejaht das und belegt diese Ansicht mit Beispielen aus der Praxis. Im Gegensatz zur Fludit in die Kiankheit, von der sich der Patient mittels der klärenden Psychotherapie abwenden soll, gibt es ein „gesundes“ Bekenntnis zur Krankheit, aus dem heraus die Meisterung des Krankseins erfolgt. Es heißt Stellung nehmen zur „psychophysischen Aufforderungssituation“, sich dem Leben gegenüber als Verantwortlidier zu wissen und die Lebensentscheidungen in der rechten Weise zu treffen. Die hier gebotene Variation zu dem in älterer und neuester Zeit oft behandelten Thema mag dem, der in sich die gerade hiefür abgestimmte „Aufforderungssituation“ erkennt, erhellend und wegbereitend sein.

Dr. Eva F i r k e I

Seelenführung. Von P. J. P. de Caussade. Verlag Benziger, Einsiedeln.

Dem bekannten Werk ..Hingabe an die gött-.iche Vorsehung“ vom selben Autor folgt nun in erstmaliger deutscher Obersetzung eine Sammlung von geistlichen Briefen, die im Grunde den gleichen Gegenstand behandeln, aber viel stärker wirken, da sie .in der vorliegenden Ausgabe ungekürzt wiedergegeben sind und deshalb die Persönlichkeit des Autors mehr hervortreten lassen. P. Caussade baut seine Lehre vom inne»-lichen Leben ganz auf die glaubens- und vertrauensvolle Hingabe an die Führung Gottes auf. Mag auch auf den ersten Blick scheinen, daß der Autor eine mehr passive oder rezeptive Haltung der Seele Gott gegenüber verlangt als ihre eigene Tätigkeit, so zeigen spätere Kapitel des Buches deutlich, daß er das Moment der Eigentätigkeit ebenso stark betont. Freilich spricht P. Caussade nicht zu Anfängern, die noch mit den gröbsten Hindernissen des geistlichen Lebens im Kampf liegen, sondern zu großmütigen, gottliebenden Seelen, die gerade durch die Hingabe an Gottes Führung in allen Lebenslagen, insbesondere in Jen so schweren inneren Prüfungen, in der Vereinigung mit Gott immer mehr fortschreiten. Das Buch sei nicht nur Priestern, die nach Innerlichkeit strebende Christen führen sollen, sondern jedem, der ein wirklich innerlicher Christ sein oder werden will, empfohlen.

Dr. Walter Taubert

Die Sehnsucht der ewigen Hügel. Christus im Alten Testament. Von Claus Schedl. Verlag Styria, Graz 1947. S 24.—, 306 Seiten.

Bücher, die sich mit dem Alten Testament befassen, haben heute eine besondere Aktualität und Aufgabe. Der Weg zur Heiligen Schrift des Alten Testaments ist an sich beschwerlich und vielen in den vergangenen Jahren^noch be-schwerlidier geworden. Schedl unternimmt es, Jie großen alttestamentlichen Leitgedanken, losgelöst vom zeitlich Bedingten, die Heilsgedanken Gottes, die zum Neuen Testament hinführen und in Christus ihre Erfüllung finden, in einer frischen und dichterisch beschwingten Sprache darzustellen. Eine glückliche Art, um heute den vielen Interessierten und „Neugierigen“ so den Sinn der alttestamentlichen Schrift zu erschließen. In drei dem Umfang nach gleichen Teilen — Patriarchen, Führer und Könige, Propheten — wird das ganze Alte Testament als Heilsgeschichte Gottes in ihren Grundgedanken analysiert. Der eine oder andere Fachgelehrte mag vielleicht einwenden, er sehe in dieser Art der Darstellung die Gefahr, eines zu großen Subjektivismus. Diese Gefahr beteht wohl dort, wo die fachliche Vertrautheit mit all den “Hilfswissenschaften der alttestamentarischen Exegese fehlt. Daß dieses Fachwissen und die Kenntnis der Fachliteratur im vorliegenden Werk mithineingebaut ist, davon kann sich jeder Alt-testamentler leicht überzeugen. Man kann aber auf der anderen Seite manchem Werk der Einleitung ins Alte Testament und der Exegese den Vorwurf nicht ersparen, daß sie in der Archäologie, Philologie und Profangeschichte steckenbleiben und von den großen Gedanken Gottes einer Heiligen Schrift wenig spüren lassen. Um so freudiger nimmt man das mit jugendlichem Schwünge geschriebene Werk auf, das sich «ine neue Form »uf diesem Gebiete gesucht hat. Möge es eine ähnlidie Aufgabe erfüllen, wie es seinerzeit dem Buche vpn G. Closen, Wege in die Heilige Schrift, beschieden war. Doz. Dr. F. König

Joies et drames des enfants. Editions du Cerf, Paris. '

Anläßlidi der Ausstellung über das katholische Unterridilswesen, die derzeit in Paris stattfindet, erschien in der Reihe „Fites et Saisons“ eine Sondernummer in Kupfertiefdruck mit zahlreidien Bildern. Eltern und Erzieher werden wertvolle Winke und Anregungen darin finden. Es wird dabei gezeigt, wie das Kind die Welt, sich selbst und Gott entdeckt. Die entscheidenden Wendepunkte im Leben des Kindes, Fehlentwicklungen und Versagen im späteren Leben, Hilfsmittel in der ■Erziehung zur Lebenstüchtigkeit und Persönlichkeit sind die Hauptthemen, die von namhaften Pädagogen, Ärzten, Priestern, Fürsorgern usw. in lebendiger Anschaulichkeit behandelt werden und den Erziehern die Größe ihr» sdiönen, aber verantwortungsvollen Aufgabe vor Augen führen.

Dr. med. Herta M. B o u c e k Der scharlachrote Buchstabe. Roman. Von Nathaniel Hawthorne. Verlag J. Lein^ müller, Wien-

Das Meisterwerk eines der ältesten Dichter der Vereinigten Staaten, der Weltruf erlangt hat, liegt hier in Obersetzung vor Der Roman spielt in der Frühzeit Neu-Englands in Boston, und seine Handlung wächst aus dem Puritanis-mus der ersten Siedler. Der scharlachrote Buchstabe ist das Brandmal Hester Prynnes, die während der achtjährigen Abwesenheit ihres Mannes ein Kind geboren hat, aber es beharrlich ablehnt, den Namen seines Vaters zu nennen. Wie sie den Buchstaben als Zeichen der Buße trägt, ihre Tat durch Wohltun zu sühnen sucht und dadurch sittlich emporsteigt, während ihr Liebhaber, einer der Pastoren der StaJt, jahrelang seine Mitschuld verhehlt und sich un-reditmäßigerweise der Vereh.ung seiner Mitbürger erfreut, aber schließlidi in seiner Todesstunde doch den Mut zum Bekenntnis findet und dadurch Hesters Gatten um seine Rache bringt: das ist der Inhalt des Romans, den man nicht ohne Ergriffenheit lesen wird- Seltsam ist die Doppelbödigkeit des Romans, indem sich hinter den verstandesmäßig erfaßbaren Ereignissen noch Geheimnisse auftun, gegen deren Anerkennung sich der Erzähler selbst immer wieder zu sträuben scheint.

Dr. Werner Tschulik Das Ornament im bäuerlichen Kunsthandwerk dss Kantons Appenzell. Von Margrith Ott. Rascher-Verlag, Zürich.

Die Tatsache, daß die schweizerische Bauernkunst im Rahmen der Kunstforschung bisher wenig Beachtung fand, bot der Verfasserin Anregung zu vorliegendem Werk. Aus dem Titel des Buches ist bereit» ersichtlich, wie eng der Kreis der Betrachtung gezogen wurde. Nach einer kurzen .begrifflichen Klärung und einer zeitlichen und räumlichen Abgrenzung des Gebietes werden Bestand und Gestaltung der Orna mente in der angewandten Malerei, in der Schnitzerei, im Mecallhandwerk, der Sattlerei und der Strickerei behandelt. Aber auch die Herkunft der Ornamente wird besprochen und der Versuch unternommen, durch Gegenüberstellung der ländlichen Handwerkserzeugnisse mit Produkten des städtisdien Kunstgewerbes das Typische der Bauernkunst zu definieren. Wer dieses Buch liest, dem wird der Ernst und die Gründlichkeit der Arbeit auffallen. Was für den Kanton Appenzell gilt, trifft auch in manchen Belangen für unsere Landschaften zu.

Harn G r u b e r

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