Das Gedicht kann sich sehen lassen

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Wie ein Bildhauer modelliert Michael Krüger seine Gedichte: Die Sprache ist reduziert und nur scheinbar naiv.

Wer einen Gedichtband mit dem Titel "Unter freiem Himmel" zur Hand nimmt, erwartet sich vor allem stimmungssatte Naturgedichte. Diese Erwartung wird von der neuen Sammlung Michael Krügers vorderhand auch nicht enttäuscht, enthält doch bereits der sie eröffnende Zyklus "Meditationen unter freiem Himmel" eine Fülle ebenso prägnanter wie einprägsamer Natur- und Landschaftsbilder: "Der Boden hat Hitze gehortet", heißt es da etwa an einer Stelle, "Wolken liegen am Horizont wie verlassenes Gepäck" an einer anderen - Assoziationen, die sich wie von selbst einstellen, die einem ganzen Gedicht Farbe und Dynamik verleihen und nicht zuletzt auch mit der Aura des Vertrauten ausstatten.

Bereits wenige Seiten später jedoch liest man die folgenden Verse: "Der Regen redet irr, Blitze sorgen / für perfektes Enjambement. / Das Gedicht kann sich sehen lassen. / Es wird gerne eingeladen / zu altmodischen Sammlungen oder Anthologien." Hier manifestiert sich eine fundierte, starke Skepsis der gerade im deutschen Sprachraum so überaus langlebigen und zwiespältigen naturlyrischen Tradition gegenüber. Zwar schöpft Krüger selbst aus ihrem Vorrat an Bildern und Tonfällen, doch tut er dies auf eine denkbar reflektierte, ironische, bisweilen auch sehr spielerische Art und Weise. Große Gesten weiß er kraft seiner Lakonie ebenso konsequent zu vermeiden wie allen papierenen Tiefsinn. Weder hat er etwas zu verkünden noch ist er bestrebt, das auf der Hand Liegende zu verrätseln. "Manche meinen, Dichtung sollte / prächtig sein oder schwierig. / Ich dagegen bevorzuge / klare Aussagen in einfachen Worten, / weil so deutlich wird, was ich meine."

Appetit auf Dinge

Mit diesen knappen, nur scheinbar naiven Versen entwirft er hier, angeregt durch die Lektüre James Laughlins, seine "Ars poetica", und in einem anderen Gedicht, einem der eindrucksvollsten dieses Bandes, heißt es von einem "Dichter zu Besuch": "Alles steckt er ein, man muß aufpassen, / sein Appetit auf Dinge ist unersättlich."

Ein schier unstillbarer Appetit nicht nur auf Dinge, sondern auf die Welt überhaupt, wie sie sich als die Summe unserer Ahnungen darstellt, ist Krügers lyrischem Diskurs unverkennbar eingeschrieben. An seine Gedichte geht er heran wie ein Bildhauer; er modelliert sie, reduziert das vorhandene Material auf das richtige Maß. Ihre Sprache, deren Rhythmus von großer, bezwingender Leichtigkeit ist, bleibt über weite Strecken transparent, ohne je durchschaubar zu sein.

Unter freiem Himmel

Gedichte von Michael Krüger

Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2007

117 Seiten, geb., € 20,40

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