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Dalia Sofers schlichter Roman über Abschiede, Verfolgung und Anfänge, über amputierte Familien und den Iran.

Reue, denkt Isaac auf dem Rückweg in seine Zelle, was könnte er wohl bereuen? Da er die Verbrechen, deren man ihn bezichtigt, allesamt nicht begangen hat, könnte er höchstens Reue darüber zeigen, dass er sich erdreistet, am Leben zu sein." Seit knapp zwei Jahren sind im Iran die Mullahs an der Macht, landesweit werden Menschen in Gefängnisse geschleppt, bleiben amputierte Familien zurück. Isaac Amin ist zu diesem Zeitpunkt Ende fünfzig, ein Juwelier, ehemals zählte er die Pahlewis und den iranischen Adel zu seinen Kunden. Außerdem ist er Jude: als ihn die Schergen holen, ist Isaac einerseits sicher, nichts wirklich Kriminelles getan zu haben, aber auch Realist genug, um zu ahnen, warum er ausgesucht wurde.

Man mag sich wundern über den höflichen Umgangston der Milizen in diesem Buch, das hat zumindest mit dem Tatsächlichen der Gegenwart nichts zu tun. Dies stellt jedoch die einzige Irritation in diesem Roman dar. Dalia Sofer vermeidet Schwarzweißmalerei, auch die Bewacher und ihre Beweggründe kommen zu Wort, vorsichtig werden Bewertungen unterlassen.

Klar ist, dass Isaacs Familie mit der großen Masse der Armen nicht in Berührung kam, dass man die Emporkömmlinge Pahlewi belächelte, aber den Zugang zur Extravaganz der Superreichen schätzte. Das Wissen um die blutigen Methoden des Savak, die Repressalien des Regimes, die kompromisslose Anbiederung an die USA wurden ausgeklammert. Es ging darum, in der Heimat sicher verankert zu sein, was darauf hinauslief, sich mit der Macht zu arrangieren.

Keine Freunde mehr

Unter den Mullahs ist das nicht mehr möglich, es geht nun, 1981, um Tilgung von Störfaktoren, um Auslöschung. Isaac kann sich jedoch freikaufen, übergibt seine Konten dem Büro Khomeinis, kommt auf verkrüppelten Füßen zurück zu Frau und Tochter. Großartig beschreibt hier Dalia Sofer die Erkenntnis, dass Leid auch eine Kluft bildet, dass nicht alles geteilt werden kann, selbst wenn viel Liebe vorhanden ist.

Es geht in diesem Buch aber auch darum, ein Ausgegrenzter in einer ausgrenzenden Gesellschaft zu sein. Nicht nur das Kind wird plötzlich geschnitten, auch die Ehefrau, die fast ein Jahr lang alleine zurechtkommen muss, ist alleine, Nachbarn schauen bewusst weg, Freunde sind keine Freunde mehr. Und der Sohn, den sie noch vor Beginn des iran-irakischen Krieges außer Landes bringen konnten und der privilegiert in den USA Architektur studiert, wird zu einem Alleingelassenen. Nachricht von daheim kommt fast nicht mehr durch, Geld bleibt aus. Bei orthodoxen Juden findet Isaac Bleibe und Job. Aber als assimilierter Jude steht er auch hier vor der Tür, fühlt das Trennende schmerzlicher als das Verbindende.

Flucht und neues Ziel

Dalia Sofer, 1972 im Iran geboren, verließ als Zehnjährige mit der Familie illegal das Land. Einiges aus dieser Biografie mag in den Roman eingeflossen sein. Die Szenen in der Schule und bei den Kinderfesten, zu denen Isaacs kleine Tochter eingeladen wird, sind überzeugend und dramatisch aufgebaut.

Übrig bleibt der zerschmetterten Familie das Wissen, manchmal zurecht vertrauen zu dürfen, und Erinnerungen, wie an Schiras, die strahlende Stadt von Isaacs Jugend, die Stadt der weltberühmten Dichter, die selbst jetzt noch mehr südliche Lebensfreude vermittelt als die anderen Städte des Iran, eine bunt schillernde Oase, trotz der schwarz vermummten Frauen.

DIE SEPTEMBER VON SCHIRAS

Roman von Dalia Sofer

Aus dem Amerikan. von Sabine Roth

Hanser Verlag, München 2007

334 Seiten, geb., € 20,50

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