Das Leben geliebt und genossen

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Der 1920 in Berlin geborene Fotograf wurde vor allem mit seinen Mode-, Porträt- und Aktfotos bekannt. Seine eigenwilligen und manchmal auch schockierenden großformatigen erotischen Frauenbilder wie die "Big Nudes" werden von Museen in aller Welt gezeigt. Seine Aufnahmen erschienen in Magazinen wie Vogue, Elle und Playboy.

Er porträtierte Persönlichkeiten wie den deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder, Claudia Schiffer und Pierre Cardin. Im vergangenen Oktober überließ er der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin eine umfassende Fotosammlung, die in der ehemaligen Kunstbibliothek am Bahnhof Zoo untergebracht werden soll. Der geplante Eröffnungstermin am 3. Juni 2004 wird nun zum Gedenktag: Helmut Newton ist vergangenen Freitag bei einem Autounfall in Los Angeles ums Leben gekommen.

Der berühmte Fotograf und seine Frau June, mit der er 55 Jahre lang verheiratet war, hatten Los Angeles in den letzten 25 Jahren zu ihrem Winterquartier gemacht. Auch in diesem Jahr hätten sie sich wieder im Hotel Chateau Marmont niedergelassen, berichtete die Los Angeles Times. Hauptwohnsitz des Paares war Monte Carlo.

"Ich habe selten jemanden erlebt, der das Leben so geliebt und der es so genossen hat wie Helmut und June", erklärte Vogue-Chefredakteurin Phyllis Posnick. Newtons letzte Auftragsarbeit soll in der Märzausgabe des Magazins erscheinen: ein Model in einem goldenen Badeanzug auf einem Bett aus Nägeln...

"Wir werden ihn sehr vermissen", sagte Playboy-Gründer Hugh Hefner. "Er war ein Gigant." Newton habe "die Grenzen der Fotografie ausgeweitet" und mit seinen Werken zahllose Fotografen beeinflusst.

Voyeurismus-Vorwurf

Feministinnen wie Alice Schwarzer warfen hingegen Newtons Bildern Frauenfeindlichkeit vor, weil sie voyeurhaft seien und die Frauen erniedrigend darstellten. Der Künstler selbst meinte, er zeige Frauen nur als starke Persönlichkeiten und nie als Opfer. Mit seiner Frau June, die er 1948 in Australien heiratete, arbeitete er eng zusammen. Sie stand ihm anfangs Modell, wurde dann aber unter dem Künstlernamen Alice Springs selbst als Fotografin bekannt.

Newton, Sohn eines jüdischen Knopffabrikanten und einer Amerikanerin, war 1938 mit seiner Familie vor den Nationalsozialisten aus Deutschland zunächst nach Singapur geflohen. Später ging er nach Australien, dessen Staatsbürgerschaft er erhielt.

Bundeskanzler Schröder würdigte Newton als einen "großen Künstler und großartigen Menschen". "Seine zugewandte, offene Art, seinen lebensklugen warmherzigen Charakter werde ich immer in Erinnerung behalten", versicherte Schröder in einem Beileidsschreiben an die Witwe. "Es ehrt Deutschland sehr, dass Helmut Newton, den man einst von hier vertrieb, die Hand zur Versöhnung reichte", schrieb die deutsche Kulturstaatsministerin Christina Weiss in einem Nachruf. Der französische Kulturminister Jean-Jacques Aillagon würdigte Newton als "international anerkannten und besonders talentierten" Künstler. "Einige seiner Bilder sind zu wahren Ikonen des 20. Jahrhunderts geworden und haben Fotografen und Künstler in aller Welt beeinflusst."

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