6602541-1953_49_08.jpg
Digital In Arbeit

Deckengemälde

Werbung
Werbung
Werbung

Sie sind die symphonischen Dichtungen in der Malerei. Hier ist es dem Maler erlaubt, in Farbtönen zu schwelgen, ein Klanggewoge darf aufbrausen; Engelchöre jubilieren zum Glissando von Celesta und Glockenspiel, Menschen können übermenschlich sein, in paradiesischer Nacktheit kontrapunktisch ein-herstürmen oder mit üppigen, sich bauschenden Gewändern kleiden, deren Zipfel wie Arpeggien flattern; Schaugeprängen anwohnen oder selbst eines bilden. Im Tumult dröhnender Tuben und phrenetisch rasselnder Pauken stürzen Titanen taumelnd aus allen Himmeln, Muskelbündel mit verzerrten Gesichtern; ein andermal beugen sich schöne Frauen mit süßen, lächelnden Mienen über steinerne Balustraden, als wollten sie sich für eine dargebrachte Serenata bedanken.

In der Tat, es ist -Programmusik im wahrsten Sinne des Wortes, was zu unseren Häup-ten erklingt. Dichtende Gelehrte und gelehrte Dichter haben zumeist den Malern das Konzept in die Hand gedrückt. Die Maler hatten nur die Aufgabe, dieses Gedachte in die Raumdecke hineinzuschauen und ihm mit Farben Gestalt zu geben. Ich weiß nicht, ob das einschränkende Wörtchen „nur“ hier am Platze ist. Denn abgesehen von der ungeheuren physischen Arbeitsleistung — in welch vertrackter Lage, hoch oben auf den Gerüsten, muß er tätig sein — stellt die Umsetzung der Idee ins Bild keine geringen geistigen Anforderungen an die Künstler. Flache Decken wölben sich Stück für Stück unter ihren kundigen Händen, steilen empor zu mächtigen Kuppeln, und Kuppeln selbst werden von ihnen weit aufgerissen, um des Firmaments schimmernde Bläue einströmen zu lassen in das mystische Dunkel des Domes. Und diese Kuppeln verlangen die schwer einzuhaltenden Gesetze einer besonderen Perspektive. Wie um sich die Hürden noch zu erhöhen, werden manchmal die senkrechten Wände über das Hauptgesims hinaus in Scheinarchitekturen hochgezogen. Und erst dann beginnt die Bevölkerung, die Belebung der riesigen Flächen. Da geht es ohne eine gewaltige Häufung • der gefürchteten Kürzungen nicht ab, die durch die geometrische Formung des Malgrundes bedingt sind. Kluge Massenverteilung, harmonische Anordnung ohne Ballung und Leere und ständige und strenge Ueberwachung der Farbgebung zur Verhütung von Dissonanzen. (Es ist kaum auszukommen, ohne die Anwendung von Bezeichnungen aus der Musik.) Ich glaube, s sind diese erratischen Blöcke, welche für den Monumentalmaler den Anreiz bilden, sie wegzuräumen und an ihnen seine adäquate Kraft zu erproben. Er gleicht den Atlanten, die er malt, es sind ihm ungeheure Lasten aufgebürdet, aber er bricht nicht zusammen unter ihnen. Von den Wonneschauern des Schaftens ist er vielleicht am heftigsten geschüttelt. Er ist energischer, kluger Feldherr und geschickter Regisseur zugleich. In weiser Voraussicht setzt er seine Heerscharen dort ein, wo er sie notwendig braucht, und in festlichen Aufzügen und huldigenden Apotheosen stellt er seinen Mann. Wohl scheint er da öfter dionysisch zu sein, aber er zeigt auch gerne, daß er eine apollinische Seite sein eigen nennt. Dann zaubert er fremden, heiteren Mythos auf die Decke. Mit verwirrender, unfaßbarer Schönheit aber ziert er die Kirchenkuppeln oder die anmutig geschwungenen Gewölbe klösterlicher Bibliotheken. Es ist verständlich, daß die Dreieinigkeit ihren Thron in der höchsten Höhe erhält, daß alle Heiligen, selig in ihrem Anblick, sie umgeben, und daß Mariens Himmelfahrt die großen Künstler immer wieder auf den Plan rief. Da erhält der prahlerische, malerische Prunk, den das Deckengemälde sonst zur Schau trägt, auch innere Größe. Der sinnfällige Zusammenhang mit dem Gotteshaus ist gegeben, der Gläubige blickt nicht neugierig oder gar hilflos empor, weil er sich im allegorischen und mythologischen Vorgang nicht zurecht findet, er erfreut sich nicht bloß am Farbenrausch, der über ihm schwebt, sondern er erachtet diese Gestaltung da oben als die einzig richtige Gewölbekrönung.

Doch bemerke ich erst jetzt, daß ich zutiefst im Barock stecke, mich in ihn verirrt habe. Ich muß aber trachten, so prächtig sich's in ihm leben ließe und so sehr er gerade mit dem Thema zu tun hat, aus ihm ein wenig herauszukommen, um am Ende auftauchenden historischen Irrtümern , oder Schlußfolgerungen vorzubeugen. Denn es' ist ein weiter, viel umspannender Bogen von den Deckcnausschmückungen des Altertums bis herauf zu Feuerbach und Klimt. Erlauchte Namen tauchen auf, Mantegna, allen voran der Michelangelos und Raffaels, wir bewundern sie, aber wir erfreuen uns auch daran, daß ein Andrea dal Pozzo zu uns gefunden hat, und wir lieben unseren Maulpertsch und Paul Troger. Und so sind wir glücklich wieder im Barock. In diese Stilperiode fällt schließlich die Hochblüte der Deckenmalerei.

Unsere Zeit benötigt keine mehr, sie ist nüchtern und zweckmäßig geworden. Der Kubismus des Bauens ist stolz darauf, einer zu sein, und er kann für den Illusionismus eines Deckengemäldes nichts übrig haben. Um musikalisch, wie begonnen, zu schließen: Wir müssen uns mit der Vergangenheit begnügen, die uns mit den hochaufgehenden, schwungvollen Rhythmen, dem Majestoso und Furioso ihrer Deckengemälde zeigt, daß sich der Glanz geistlicher und profaner Machtfülle mit fürstlicher Lust verströmte, bis eben an die Decken. Ihr Morendo ist in der neuen Sachlichkeit begründet.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung