Der Computer-Erfinder

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FRIEDRICH CHRISTIAN DELIUS SCHREIBT SEINEN NEUEN ROMAN ÜBER KONRAD ZUSE, DEN ERFINDER DES COMPUTERS.

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FRIEDRICH CHRISTIAN DELIUS SCHREIBT SEINEN NEUEN ROMAN ÜBER KONRAD ZUSE, DEN ERFINDER DES COMPUTERS.

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Wer kennt Konrad Zuse? Eigentlich müsste Zuse bekannter sein als Bill Gates, der Gründer der Softwareschmiede Microsoft, oder als Steve Jobs, der Mitbegründer von Apple. Denn Zuse gilt als Erfinder des Computers. Über ihn hat jetzt F. C. Delius einen sehr schönen Roman geschrieben.

Delius zählt seit den 1970er Jahren zu den bekannteren Autoren der Gegenwartsliteratur, zunächst konnte man ihn eindeutig der Studentenbewegung von 1968 ff. zuordnen. Von seiner politischen Orientierung hat Delius immer etwas in seine Texte einfließen lassen. Delius schreibt außerordentlich lesbar, er experimentiert aber auch immer mit Sprache. Der neue Roman über Konrad Zuse ist ein Monolog, Teil eines fiktiven Interviews, das der berühmte Erfinder kurz vor seinem Tod 1995 einem Journalisten gewährt, der Züge von Delius trägt, aber der nur in der Anrede präsent ist. Denn der Roman gibt vor, die Transkription eines Tonbandprotokolls zu sein.

Zuses Leben bietet mehr als genug Stoff für einen Roman: In den 1930er Jahren hängt der junge Mann seinen Beruf an den Nagel und baut im Wohnzimmer seiner Familie eine Maschine zusammen, die mit gesägten Blechen Rechenoperationen anstellt. Zuse kommt auf die auf Leibniz zurückgehende Idee des binären Systems von 0 und 1, er kann einen größeren Posten alter Relais von der Telefonvermittlung ergattern und baut den nächsten Computer, die Z2. Den Krieg überlebt er als Mitläufer, er arbeitet an den Nachfolgegenerationen seiner Erfindung, der Z4, und er fliehen nach Oberbayern. Schließlich lässt sich Zuse in der hessischen Provinz nieder und gründet ein Unternehmen, das er unter dem zunehmenden Konkurrenzdruck schließlich verkauft.

Ungewöhnliche Liebe

Delius konnte auf biografisches Material zurückgreifen. Weitgehend erfunden oder neu akzentuiert ist aber wohl die sehr ungewöhnliche zentrale Liebesgeschichte, Zuses Zuneigung zu der 1852 verstorbenen Ada Lovelace, deren Namen und Porträt er zufällig in einem Lexikon entdeckt hat. Ada war die Tochter Lord Byrons und gilt heute als erste Frau der Informatik. Ada lässt, aus der Perspektive des monologisierenden Erzählers, das abstrakte Thema menschlich werden.

Delius gelingen schöne Sätze: "Zerbrechen Sie sich etwa den Kopf, ob Ihre Liebe vor allen Instanzen dieser Welt gerechtfertigt ist? Bestimmt nicht."

Ein Missklang ist, dass Delius stark die Patriotismuskarte spielt. Auch wenn man es Zuse abnimmt, dass er das Mitläufertum in der NS-Zeit verteidigt und sich nach den Aufbaujahren nach dem Krieg zurücksehnt, dass er glühender Pro-Amerikaner trotz seiner schlechten Erfahrungen mit der dortigen Konkurrenz ist und dass er den Begriff "Lebensraum" unproblematisch findet, dann gar von der Besiedelung des Weltraums zu schwärmen beginnt - das hätte dann doch etwas stärker ironisch oder sonstwie gebrochen werden müssen. Wie schon in "Bildnis der Mutter als junge Frau" von 2006 schwenkt der ja eher politisch linke Delius sehr weit ins konservative Lager aus.

Romane über historische Persönlichkeiten haben Konjunktur, man denke an Daniel Kehlmanns "Die Vermessung der Welt". Nicht alle haben so viel Format. Hier ist nun zweifellos ein Roman, der das Lesen lohnt.

Die Frau, für die ich den Computer erfand Roman von Friedrich Christan Delius. Rowohlt 2009 287 S., geb., 20,50

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