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Das letzte Buch Adelheid Duvanels

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Das schmale, aber kostbare Bändchen, erschienen beim Verlag, der sie im letzten Jahrzehnt betreute, ist nach der Geschichte betitelt, mit der Adelheid Duvanel vermutlich ihr Schaffen beendete: „Der letzte Frühlingstag”. Elf gedruckte Erzählungen, im Frühjahr 1996 entstanden, ergänzt durch eine Reihe weiterer aus den sechziger und siebziger Jahren, die kaum mehr greifbar sind, weil sie nur in Zeitungen erschienen. Großartig ergänzt wird die kleine Auswahl durch ein kenntnis- und verständnisreiches Nachwort des namhaften Schweizer Literaturwissenschaftlers Peter von Matt: „Das Land Duvanel”.

Die mehrfach preisgekrönte Dichterin ist am 11. Juli 1996 sechzigjährig in einem Waldstück bei Rasel an Unterkühlung gestorben. Die Meteorologen berichteten von einer ungewöhnlich kalten Sommernacht.

Adelheid Duvanel litt schon lange (und hat auch darüber geschrieben) an schwerster Schlaflosigkeit. Sie dürfte an jenem Abend ein Medikament genommen haben, ist nochmals ausgegangen, ruhelos, und hat sich vermutlich, von Müdigkeit überwältigt, hingelegt: in des Tat zur letzten Ruhe.

Dieses schier unglaubliche Ende liest sich, am Schluß des Ruches, wie eine durchaus passende Erzählung von Adelheid Duvanel. Fast alle haben einen tragischen Ausgang, keineswegs immer tödlich, meist ist nur eine Hof f-nung gestorben. Das gilt für so gut wie alle Kürzestgeschichten aus mehr als drei Jahrzehnten. Es ist immer der ergreifend schlichte Tonfall, der jeden Satz dieser Prosa zur Dichtung erhebt. Ohne dramatisierende stilistische Lautstärke berichtet sie vom plötzlichen Verstummen irgendeiner Hoffnung. Ein Wünschen erstirbt zum Schweigen. Kein grelles Leid kommt zur Sprache, die lebenslange Übersensibilität der Autorin und ihrer Figuren bleibt unaussprechlich, ein Ängstschrei als schmerzliches Schwei-

Reinahe jeder ihrer Schlußsätze beendet mit unscheinbarer Sanftheit ein Wollen oder Unternehmen mit kaum merklicher Negation; einige Beispiele: „Er selber braucht die Zeit nicht mehr.” Ende. Oder: „Das Geschenk der lahmen Frau wirft er über den Hag; dort liegt es, im Zwergenland.” Also unerreichbar für den Normal-menschen. Selbst eine Geschichte wie „Die goldene Uhr” endet damit, daß sie „nun als runder glänzender Fisch unter dem Wasser schwamm, der hochmütig an den anderen Fischen vorbeischwebte, obwohl er tot war”. Und auch „Der letzte Frühlingstag” schließt, mit Schumann und Schubert aus dem Kassettenrekorder, so: „Das Zimmer ist winzig, aber die Musik öffnet für mich den vergangenen 'I ag, die heutige Nacht. Ich kann weinen.”

Ihr zu früher Tod ist ein Verlust für die subtilere Literatur und jene Minderheit von Lesern, welche die feinfühlige Lebenslust hinter aller Unbill nachfühlen konnten, dieses rätselhaft schmerzliche Ja zum Leben.

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