6577764-1950_52_12.jpg
Digital In Arbeit

Das Werk eines Vergessenen

Werbung
Werbung
Werbung

Der Name Oskar Jellinek wird sicher nur sehr wenigen Lesern geläufig sein, und es ist fraglich, ob sich mit diesem Namen irgendein Begriff verbindet. Dabei gehören die vorliegenden Novellen zu den allerbesten, die in deutscher Sprache geschrieben wurden.

Oskar Jellinek wurde 1886 in Brünn geboren, kommt 1904 zum Studium der Rechtswissenschaft an die Wiener Universität, wird Richter, steht im ersten Weltkrieg als Artillerieoffizier an der Front, erhält 1924 für seine Novelle „Der Bauernrichter“ in einem vom Verlag Velhagen & Klasing ausgeschriebenen Bewerb für die beste deutsche Novelle den ersten Preis, ist 1938 gezwungen, Österreich zu verlassen, begibt sich vorerst in die Tschechoslowakei, von dort 1939 nach Frankreich, vo er interniert wird, fährt 1940 nach New York, übersiedelt 1943 nach Los Angeles, wo er am 12. Oktober 1949, ohne die Heimat wiedergesehen zu haben, stirbt.

Sein Werk ist nicht umfangreich, dafür um so gewichtiger. In seinen Novellen ist höchste Kunst und nicht eine Zeile Literatur. Man weiß nicht, was man mehr bewundern soll: die faszinierende Meisterschaft des Handwerks, oder die schwere, tiefe und bitter-süße Liebe, mit denen dieser Dichter seine Geschöpfe formt und gestaltet. In diesen Novellen herrscht eine Einheit von Stoff und Kunstwerk, die für den Kenner von hinrei-

ßender Großartigkeit ist. Diese Erzählungen sind bis ins letzte Detail ausgewogen und bis in die letzte Nuance ausgearbeitet, und alles ist von einem so natürlichen und lebendigen künstlerischen Raffinement, daß man sich dauernd die Frage stellt, wie es kommt, daß Oskar Jellinek nicht zu denen gehört, die unter den literarischen Sternen erster Größe genannt werden. Gewiß, in diesen Novellen ist kein heiterer oder leichter Zug. Das Leben geht dumpf, gefährlich und ausweglos dahin. Kein Glanz ist in ihm, und kein Glanz geht von ihm aus, Die „Helden“ dieser Novellen sind primitive und einfache Menschen. Ihre Gewänder glitzern nicht, und sie blicken nicht strahlend und siegreich in die Welt. Man kann zu ihnen nicht aufsehen, man muß sich zu ihnen niederbeugen. Man muß Liebe im Herzen haben, denn wer keine Liebe im Herzen hat, kann den Schrei der Kreatur nicht mehr vernehmen. Und hier in diesen Novellen ist alles Kreatur. Und wie wahr und echt dabei alles ist! Jedes Wort, jede Empfindung, jeder Gedanke, jeder Entschluß und jede Tat. Ein Buch menschlichster Güte, menschlichsten Ver-stehens, und ein Buch großer, ernster und herber Erschütterungen. Oskar Jellinek ist ein großer Dichter, ein großer Erzähler und ein großer Mensch. Wirkliches Format in jeder Beziehung und beste Literatur.

Franz T a s s 1 e

Auf Safari. Von Theodor J. Wal deck. Verlag Manutiuspresse, Wien - München. 287 Seiten.

Der Verfasser, ein Amerikaner deutscher Abstammung, nahm schon als Achtzehnjähriger, sozusagen auf eigene Faust, an einer Afrikaexpedition- teil, deren Leiter der beste Lehrmeister war, den er sich wünschen konnte — der vQr dem ersten Weltkrieg als Forscher bekannte Herzog von Mecklenburg. In der Schule dieses bedeutenden Mannes lernte, er den .Dunklen Kontinent“ kennen und lieben, und später zog es ihn immer wieder dorthin zurück, wo er den Grundstein seiner selbständigen Forschungstätigkeit gelegt hatte. Aus der Fülle seiner afrikanischen Erlebnisse und Erfahrungen heraus entstand dieses Buch, geschrieben in einer einfachen, anspruchslosen Sprache, mit viel Humor und mit einem wohltuend warmen Verständnis für die Wunder und die Schönheit der noch unverdorbenen Natur. .Auf Safari“ ist eine ausgezeichnete Lektüre, die nicht nur bei der reiferen Jugend großen Beifall finden wird; auch Erwachsene werden, wenn sie das Buch gelesen haben, nur eines bedauern: daß es schon zu Ende ist. — Besonders zu erwähnen sind die hübschen Zeichnungen von Kurt Wiese, die den Text ergänzen. Kurt Strachwltz

Das Buch der Musikfreunde. Von Heinrich K r a 1 i k. Herausgegeben von der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien im Amalthea-Verlag, Zürich, Leipzig, Wien. 255 Seiten.

Die bedeutenden Gegenstände suchen ihren .Autor, wenigstens scheint es hier so zu sein. Professor Heinrich Kralik erzählt mit der Genauigkeit, aber ohne die Trockenheit des Chronisten die Geschichte der Gesellschaft der Musikfreunde von 1812 bis zum Internationalen Bach-Fest 1950 und entwirft damit ein bedeutsames Bild der Wiener Musikgeschichte, wie sie sich im Wirken und in den Räumen des Instituts gespiegelt hat. Unmöglich, im Rahmen eines Referats diese Entwicklung nachzuzeichnen und bei Einzelheiten zu verweilen. Doch seien als Probe zwei Kernsätze hervorgehoben: .Aus einer Geistigkeit, die ursprünglich noch in halbfeudalen Vorstellungen und Begriffen wurzelte, war ein bürgerlicher Liebhaberverein hervorgegangen, der seine zeitbedingten Aufgaben mit Umsicht und großem Geschick erfüllt hatte. Als aber die Stunde schlug, sich loszusagen von der alten, nunmehr aber überlebten Denkweise, hat die Gesellschaft ebenso die Entschluß- und Tatkraft aufgebracht, zu reformieren und umzugestalten...“ (S. 117— 118). Am Ende des .goldenen Jahrzehnts“, 1859—1870, scheint dieses Ziel erreicht. Ein früherer Chronist nannte die Geschichte der Gesellschaft der Musikfreunde eine Geschichte der Sorge, vornehmlich der Geldsorge, und der neue Chronist knüpft an diese Tatsache die folgende Betrachtung: Gibt es ein beredteres Zeugnis für den idealen Sinn der Gesellschaft, als die Tatsache, daß sie mit ihrem künstlerischen Wollen, Planen und Wirken einen so nüchternen und trockenen Posten wie den Etat stets um etliche Grade überflügelte? In der Tat, volle Kassen und glänzende Rechnungsberichte wären nur stillos gewesen und hätten den lauteren Sinn des Ganzen geradezu kompromittiert“ (S. 122). Heute, da ein Defizit gleich bis zu einer sechsstelligen Zahl emporklimmt und an die Stelle des reichen, großen Staates ein armer, kleiner getreten ist, müssen Maßnahmen und Planung der Härte des Existenzkampfes angemessen sein. Trotzdem klingen manche Sätze in die-J sem Buch wie Mahnworte. Im ganzen aber herrscht eine vollkommene Ubereinstimmung, ein fast vorbehaltloses Einverständnis zwischen dem Autor und seinem Gegenstand: Es war gut so, wie es war, und so soll es bleiben. Diese Grundeinstellung und die überaus gepflegte Art des Vortrags machen dieses Buch zu einem Werk von seltener innerer Harmonie. Mäzene und Verlag haben das Buch mit Abbildungen, Bildbeilagen, Lichtdrucken, Faksimiles und Vignetten verschwenderisch ausgestattet.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung