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Digital In Arbeit

„Der Arbeitsplatz ist ein heiliger Boden”

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Manager können von Jesus lernen. Die amerikanische Unternehmerin Laurie Beth Jones meint sogar, in dem Nazarener eine moderne, charismatische Führungspersönlichkeit zu entdecken.

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Manager können von Jesus lernen. Die amerikanische Unternehmerin Laurie Beth Jones meint sogar, in dem Nazarener eine moderne, charismatische Führungspersönlichkeit zu entdecken.

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Der Wiener Signum-Verlag brachte jetzt die deutsche Ausgabe des 1995 in den Vereinigten Staaten und Kanada erschienenen Ruches der Gründerin und Präsidentin der „Jones Group” in Encinitas, Kalifornien, Laurie Beth Jones, heraus, das auf originelle Weise „biblische Weisheiten für visionäres Management” entwickelt. Laurie Jones leitet ihr Werbe-, Marketing- und Wirt-schaftsentwicklungsunternehmen mit religiösem Hintergrund ökumenischen Christentums. Sie hatte die Berufswahl zwischen einer geistlichen, sozialen oder wirtschaftlichen Funktion. Der reserviert aufzunehmende Titel „Jesus Christus, Manager” bringt in 85 Kurzkapiteln 136 Wortwendungen und Begebenheiten aus der Heiligen Schrift für moderne Managementsituationen zur Anwendung.

Die vor Menschenliebe, Lebenslust, Heilsergriffenheit, spezifischer Betriebserfahrung blitzende Schrift der Laurie Jones überzeugt mit der Aufrichtigkeit, die auch aus dem Foto strahlt: Eine lächelnde, jugendliche, hübsche, energische Innovatorin und Kommunikatorin. „Ein Danke an Jesus, meinen Manager;... ich bete, daß Du diese Arbeit Deines Namens würdig erachtest.” Diesem Gebet schließt sich der Leser an, weil solche Inspiration die Arbeitswelt verbessert.

Die Rezension besteht aus drei Teilen: 1. heiter, 2. ernst, 3. sehr ernst.

1. Es ist anregend, wie konsequent Jones für vertraute Inhalte des Evangeliums gegenwärtiges Vokabular verwendet: Jesus hatte ein Team, einen Stab, er motivierte. Er schulte zwölf Menschen. Sein Führungsstil vermochte in drei Jahren die Welt zu verändern. Jesus wußte, wer sein Roß war, war täglich mit ihm in Verbindung. In der Wüste wurden ihm mehrere „Geschäftsmöglichkeiten” geboten, die alle auf seine Talente bezogen waren. Mit dem Lunch eines Knaben speiste er lausende Menschen. Der Vater des verlorenen Sohnes zog eine Party in großem Stil auf. Nach seiner Auferstehung ging er an den Strand und bereitete ein Fischbarbecue - eine Art von „Teampicknick”. Jesus verbrachte seine Zeit nicht damit, Gebrauchsanweisungen zu verfassen, zu vervielfältigen und so Millionen zu verdienen. Er ist gekommen, um neue Denkschemata zu erschaffen, ein neues Testament.

Eine gute Führungskraft hat einen Plan, Jesus hatte einen. Er gab seinen Mitarbeitern klare Anweisungen, damit diese die gewünschten Resultate erreichen konnten. Jesus stand über den Dingen, indem er seine himmlische Perspektive beibehielt. Er war ein Umkehrungsspezialist. Er managte von innen nach außen. Er verbrachte viel Zeit mit seinen Mitarbeitern.

Selbstverständlich ist es außer Zweifel, daß Laurie Jones sich der Gratwanderung solcher Ausdrucksweise bewußt ist. Sie verdeutlicht in diesem Jargon die Aktualität des Na-zareners auch für Managergehirne. Eines freilich muß klar bleiben: so wenig die Sonne scheint, so wenig managte Jesus! Die Sonne scheint deshalb nicht, weil das Wesen dieses glühenden Himmelskörpers eben das Scheinen selbst ist; schiene sie nicht, wäre

Jesus, eine moderne, charismatische und vor Kraft strotzende Führungs-persönliehkeit? Ein mit Spiritualität, Ethik und Stärke durchdrungener, teamorientierter „Manager”, mit. dessen „Konzept” und „Grundsätzen” sich die Anforderungen des nächsten Jahrtausends bewältigen lassen? Auf den ersten Blick wirkt diese Ausdrucksweise der amerikanischen Buchautorin und Unternehmerin Laurie Beth Jones provozierend und irritierend. Vertraute Inhalte des Evangeliums sie nicht die Sonne; daher ist der Satz aussagelos. Ebensowenig ist ein Satz zutreffend, der Jesus ein Team bilden oder ein Konzept verfolgen ließe. Er, der vollkommene Mensch, die Verkörperung geschöpflicher Antwort an den Schöpfer, war als Gottessohn reines Sein; und alles, was uns als Handlung erscheint und ausdrückbar ist, war in ihm das Vollziehen puren gottergriffenen Wesens. Jede narrative Rücknahme dieser Einsicht ist po-pulärpastorales Remühen, mehr oder weniger originell.

2. Die Stärke dieses Ruches liegt in der Projektion biblischer Taten auf die täglichen Ar-beitsirihalte heutiger Retriebsleiter. Denn tatsächlich ist der christliche Lebensverständnis-und Handlungsansatz der am meisten zutreffende und glückstiftende überhaupt, warum also nicht auch für Manager? Zahlreich sind die Relege für menschlichen und sachlichen Schaden durch falsches, weil uninspirier-tes, unerleuchtetes, unerlöstes Reneh-men mikroökonomischer Machthaber: Was an schöpferischen, produktiven Leistungen mangels Motivation, Zielsetzung, Förderung, echter Nächstenliebe nie erbracht wird, läßt sich nur erahnen. (Zehn Prozent des RIP wären rund 250 Milliarden Schilling, doch läßt sich die durch Vergrämung und Arbeitskummer entgangene Lebensqualität, Lebensfreude mit dieser Ziffer nicht darstellen.)

Wie wahr ist daher Laurie Jones Satz: „Der Arbeitsplatz, an dem wir den größten Teil unseres Lebens verbringen, ist in Wahrheit heiliger und fruchtbarer Roden.” Die Autorin wird nicht müde, buchstäblich Hunderte konkrete Situationen zu erzählen, die durch den herzlichen, offenen Zugang christlich beflügelter Menschen gemeistert wurden. „Fühlen sich

übersetzt in den Jargon und das Denken heutiger Managerhirne? Das klingt nach einem mehr oder weniger originellen modischen Gag.

Und dennoch - wer versucht, auf dieses Ruch nur mit kritisch-gescheiten Anmerkungen zu reagieren oder es schlicht als banal abzutun, verfehlt das Anliegen der Autorin, meint wohl zu Recht der Sozial- und Wirtsehaftsthiker Johannes Scha-sching (Seite 3). Mrs. Jones versucht mit ihrem lebendigen Führungsansatz Mananger und Mitarbeiter dazu anzuregen, einander auf neue Art und Weise zu begegnen.

Elfi. Thierner

JESUS CHRISTUS, MANAGER

Von Laune Beth Jones. Jus dem Englischen übersetzt von Elisabeth Maravic. Signum /'erlag. Wien 1996. 3)6 Seiten, geb., öS HO,-Menschen in Ihrer Gegenwart bestätigt? Glauben Sie, daß Ihre Mitarbeiter ein Gottesgeschenk sind?”

3. Frau Jones nennt aber nicht die Realität des Rosen. Selbst in ihrem eigenen gelobten Land hat der Rezensent das Auftreten zweier elegant-düsterer Mafiosi miterlebt, die die Leitung eines europäischen Unternehmens wissen ließen, was die Hoffnung, daß ihre Monteure nicht aus den Raugerüsten fallen werden, kostet! Dem ausländischen Manager bleibt das persönliche Gebet unbenommen, an der existentiellen Evidenz des Satanischen im Wirtschaftsleben kommt er nicht vorbei. Und insofern diese Tatsache in dem Jesus-Manager-Ruch zugunsten einer Heile-Welt-Verzückung verschwiegen wird, ist diese Arbeit unvollständig. Ich trete gern mit dieser christlichen Unternehmensberaterin in einen (auch europäisch-amerikanischen) Dialog, durch den ich jetzt schon für mich den Gewinn der Hochherzigkeit erkennen kann, die transatlantische Kollegin aber einen Sprach-, Frömmigkeitsstil- und Selbstzweifel zu Gunsten umfassender Wirklichkeitswahrnehmung und individueller sowie Systementwicklungskompetenz bestehen müßte.

Wie verhält sich der Manager, wenn er mit dem AVirtschaftsministe-rium eines Landes konfrontiert ist, das fürdie lieferung ziviler Güter nur Firmen zuläßt, die auch militärische Waren anbieten? Wie entscheidet der Verantwortliche einer unterbeschäftigten Fabrik, wenn ihr Lieferung und Montage einer kompletten Runtme-talldreherei - sprich Artilleriegeschoßefertigung - für ein Drittweltland in Aussicht gestellt wird?

Welches Verhalten soll ein Unternehmer zeigen, wenn eine durchaus unerträgliche Lohnerhöhung erzwungen wird, er aber durch deren Ablehnung seine eigene Stellung verliert?

Wie lebt man als gegenwärtig Verantwortlicher mit einem Retriebsstan-dort oder einem Produktionszweig oder einem Herstellungsverfahren, die mittelfristig aus ökologischen, Rohstoff- und Transportgründen keine Zukunft haben, wenn dennoch aus sozialen Gründen die Selbstauflösung so lang wie möglich hinauszuschieben ist? Wie verantwortet man vor christlich geschärftem Gewissen die allgemeine Übereinkunft zu „steuermindernden Rilanzgestaltungen1'? ■

Wie lautet die ethisch intakte Sprachregelung inmitten von Vorgesetzten-, Aktionärs-, Aufsichtsrats-, „Konditionenabstimmungs”-Ver-sammlungen, wenn dort unreflektiert schneller Gewinn gesucht wird?

Was tut der nachdenkliche Firmenchef, dessen Retriebskapazität unter menschlichen Tragödien und Riesenverlusten ungenutzt wegbricht, weil es genau jene Politinstanzen, von denen sein Retrieb abhängt, verabsäumt haben, eine qualifizierte Übergangsregelung für die Öffnung gegenüber sozial, ökologisch und infrastrukturell indiskutablen, vom Kommunismus deroutierten Gesellschaften zu implementieren? (Wohl die größte politische Fehl-Nichtleistung des letzten Jahrhundertviertels!)

Auf diese Fragen ist oft pragmatisches Schweigen, taktisches Abfedern und - Opferung Ahnungsloser die bedauerliche Antwort. Und wie antwortet der Christ? Anders? - Ja, zumindest potentiell: Er betet in jeder Sonntagsmesse das Schuldbekenntnis, Gutes unterlassen, Roses getan zu haben, er weiß sich schuldig, gnadenbedürftig, somit zumindest innerlich vorgespannt für Erneuerung, Rekehrung.

Gar nicht hoch genug zu bewerten ist freilich Laurie Jones schöpferischer „heiligender”, „erlösender” Anstoß zum Umgang mit den Mitarbeitern nach Jesu Gebot. Nichts ist den Reispielen, Aufmunterungen und Reweisführungen der Autorin hinzuzufügen.

Aber sowohl was die Gesellschaftsund Wirtschaftswirklichkeit wie auch das die religiöse Tiefe und auch Tragik betrifft, muß sie wohl einräumen, daß der wissende, erprobte Leser komplexer mit diesen Herausforderungen umgeht. Aber selbst auf diesem Weg über die Vorschläge von Jones hinaus, diese in Richtung akuter Aporien überschreitend, bleiben ihre guten Worte bestärkend.

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