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Das Konzil ist am Ende

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Jetzt freilich ist es zu spät, in der noch verbleibenden Zeit etwas Besseres zu machen. Das Konzil ist zu Ende, so tönt es in jedem Cafe, so hört man's auf allen Straßen. Die Reden in der Konzilsaula wiederholen im allgemeinen auch bloß, was schon im letzten Jahr gesagt wurde. Die Bischöfe hören kaum hin, die Bars sind voll. Nur wegen der noch ausstehenden Abstimmungen kann man noch nicht nach Hause gehen. Aber eigentlich Entscheidendes wird nicht mehr passieren.

Die Presse, hungrig nach Sensationen, liegt auf der Lauer nach aufregenden Dingen, die sie dar.n aufbauscht. So etwa die Anregung des ägyptischen maronitischen Patri-archalvikars Zoghby, bei zerbrochenen Eihen nach dem Beispiel der Ostkirchen dem unschuldigen Teil die Wiederverheiratung zu gestatten, oder des indischen Bischofs Simons sehr radikale Empfehlungen hinsichtlich der Geburtenregelung. Da sammelt man Unterschriften, welche ein Studium der Frage des Zölibates der Priester verlangen, dort propagiert man mit Leidenschaft die Zulassung der Frauen zum Priestertum.

Nein, langweilig ist es für uns Journalisten nicht. Ich will das alles auch gar nicht lächerlich machen. Es geht dabei um sehr ernste Anliegen, sie liegen aber für dieses Konzil trotzdem am Rand oder richtiger außerhalb des Randes, denn sie erfordern noch viel Studium und Zeit. Und deshalb wird und kann sich dieses Konzil mit ihnen nicht befassen.

Soll man also traurig von einem Mißerfolg des Konzils wenigstens in bezug auf das Gespräch von Kirche und Welt reden? Ich glaube es nicht. Und ich will begründen, warum ich es nicht glaube. Erstens, es ist wahr, das Konzil hätte besser getan, aus den großen Fragenkreisen unmittelbar und ganz bewußt die eine oder andere Frage herauszugreifen, in der die Kirche etwas Neues zu sagen hat oder etwas Neues tun will. Denn das und nichts anderes erwartet die Welt.

Trotz ungenügender Ausrüstung

Trotzdem bewundere ich den Mut der Bischöfe, daß sie den Versuch gewagt haben, trotz ihrer ungenügenden Ausrüstung sich in die konkreten Fragen zu stürzen. Das eben ist die Art des Hirten. Er wartet nicht, bis alle Brücken gebaut und jeder Weg geebnet ist. Er sieht die Menschen in Gefahr, in Angst, in Not, und schpn ist er auf dem Weg ins Unsichere und Ungewisse, um zu helfen. Jetzt wird wegen der noch nicht reifen Konzilsaussag^n vielleicht hier und dort Unsicherheit die unmittelbare Folge sein. Man wird später besser nuancieren müssen. Vielleicht wird der Vorwurf erhoben werden, man schwäche wieder ab.

Arme Kirche Christi, ich sehe dich erniedrigt, auf deiner Stirne steht Angstschweiß. Aber du versteckst dich nicht. Dir ist nur wichtig, die

Menschen spüren zu lassen, daß du bei ihnen bist. Das also finde ich groß, trotz allem.

Im übrigen ist einiges Wohlausgereiftes ja doch gesagt worden. Ich denke vor allem an das fünfte Kapitel über Völkergemeinschaft und Frieden. Ein Bischof nannte es den wichtigsten und reifsten Text des ganzen Entwurfs. Die Grenzlinien nach beiden Seiten sind deutlich gezogen. Der Atomkrieg wird hart verurteilt, er widerspricht in jedem Fall dem Geist des Evangeliums. Deshalb müssen alle ihr Äußerstes einsetzen, den Krieg unmöglich zu machen. Trotzdem wird dem Gleichgewicht des Schreckens als zu überwindenden Notstand kein unbedingtes Nein entgegengesetzt.

Gegen jede Kriegsmystik

Das vielleicht begründetste Votum gab Kardinal Ottaviani am Donnerstag, 7. Oktober, ab. Er hatte ja schon 1945 geschrieben, Kriege seien heute allgemein zu untersagen. Damit hatte er dem sogenannten „gerechten Krieg“ den Abschied gegeben. Freilich verlangt Ottaviani auch ganz konkrete Aktionen, damit das Ziel verwirklicht werde. Er beginnt bei den Kindern. Alle Kriegsmystik muß von ihnen ferngehalten werden in Spielsachen, Comic-Books, Filmen usw., im nationalen Unterricht der Geschichte. In das Herz des Kindes muß ein tiefer Abscheu vor dem Krieg gesenkt werden. Positiv verlangt Ottaviani Förderung aller übernationalen demokatischen Zusammenschlüsse, wie Europarat, OAS in Amerika, bis, so sagt er, zur Errichtung einer universalen Republik.

Eingehend und fast einhellig wurde vom Konzil auch die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen geschützt. Der Text sagt zwar, daß solche Verweigerer moralisch unreife Leute seien, aber mehrere Bischöfe verlangten, daß dies gestrichen werde. Endlich der Kern des Problems, die Errichtung einer Weltautorität, welche auch die Mittel haben müsse, Kriege zu verhindern. Eigens muß auf die Rückständigkeit jener Staaten hingewiesen werden, die internationale Einrichtungen in dieser Hinsicht ablehnen, sagt der Erzbischof Duval von Algier.

Hier wußten sich die Bischöfe einig mit dem Papst. Seine ganze Reise diente ja dem Zweck, das muß deutlich gesagt werden, die UNO als Vorstufe einer solchen Weltautorität zu bekräftigen. Scherzend hat man oft gesagt, der Papst gehe nach New York, um der UNO die letzte Ölung zu erteilen. Der Papst selber aber sagte: „Vor allem will Unsere Botschaft eine sittliche und feierliche Bestätigung dieser hohen Institution sein. Wir sind überzeugt, daß diese Organisation den verpflichtenden Weg der modernen Zivilisation und des Weltfriedens bedeutet.“ Die Folgerung liegt auf der Hand. Kein Staat darf sich dem entziehen, hier beizutreten, und die UNO darf keinen ausschließen, ja sie muß versuchen, alle hereinzuziehen, die es verdienen. Doch solle die UNO dabei Großmut walten lassen, sagte der Papst.

Die Anspielung auf Indochina und China ist nicht zu übersehen, wie auch die Mahnung an die Adresse jener Länder, die bisher meinten, aus besonderen berechtigten Gründen sich der UNO entziehen zu wollen. Man beachte wohl, Papst und Konzil sprechen hier von einem sittlichen Standpunkt aus zu einer Weltsituation, die gestern noch nicht gegeben war, die heute aber besteht. Es handelt sich also geradezu um einen Modellfall für den Text Kirche in der gegenwärtigen Weit.

Mag es nun für die anderen Themen des Schemas den vom Papst gegründeten Spezialsynoden vorbehalten sein, zu ähnlich konkreten Ergebnissen zu gelangen. Ich denke etwa an die Geburtenregelung in der Ehe, an das Vehältnis zur Geschichtswissenschaft und zum mathe-matisierten Denken der Techniker in der Kulturfrage oder an die Gerechtigkeit im Welthandel bei den Wirtschaftsfragen. Das Konzil ist nicht das Ende der Welt. Aber diese Fragen sind einmal aufgenommen, man wird und man kann sie nicht mehr in den Schrank zurückstellen.

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