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Das zwief arbene Tuch

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„WAS FÜR GRÜNRÖCK MÖGEN DAS SEIN? Treten ganz schmuck und stattlich ein.“ Diese Frage stellt in „Wallensteins Lager“ der Trompeter. Niemand darf ihm verübeln, daß er seine Kameraden so wenig kennt. Aufschläge, Spezialtruppenzeichen der Regimentsnummern waren in den Tagen des Friedland noch unbekannte Dinge. Jeder, der zur Fahne schwor, stellte sich in der Tracht seiner Heimat ein. Beutesachen kamen hinzu. Der Krieg mußte ja den Krieg ernähren.

WENN WIR VON EINEM „GELBEN“ oder „blauen“ Regiment aus jenen Tagen hören, so war es meistens die Farbe der Fahne, die demselben seinen Namen gab. Im Wandel der Mode jener Zeit verdrängte allmählich der Caputrock — Stammvater aller späteren Waffenröcke und teristisch, Preußisch-Blau wurde in der Farbenskala — und nicht nur in der militärischen — ein Begriff. Und die Rotröcke Englands präsentieren noch heute vor ihrer Königin. Gar vieles ließe sich noch erzählen über das Entstehen der Distinktionen, über die Herausbildung charakteristischer Kopfbedeckungen, wie z. B. der Tellerkappe — ursprünglich die typische Kopfbedeckung der Gefangenenkonvoibegleiter des Zaren, im Zeichen von Tauroggen von der preußischen Landwehr übernommen und hier wie in Rußland weiter ausgebildet.

UNIFORMEN SIND VISITENKARTEN. Sie erzählen viel über das Land, dessen Soldaten sich in ihnen verstellen. Umformkunde ist auch, ein oft übersehener Schlüssel zur politischen Geschichte eines Landes. Lassen wir nur einmal auch noch der Feldbluse — das bisher übliche Wams. Und irgendeinen Krieger muß die Eitelkeit dazu verführt haben, das bunte Futter seines neuen Rockes an den Aermeln und an der Brust auszuschlagen. Der Obrist, der seinen Haufen von den anderen unterscheiden wollte, erkannte die Chance und dekretierte für alle Mann das gleiche Rock- und Mantelfutter: das „zwiefarbene Tuch“ war geboren. Es wird die Soldaten aller Armeen begleiten — herauf bis zum Tarnanzug und zur „Battle-dress“. Noch ist es aber lange nicht so weit, daß jede Armee ihr eigenes Gesicht hat. In der Schlacht bei Warschau 1656 wußten sich die verbündeten Brandenburger und Schweden nicht anders zu helfen, als daß sie zur Unterscheidung vom Feind Strohwische an ihren Hüten befestigten. Im Zeitalter Maria Theresias und später sind solche absonderlichen Kokarden kaum mehr notwendig. Die modernen europäischen Staaten haben sich formiert und mit ihnen die Individualität ihrer Armeen. Jede wahrt eifersüchtig ihr eigenes Gesicht. So sollte es bei dem Wandel der allgemeinen Mode, die stets auch den mitunter gar nicht so rauhen Krieger beeinflussen sollte, bis weit herauf ins 19. Jahrhundert bleiben.

IM STRAHLEND WEISSEN WAFFENROCK stellte sich die österreichische Infanterie manchem harten Strauß. Das Farbenspiel Blau und Rot war für den französischen Soldaten charakvom Wandel der österreichischen Uniformen seit 1918 uns einiges erzählen.

DIE REPUBLIK GLAUBTE ZUNÄCHST, nur durch die Verachtung all dessen, was durch Jahrhunderte charakteristisch für dieses Land und seine Soldaten war, leben zu können. Nicht nur die alte Kokarde fiel, auch auf die seit Radetzkys Tagen vornehmen österreichischen Distinktionen wurde verzichtet. „Wer wird denn die Straßen uns kehren“, sang die verblendete Menge, um sofort in den Refrain einzufallen: ,,Ja die hohen Herrn, mit den goldenen Stern...“

DOCH AUCH DIE NEUE ,-,VOLKSWEHR“ brauchte so etwas wie Chargen, Unteroffiziere und Offiziere. Und diese mußte man doch irgendwie erkennen. Blaue Streifen an den alten feldgrauen Monturen aus Brennesselstoff und eine gelbes, rundes Ansteckschild auf der rechten Brustseite mit der Firmenbezeichnung „Volkswehr“ waren nicht gerade geniale Einfälle. Ein rotes Band an der Kappe zeigte deutlich, welch politischen Geistes Kind diese Truppe war.

DER STAAT WIDER WILLEN, wie die erste Republik mitunter genannt wurde, verriet seinen mangelnden Ernst zur Eigenständig- und Eigenstaatlichkeit alsbald durch die Uniform seiner kleinen Söldnerarmee vor aller Welt. Tradition war den damals einflußreichen Kreisen der österreichischen Sozialdemokratie ein Greuel. Was sie jedoch nicht hinderte — 20 Jahre vor

Hitler — preußische Tradition an die Donau zu verpflanzen. Der „Anschluß“ wurde durch die Uniformreform der Jahre 1920 und 1923 vorweggenommen. Abgesehen von dem etwas kleineren Teller der Kappe und den verdeckten Taschen glich der Wehrmann des jungen Bundesheeres einem Soldaten der- Reichswehr wie ein Ei dem anderen. Die störende rot-weißrote Kokarde konnte über Nacht geändert werden.

DIESE GEWALTSAME VERDRÄNGUNG alles Oesterreichischen mußte sich rächen. Nicht geringe Teile der österreichischen Jugend wurden widerstandslos für fremde Einflüsse. Andere wieder empörten sich gegen diese Verachtung . der eigenen Art., (Die Kluft der Heimwehren knüpfte vielfach an altösterreichische Vorbilder an. Selbst die Uniform der SA, die als süddeutsche Gründung ursprünglich gegen dfe ..Reaktion“, die mit den alten Preußen identifiziert wurde, marschierte, war mit ihren hohen Kappen und bunten Aufschlägen sowie Sternen von österreichischen Vorbildern nicht unbeeinflußt.)

ENDE 1933 GAB ES WIEDER ÖSTERREICHISCHE SOLDATEN, die man auf den ersten Blick als solche erkannte. Die Rückkehr zu dem charakteristischen österreichischen Uni-formbild wurde von viel weiteren Kreisen begrüßt als jenen, die mit der damaligen Regierung sympathisierten. Vergeblich. Am 13. März 1938 war man am Endziel jenes Marsches angelangt, zu dem man in den zwanziger Jahren das Bundesheer bereits äußerlich gerüstet.

SIEBEN JAHRE DIENST IN EINER FREMDEN ARMEE und zehn Jahre Besatzungstruppen aus Ost und West blieben nicht ohne Einfluß auf das Gesicht des neuen Bundesheeres, das in Kürze seine ersten Rekruten erwartet. .Besonderen Eindruck muß vor allem das Hemd und die Krawatte des G. I. gemacht haben. Obwohl teurer und nach der Meinung nicht weniger Fachleute alles andere als praktisch, entschloß man sich doch, dieser militärischen Mode — auch so etwas gibt es — nachzugeben. Nun, die Erfahrungen mögen das letzte Wort sprechen. Gegen die Wiedereinführung der österreichischen Dienstgrade und eine weitgehende Uebernahme der alten Distinktionen gab es vernünftigerweise keine nennenswerten Einwände. (Wir möchten auch die Nachricht nicht glauben, daß es im Landesverteidigungsministerium allen Ernstes Vorschläge gibt, die den Korporal zu einem „Obergefreiten“ und den Zugsführer zu einem „Stabsgefreiten“ degradiert sehen möchten.) Bei der Feldkappe, oft auch noch in Erinnerung an „größere“ Zeiten „Gebirgsjägermütze“ genannt, möge man sich von einem Kappenmacher einmal ein österreichisches Modell zeigen lassen. Was man zu sehen bekommt, erinnert in der Regel wirklich eher an die Kopie der „Wehrmacht“ als an das österreichische Original. Groteske Angst vor einer in zeitgemäßer Form entwickelten österreichischen Offizierskappe hat man nach wie vor in sozialistischen Kreisen. Lieber möchte man es hier — was entschieden abgelehnt werden muß — noch einmal mit der

Tellerkappe preußischen Modells versuchen, die man fälschlicherweise für „republikanisch“ hält. Jene, denen auch heute noch der Hohenfried-berger besser in den Ohren klingt als der Radetzky-Marsch, lachen sich ins Fäustchen ..

SO STEHT - NUN DER , NEU-ÖSTERREICHISCHE SOLDAT vor uns. Etwas gleicht er in seiner „provisorischen Liniform“ einem flotten Forstadjunkten. Sehr _ viel militärische Individualität verraten die künftigen. Monturen, die man bisher zu sehen bekam, nicht. Aber vielleicht ist dies mit ein Ausdruck der Zeit, in der die Uniform aller Armeen immer „uniformer“ wird. Und wenn wir an die Soldaten in ihren modernen gleichförmigen Kampf-anzügen denken, dann wird es allmählich Zeit, sich wieder an das Beispiel der Schweden und Brandenburger Anno 1656 zu erinnern, die mit ihren Strohbuschen am Hut uns heute gar nicht mehr so komisch vorkommen.

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