7126740-1997_07_23.jpg
Digital In Arbeit

Der Auffahr-Sieger

Werbung
Werbung
Werbung

Welches Buch fängt so an?

„Eines Morgens um acht Uhr stand ein junger Mann vor der Türe eines alleinstehenden, anscheinend schmucken Hauses."

Der junge Mann, Joseph Marti genannt, tritt seine neue Stelle an, bei einem Ingenieur und Erfinder, der ein Haus über dem Zürichsee besitzt und dort Wohnung und Büro hat. Vor seinem Eintritt in die Firma ist Joseph längere Zeit arbeitslos gewesen. Der neue Angestellte muß brieflich die von seinem Chef erfundene „Reklame-Uhr" anpreisen, er ist also die Werbeabteilung des Unternehmens. Obwohl Joseph sich im Kreis der Familie und vor allem in der herrlichen Landschaft wohlfühlt, gutes Essen bekommt und nicht viel arbeiten muß, gibt es Anlaß zu Kummer und Ärger. Es steht nämlich schlecht um die Firma, die Erfindungen des Chefs sind so gut wie unverkäuflich, sie gehen, wie man heutzutage sagt, an den Bedürfnissen des Marktes vorbei, der neueste Flop ist besagte „Reklame-Uhr". Die Landschaft wird eindringlich geschildert, vor allem der See. Joseph lernt seinen Vorgänger kennen, einen unzuverlässigen Säufer. Er setzt sich für diesen ein, und als er sogar mit ihm trinken geht, ist das für seinen Chef der willkommene Anlaß, ihm sofort zu kündigen. Die Frau des Chefs gibt Joseph noch wohlmeinende Ratschläge zum Abschied. Zum Schluß zündet sich Joseph noch eine gute Zigarre an und verläßt mit seinem Vorgänger den Ort seiner jüngsten Vergangenheit.

Diese Erzählung (erschienen 1952) ist von der Geschichte her genial einfach, wie ein Gleichnis oder eine Fabel, dabei so kurz, daß man es zwischendurch immer wieder lesen kann. Wogegen kämpft der alte Mann „wirklich"? Gegen das Alter? Gegen das Schicksal? Oder einfach gegen einen Fisch? Ernest Hemingway (1899 - 1961) war selbst begeisterter Sportfischer.

I Der alte Mann und das Meer.

Von Ernest Hemingway. Ubersetzt von Annemarie Horschkz-HorsL Suhr-kamp-Verlag, Frankfurt 1995,121 Seiten. S147.

Meine wunderbare Frau, Helga, liebt -wenn ich von mir, unserer Familie, unseren Freunden, Bekannten, von ihrem Beruf als Pädagogin, von Österreich im allgemeinen, von Oberösterreich im besonderen und sogar Ungarn absehe - nichts so sehr wie die Schi-übertragungen im heimischen Fernsehen. Und weil ich wiederum - allerdings ohne obige Aufzählung -nichts so sehr liebe wie meine Frau, verfolge auch ich gebannt alle möglichen Disziplinen des alpinen Schisports, wobei wir im TV nur den kurzatmigen Langlauf überspringen.

Apropos: überspringen. Wie Helga und - in ihrem Gefolge - ich die unbarmherzigen, schilosen Monate zwischen Spätfrühling und Frühherbst überleben, das weiß ich nie im voraus - und im nachhinein verstehe ich es nicht.

Apropos: verstehen. Obwohl ich, wie gesagt - und getan f, an jedem Winter-Wochenende atemlos der aufgeregten und gehetzten Stimme des Sportkommentators und dem TV-Bild folge, verstehe ich die - nur für mich - komplizierten Regeln des Ab-und Slalomfahrens, des Springens und Fliegens, der Kombination und des Super-G und so weiter nicht. Da ich mich aber am liebsten immer damit beschäftige, was ich weder kenne, noch weiß und erst recht nicht verstehe, darf ich hier - in aller Bescheidenheit - meine neuen Begeln dieses erhabenen Sports, die ich schlicht und einfach „Schi - neu" nenne, vorstellen:

■ Unter dem Motto „Funktionäre immer siegreich" (FIS), empfehle ich, bei den Wettbewerben auf die teuren Sportler, die sich ohnedies nur als fahrende und fliegende Litfaßsäulen betätigen, zu verzichten.

■ Sollten wir auf die Athleten des weißen Sports nicht gänzlich verzichten können, so schlage ich vor, auch unsere Mädel und Buben (pardon: Damen und Herren), analog dem Schweizer Emmentaler-Kostüm gleichfalls zu uniformieren. Als unbe-

lehrbarer Föderalist denke ich dabei an eine Mischung aus Tiroler Kuhglocken, Salzburger Nockerln (beide auch für die Herren), umrahmt von einer Kärntner Grenzland-Phobie (zur Freude der slowenischen Mann-und Damenschaft).

■ Als Zusatzwettbewerb empfehle ich die Messung der Schnelligkeit beim Schiabschnallen im Ziel und vor der TV-Kamera. Wer allerdings irgend eine Werbeaufschrift auf Helm, Brille, Brust, Ober- und Unterschenkel (das andere geht nicht, da die Sportler nur im Startzelt, so ganz ohne Siegerpose, von hinten gefilmt werden) für eine Hundertstelsekunde nicht in die Kamera hält, wird sofort disqualifiziert.

■ Die Anbringung von Einbahntafeln auf der Bennstrecke halte ich, selbst als zusätzliche Werbefläche, für unnötig und überflüssig.

■ Als zusätzliche Nervenanspannung

schlage ich die Wertung der Pisten-betreuer auf Schiern, die gänzlich unbedacht und unbedankt zum Beispiel für die Verankerung der Slalomstangen sorgen, vor.

■ Als eingefleischter (da ich kein Vegetarier bin) Föderalist, dessen Heimatliebe bei Purkersdorf nicht aufhört, verstehe ich allerdings die starke Unterrepräsentanz der Wiener und burgenländischen Abfahrer und Springer in der Nationalmannschaft nicht. Aber alles muß ich wirklich nicht verstehen.

Mein Vater (seligen Angedenkens) erzählte mir, daß er als junger Sportler so ganz ohne Lift und Gondel vor der Abfahrt die Schier geschultert, zu Fuß auf den Berg hinaufmarschierte. Im Sinne der (neu)modischen (Alt)Nostalgie - welch Tautologie! -schlage ich daher die Ehrung eines „Auffahr"-Siegers vor.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung