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Der Blick hinter die Mauer

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Ich springe über die Mauer. Zurück in die Welt nach 28 Jahren Klosterleben. Von Monica Baldwin. F.-H.-Kerle-Verlag, Heidelberg. 320 Seiten.

Monika Baldwin, Nichte des berühmten britischen Premiers, tritt blutjung 1914 in ein streng kontemplatives Kloster. Nach zehn Jahren Klosterleben bricht zum erstenmal in ihr die Erkenntnis durch, daß sie zu diesem Leben nicht berufen ist. Weitere 18 Jahre des Ringens folgen, dann ist es ihr endlich klar, daß sie nicht ins Kloster gehört. Und ebenso klar ist es den kirchlichen Behörden, die sie von allen Gelübden lösen. Sie kehrt in die Welt zurück, in die Welt des Jahres 1942. Nicht nur die Verfasserin hatte sich in 28 Klosterjahren völlig verändert, auch die Welt, in die sie zurückkehrt. Ihr Weg zurück in die Welt ist schwierig. Und während sie im Kloster einmal scheiterte, scheitert sie jetzt in der Welt ununterbrochen. Dieser Weg zurück mit seinen Schwierigkeiten bildet den hauptsächlichen Inhalt ihres Buches. Aber von ihrer Begegnung mit der neuen Welt blendet sie immer wieder zurück auf ihr Klosterleben und gestattet dadurch den Menschen, einen Blick hinter die Mauer zu tun. Hinter die Mauer eines strengen Ordens. Trotz ihres Scheiterns steht die Verfasserin dem klösterlichen Leben ausgesprochen positiv gegenüber, verteidigt das monasfische Dasein. Sie kennt das Kloster und die Welt. Dadurch ist es ihr möglich, für die Welt über das Kloster zu sprechen, über manche Dinge freilich wird der dem christlichen Leben Entfremdete den Kopf schütteln. Er möge sich bewußt sein, daß in einem kontemplativen Orden alles auf die Anschauung Gottes gerichtet ist. Schweigen, Abtötung, alles dies sind Hilfsmittel für dieses Ziel. Uber manche Einzelheiten aus dem. klösterlichen Leben der Verfasserin wird auch der christliche Leser den Kopf schütteln, wie über die Kleidung und Fragen der Hygiene, wobei er sich denken wird, daß Hygiene und Aszese zwei Dinge sind, die sich nicht widerstreiten.

Das Buch war in England ein großer Erfolg, wurde aber auch stark angegriffen. Sein Erscheinen muß dennoch sehr begrüßt werden: zeigt es doch der Welt jene ausgesparte Stelle des Gebetes, die ein kontemplatives Kloster darstellt und die die Welt so sehr für ihr Leben bedarf.

Der Berg der sieben Stufen. Von Thomas M e r t o n. Benzinger-Verlag, Ein6iedeln. 442 Seiten. — Verheißungen der Stille. Von demselben. Verlag Räber, Luzern. 215 Seiten.

Thomas Merton, Sohn eines englischen Malers und einer amerikanischen Mutter, 1915 in Frankreich geboren, ungetauft, überwach, mißtrauisch, voller Unrast, der alles Wissen, allen Irrsinn der Welt in sich hineintrinken will, sei es auf Reisen, auf britischen Universitäten, auf amerikanischen Kollegs, Kommunist, Globetrotter, der innerlich immer leerer wird, bis in diese Leere die frohe Botschaft dringt und ihn ausfüllt. Ungefähr dreißig Jahre alt, läßt Merton 6ich taufen und wird Katholik. Aber er geht noch einen Schritt weiter, er wird Trappist. In Amerika, dem Land dem Lärms, der Hast, tritt er in eine Insel des Schweigens und der Ruhe.

Wie Monica Baldwin von der Welt aus das Kloster schildert, so Merton vom Kloster die Welt, besser gesagt, sein Leben in der Welt. Das dennoch so packt, weil es so allgemeingültig ist. Wodurch sein Buch ein Zeugnis wurde für den Weg des modernen Intellektuellen zur Kirche. Ein Zeugnis für die Wandlung eines Herzens. Innerhalb kurzer Zeit erreichte es 15 Auflagen. Sein zweites Buch die „Verheißungen der Stijle“, ist eine Fortsetzung und Ergänzung seines ersten Buches. Es sind Betrachtungen, geboren aus der Stille eines kontemplativen Ordens. Einzelne Gedanken, ohne gesetzmäßige Abfolge. Manche schon ganz scharf geschliffen, manche noch erratische Blöcke. Ihr großer Vorteil: sie zeigen, wie notwendig auch dem modernen Menschen das betrachtende Gebet ist. Wendet es seinen Blick doch immer wieder auf sein einziges Ziel zu.

Im Anfang war das Herz. Vom Geheimnis des Karmel. Von Oda Schneider. Otto- Müller-Verlag, Salzburg. 298 Seiten.

Durch die kleine heilige Theresia von Lisieux ist das karmelitische Leben weithin bekanntgeworden. Um für Millionen von Menschen dennoch ein Geheimnis zu bleiben. An dem sie höchstens die Armut, die Entsagung sehen. Und das doch ein unendlich reiches Leben ist. Da sein Inhalt nichts anderes darstellt als die reinste und stärkste Gottesliebe. Die demjenigen, der sie einmal gefunden hat, es leicht macht, die Welt zu verlassen.

Oda Schneider, die mit 55 Jahren selbst in den Wiener Karmel St. Joseph trat, schon eine bekannte Schriftstellerin, legt wohl hier ihr bisher reifstes Werk vor. Entstanden in der starken Luft der Betrachtungen. Niedergeschrieben mit viel Logik und klarer Sprache. In Kapiteln über den Propheten Elias, über die Muttergottes, den hl. Joseph, die „große Theresia, den hl. Johannes vom Kreuz, die „kleine“ Theresia zeigt sie den Inhalt und Sinn des karmeli tischen Lebens und läßt den Leser einen Blick hinter die Mauern ihres Klosters tun. Man könnte das Buch auch nennen: Versuch einer Theologie des Karmels. Oder: eines der besten Werke über das Geheimnis des Karmels.

Die großen Ordensregeln. Herausgegeben von Hans Urs von Balthasar. Benziger- Verlag, Einsiedeln. 348 Seiten.

Fünf Regeln sind es, auf die im Prinzip alle Ordensregeln zurückgehen: die Regel des hl. Basilius, Benedikt, Franziskus, Augustinus, Ignatius. Fünf verschiedene Wege zur Verwirklichung der evangelischen Räte. Allen zu eigen: eine tiefe Weisheit, Demut, Menschlichkeit. Nicht Selbstzweck, sondern ein Mittel, um die Menschen fähig zu machen, ihrer Berufung gerecht zu werden. Eine glückliche Idee, sie in einem Band vereinigt und übersetzt herauszugeben. Den Blick hinter die Klostermauern, der dadurch möglich wird, braucht die Kirche nicht zu scheuen.

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