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Das Ringen der tollen Kerle in Kärnten

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In Kärnten wird wieder einmal ein Landeshauptmann gewählt. Wie Immer versucht man dort das Beste daraus zu machen.

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In Kärnten wird wieder einmal ein Landeshauptmann gewählt. Wie Immer versucht man dort das Beste daraus zu machen.

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Die Vorwahlzeiten in xuise-rem Kämtenchen sind wie immer recht gemütlich und unterhaltsam, was die Wähler betrifft, hektisch und betriebsam und prostitutiv, was die zu Wählenden angeht. Zwei Monate in vier Jahren können sich die Marionetten genüßlich zurücklehnen und ihre Theaterdirektoren zappeln lassen.

Kaum wird man in diesen Tagen ein Wirtshaus fmden, in das einem nicht eines der gebügelten Parteibößchen mit seinem akuten An-Stelle-des-Kalifen-KaHf-wer-den-wollen-Syndrom dauerhän-deschüttebid, planlos grundsatzlächelnd, bierundschnapsnmdens-pendierend nachtorkelt und sich vorübergehend nach Herzenslust erniedrigen läßt. Progranune gibt es schon lange keine mehr, Gelder hat es außer Trinkgeldern ohnehin nie welche gegeben. Das

Wirtschaftswachstum ist hierzulande sowas von einem Krüppel, aber natürlich haben wir allen Grund, stolz zu sein auf imsere Jahrhundertresignation.

STAMMTISCH-ANALYSEN

Das bißchen Politikchen war für imsereins inuner schon unerheb-hch, Wirtshausgewitzel ist da eine recht ordentliche Beschäftigung, deim während die Schüttler woanders weiterschütteln, hebt vor Ort das fröhhche Fachsimpeln bezüglich kommender Erdrutsch-niederlagen und Köpferollens an. Wer wann wie warum unter welche Prozentmarke rutscht und wer wo welche peinlichen Interviews geben wird. Weim der Sozialdemokrat die 40-Prozent-Hür-de nicht schafft, wird er garantiert abserviert, so das Wirtshausgewitzel, darm müßte endhch Damon zum Zug konmien, der schüchterne Schmalmarx aus Ferlach. Am schönsten war’s, würden edle verheren.

Wo realpolitisch alles ziemhch aussichtslos ist und in Agonie liegt und im Gnmd das heimUche Tremolo regiert, verlegt man sich am günstigsten auf einen Persön-hchkeitswahlkampf mit Personenkomitees und Unterstützungsheimatabenden und so. Persön-Uchkeit, naja, Models, sagen wir: Models, Mister Kärnten, Misterchen Kämtenchen, tolle Kerlchen. Wer letzten Endes Chef vnrd, wird letzten Endes nicht das Volk entscheiden, aber Landeshauptleute gibt es ohnehin viele in diesem Land, beinahe jeder, der auf sich hält, war es schon einmal tumusmäßig. Ein Ex wird Exex, soviel kann man sagen.

Die Landeshauptleute sind in Kärnten kürzer im Amt als die Faschingsprinzen, das ist der Hauptunterschied. Landeshaupt-maim ist in Kämten ein Ferial j ob und ein Schnupperkurs. Kaiun

angelobt, ist er auch schon wieder wegkritisiert und weggeputzt und ausgemustert. Bei einem derartigen Verschleiß tummeln sich die unterschiedlichsten Typen am Regentenstuhl: Ehemalige Hitlerjungen, rustikale Zaren, dörpi-sche Tyrannen, milliardenverprassende Eisenbahner, arrogante Parteisoldaten, aufgeblasene Sekretäre, die das Regieren allen Ernstes mit Zementsackschleppen vergleichen, pfeifenrauchende Akrobaten, die mit sich selbst Jojo spielen; schlußendlich marmeladeproduzierender Poetennach-wuchs, konsensfähig, lieb.

Primitiv, solche Argumenta ad Homines, klar, aber die Landeshauptleute selbst betteln darum und spielen DCIMIT selber Ringel-reih vor lauter Public Relations. Ist ja sonst nichts los. Nicht einmal die Slowenen ziehen noch so richtig. Den Leuten taugt es, sagen die Experten, immer schön idiotennah bleiben. Im Hinter-pnnd bespucken einander die -andesparteilamas in der Vino-thek. Paßt einem einer nicht, ist es am besten, ein, zwei Jahre zu warten, bis dahin ist er garantiert abgeschossen, so oder so.

Der immigrierte Superurka-rantanier aus Bad Goisem faselt in regelmäßigen Abständen vom Freistaat Kärnten, aber meist von Wien aus. Einstweilen taucht er zum Ärger seiner Hochgebirgs-ideologin kleiderbauerartig aus aquarellistischem Kritzelkratzel hervor und kündet den Unentschlossenen, daß die Ktmst frei sein soll. Ganz was Neues. Und eben allein im Zweifelsfall, im Steuertöpfchenjenseits. Ganz was Altes. Der, für den ihn viele halten, hätte das nicht gemacht. Aber wie die Seinen ihm alles verzeihen, verzeihen sie ihm auch solche Vorstöße in neue Wählerschichten, das bißchen Umweg-rentabilitätscanossa. Auf seine Karawankennibelungen kann er sich verlassen. Es geht um 37 Prozent!

VOUSTE ZUFRIEDENHERR

Aber bei allen pseudoideologischen Nuancen haben doch alle eines gemeinsam: Sie heben ihr Volk, und falsche Bescheidenheit ist ihre Sache nicht. Der Kärntner Landeshauptmann, gleich welcher, erklärt den Kärntnerinnen und Kärntnern unentwegt, was er und sein Team in letzter Zeit alles verbessert haben und welche Mißstände zur vollsten Zufriedenheit der Bevölkerung behoben worden sind (Kaderschulung).

Interessanterweise erzählt der Kärntner Landeshauptmann den Kärntnerinnen und Kärntnern von den katastrophalen Kärntner Mißständen immer erst dann, wenn sie behoben sind. So kommt man als Kärntner garriicht auf die Idee, daß eine Ämterwirtschaft eine Ämterwirtschaft und ein Postenschacher ein Posten-Schacher und ein Hungerleiderdasein ein Hungerleiderdasein und ein Mißstand ein Mißstand gewesen sein soll. Was morgen verbessert wird, ist heute optimal, in unserem Land gibt es ganz of-fensichthch keine Mißstände, sie werden nur dauernd behoben.

Die vollste Zufriedenheit der Kärntner ist also eine Zufriedenheit, die vor lauter Zufriedenheit schon übergeht. Ist dann trotzdem wieder einmal ein Landeshauptmann vom Landeshauptmannsessel getreten worden, hält er sich unter Beibehaltimg seines auswendiggelernten Lächelns schmerzverzerrt den entmachteten Hintern und erklärt im Abschiedsinterview, daß die Zementsäcke reifer und mündiger und flexibler geworden sind. Dieser Mißstand wird von seinem Nachfolger sofort wieder behoben. Bis zum nächsten Mal.

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