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Das Lachen der Menschenfreunde

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dieFurche: Als Sie den Würdigungspreis des Landes Niederösterreich bekamen, sagten Sie „Ich hätte ihn lieber abgelehnt, aber da hätte ich mich noch wichtiger gemacht". Meinen Sie, daß Kabarett nicht vom Staat unterstützt werden dürfte?

Josef Hader: Ich gehe davon aus, daß keine wirklich gute Kunst es notwendig hat, vom Staat gewürdigt zu werden. Das marktwirtschaftliche System ist so, daß es feindliche Dinge umhüllt und nicht wie eine Diktatur zerstört. Alles, was in der Marktwirtschaft gegen das System ist, wird irgendwann als einer seiner Teile etabliert. Liedermacher, die gegen das System sind, werden irgendwann Platten verkaufen, Literaten subventioniert und Mehrwertsteuer ab-, führen.

Ich glaube nicht, daß man diese Entwicklungen verhindern kann oder soll, man muß nur darüber Bescheid wissen. Ehrungen und Würdigungen wären ganz furchtbar, wenn man sie ernst nähme. Wenn ich gewußt hätte, daß der Würdigungspreis 150.000 Schilling beinhaltet, hätte ich aber etwas anderes gesagt. So sprach ich in der Unschuld desjenigen, der nicht wußte, bezahlt zu werden.

dieFurche: Sie stehen mit Ihrem Kabarett auf der Seite der kleinen Leute.

Hader: Das tut der Haider auch! Die Aussage ist schwierig. Es gibt auch ein bestimmte Art von Kunst, die für sich in Anspruch nimmt, auf der Seite der kleinen Leute zu stehen. Das Kabarett wird jener Kunst zugerechnet, in der der Zweck die Mittel heiligt, wo es vielleicht gar nicht so wichtig ist, ob man ein bedeutender Künstler ist, wo das Kunstwerk zugunsten des Anspruches auf Veränderung zurücksteht. Wo so gedacht wird, fühl' ich mich nicht so rasend wohl.

Und zwar nicht, weil ich beschlossen hätte gegen die kleinen Leute zu arbeiten, sondern weil ich in meiner Form von Kabarett bereit bin, alle Pflichten und alle Freiheiten zu übernehmen, die man dem Künstler im allgemeinen zubilligt. Ich nehme für mich in Anspruch, nicht nur zu überlegen, wie man die Welt verändern kann. Einerseits will ich zuerst reagieren, auch auf gesellschaftliche Mißstände; anderseits bin ich jemand, dem aus künstlerischer Kraft etwas einfällt.

dieFurche: Sie stellen sich als Künstler nicht in Frage?

Hader: Wenn ich schon nicht beeinflussen kann, ob ich ein guter Künstler bin, kann ich verhindern, in Kastln eingeordnet zu werden. Gute Kunst setzt wenig voraus. Und läßt sich schwer einordnen. Kabarett ist für mich so ähnlich wie Extrawurst. Die gibt's und man kann sie auf einer Tafel in der Auslage anbieten, mehr nicht. Mir macht es viel Vergnügen, etwas zu machen, über das Menschen unterschiedlicher Auffassung sind. Es macht mir Spaß, den Leuten zuzuhören, wie sie rätseln, was das sein könnte, was ich mach'. Ich hör' ihnen zu, aber ich helf ihnen nicht dabei.

dieFurche: Sie haben die Obmannschaft für SOS-Mitmensch übernommen Ist Lachen eine Voraussetzung zur Menschenfreundlichkeit?

Hader: Das Lachen über furchtbare Dinge ist ein Freund des Menschen, weil man dadurch Distanz gewinnt. Ich bin kein Menschenfreund. Ich muß mich immer wieder dazu zwingen, in irgendeiner Form Mitglied dieser Gesellschaft zu werden und nicht nur grantig herumzusitzen und Ruhe haben zu wollen.

Ich engagiere mich nicht aus einer grundsätzlichen Lebenshaltung, sondern eher, um die eigene Zurückgezogenheit zu bekämpfen. Auch aus dem Gefühl heraus: Ich hab's eigentlich sehr gut getroffen im Leben. Ich kann von dem leben, was mir Spaß macht, und es gibt andere, die das nicht können. Der große Humanist bin ich weniger.

dieFurche: A ufder Bühne verweigern Sie sich den Botschaften?

Hader: Auch im Interview - Sie wollen mich aber dazu bringen!

dieFurche: Was ist Ihr Ziel bei Ihrer Arbeit mit SOS-Mitmensch? Was wollen Sie bewegen?

Hader: Immer wenn politische Arbeit konkret wird, wird sie mühsam. Viele haben das Gefühl, ihre Arbeit bewegt nicht einmal ansatzweise etwas. Das ist de» Don Quichotte-Syn-drom: Man tut etwas um der Tätigkeit willen, aber nicht, weil man sich so sicher ist, daß man Erfolg haben wird. Man denkt: Wenn ich ein bißl was tu' und die anderen auch, dann kann schon etwas bewegt werden. Grundsätzlich habe ich schon immer bei Initiativen mitgearbeitet. Seit ich bewußt lebe, habe ich mich engagiert. Schon mit sechzehn Jahren spielte ich eine kleine Nummer in der Friedensbewegung beim Abmarsch in Melk. Vielleicht fühle ich mich unter jenen Menschen am wohlsten, die ähnliche Anschauungen vertreten.

dieFurche: Ihr Verhältnis zum Staat?

Hader: Der Künstler will in Ruhe oder in Unruhe seine Sache machen. Wieweit er sich auf die Gesellschaft und auf den Staat einläßt, muß er entscheiden. Ich habe für mich entschieden, daß es für meine Arbeit nicht lustig ist, wenn ich mich zuviel einlasse. Meine Arbeit geht gut voran in Distanz. Wenn ich schreibe, lebe ich monatelang in einer anderen Welt. Und damit ich nicht ganz schrullig werde, vertrete ich monatelang die Arbeit auf der Bühne in der Öffentlichkeit.

Das Gespräch führte

Irene Suchy.

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