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Das ist Leidenschaft für das richtige Maß, das Authentische, für angewandte Entschleunigung: Aus Begeisterung für die Langspielplatte entwickelte Heinz Lichtenegger Plattenspieler. Das Gespräch führte Helmut Berg

Eine exklusive Fangemeinde analoger Musik-Connaisseurs schwört auf schwarzgerillte Nostalgie. Das Ausmaß dieser unverbrüchlichen Audiophilie war am Interesse von über einhundert Medienvertretern und HiFi-Experten aus 45 Ländern abzulesen, welche zum zwanzigjährigen Jubiläum einer Elektronik-Edelschmiede in Wien Margareten anreisten, die Weltruf genießt. Ihr Gründer, Heinz Lichtenegger, trat 1991 einen wahren Siegeszug durch die Welt der analogen Musikwiedergabe an.

Die Furche: Es scheint, Sie haben immer schon gerne den Zeitgeist gegen den Strich gebürstet und gezeigt, dass Ihre Philosophie des hingebungsvollen Schallplattenhörens auch mit anderen Genüssen des Lebens in Wechselwirkungen treten kann.

Heinz Lichtenegger: Absolut. Schon als 16-Jähriger hab ich mir statt dem obligatorischen Moped ein HiFi-Lautsprecherpaar um sauer ersparte 10.000 Schilling gekauft. Meine Freunde haben mich für verrückt erklärt, aber ich habe ihnen das Gegenteil bewiesen, denn das Hobby High-End-Hören brachte letztendlich auch einen unschätzbaren Mehrwert. Ein Mädel auf dem Moped zu haben ist ganz ok, aber zu mir kamen sie für den Musikgenuss - und waren somit schon in der Wohnung.

Die Furche: Wie hat sich die Liebe zum anspruchsvollen Musikhören entwickelt?

Lichtenegger: Ich habe mich immer schon mit Musik identifiziert, wollte die Seele der Musik entdecken, bin aber aus der Musikschule geflogen, weil ich für aktives Musikmachen kein Talent habe. Was bleibt einem Musikliebhaber dann anderes übrig, als sich auf passives Musikhören zu verlegen?

Die Furche: Sie wurden sozusagen Berufs-Hörer aus Leidenschaft, wobei man Ihnen als Geschäftsmann Passivität nicht wirklich unterstellen kann.

Lichtenegger: Das war auch ein steiniger Weg. An der Tankstelle der Mutter habe ich gejobbt, um studieren zu können, dann habe ich die ersten selbst zusammengestellten HiFi-Komponenten und Laufwerke an Freunde verkauft, ohne Gewerbeschein. Und nächtens Kronen-Zeitungs-Ständer aufgestellt.

Die Furche: Ende der 1980er Jahre landeten immer mehr Plattenspieler auf den Müllhalden, die CD wurde in Lobeshymnen besungen, anerkannte Musikgenies wie Herbert von Karajan versicherten, dass mit der digitalen Klangwiedergabe das Nonplusultra an Hörqualität erreicht sei.

Lichtenegger: Diese Loblieder waren von der Industrie erkauft. Und die CD war aus meiner Sicht von Anfang an eine Totgeburt.

Die Furche: Was unterscheidet Ihrer Meinung nach das analoge Musikhören vom digitalen Mainstream?

Lichtenegger: Die CD ist Fast Food, Schallplattenhören etwas für Feinschmecker. Das menschliche Ohr reagiert auf digitale Signale empfindlicher als auf analoge. Deshalb klingt ein Röhrenverstärker wärmer und harmonischer als einer mit Transistoren. Harmonische Verzerrungen, wie aus einem schlecht gestimmten Klavier, sind für das menschliche Ohr kein Problem. Elektronisch-disharmonische Verzerrungen sind für das Ohr nicht erkennbar, wodurch ein Gefühl der Irritation und des Unverwandten entsteht. Eine analoge Platte die eiert, ist für das Ohr noch akzeptabel und leise Atemgeräusche sind für die Authentizität und Emotion wichtig.

Die Furche: Dennoch muss man sich vor Augen halten: Die Musikwelt huldigt dem Technik-Novum CD, und Sie beschließen, Plattenspieler zu produzieren.

Lichtenegger: Ich erntete auch nur Kopfschütteln. Niemand wollte sich auf so ein Wagnis einlassen. Aber Qualität setzt sich immer durch. Außerdem: Die Schallplatte ist die billigste Art High-End-HiFi zu hören. Ein guter Plattenspieler ist jedem CD Player überlegen und die CD ist heute ohnehin ein Auslaufmodell. Durch Zufall stieß ich damals auf eine Schallplattenspieler-Fabrik in der Tschechischen Republik, die kurz vor dem Zusperren stand. Mir gefiel das Produkt und ich wusste sofort: Genau diesen Plattenspieler will ich haben. Also modifizierte ich das Gerät nach meinen technischen Ansprüchen. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion Ende Jänner 1991 wurde ich bei den Direktoren vorstellig und konnte sie davon überzeugen, mit einer Kleinproduktion auf hohem Niveau zu beginnen.

Die Furche: Unsere Devise "Entschleunigung der Zeit“ scheint auch für die Philosophie des Schallplattenhörens wie geschaffen. Ist sie auch für Ihr Leben und Ihren Zugang zur Musik von Bedeutung?

Lichtenegger: Unbedingt. Das audiophile Schallplattenhören ist das bewusste Zuwenden zur Musik. MP3 ist Hintergrund- und Begleitmusik. Es gibt aber eine wachsende Zahl von Menschen, die wieder den Genuss entdecken. Nicht nur im Musikhören, auch beim Essen. Ich persönlich ziehe aus der Musik die Kraft, mein Leben zu bestehen.

Die Furche: Wollen Sie mit dem Plattenhören die erfüllte Zeit als Kontrapunkt zur schnelllebigen Zeit setzen?

Lichtenegger: Ja, ich bin für die Musik-Gourmets da, die auf Qualität setzen. Wer sich eine LP anhören möchte, muss sich ganz einfach Zeit für eine Reihe liebevoll gesetzter Vorbereitungshandlungen nehmen. Man muss sie aus der Hülle nehmen, ihre Vinyloberfläche behutsam reinigen, sich ihr liebevoll zuwenden, den Tonabnehmer achtsam pflegen, dann setzt man sich und weiß: Das dauert jetzt ca. 20 Minuten, die ich intensiv wahrnehme und die zum Erlebnis werden. Mit anderen Worten: Wenn ich eine Platte spiele, gebe ich mich der Musik hin, ich koche nicht oder gehe der Hausarbeit nach.

Die Furche: Ich habe Schallplatten-Fans beobachtet, die ihr Musikhören ritualisieren. Sie geraten nach einem Innehalten kontemplativer Stille in meditative Verzückung, wenn sich der Tonarm in die Rille senkt.

Lichtenegger: Plattenhören ist ein sinnlicher und die Sinne schärfender Akt. Gleichzeitig entspannt es mich. Zu einer Symphonie gönne ich mir ein Glas Rotwein, dimme das Licht und lasse einfach den Tag los. Es ist ein Zu-sich-selbst-Kommen, ein wohltuendes Gestreicheltwerden mit Klang. Das ist unschätzbar viel wert und deshalb macht es mich auch glücklich, in dieser Branche meinen Platz gefunden zu haben, denn da kann ich anderen Menschen zu diesem Gefühl verhelfen und Freude ins Haus bringen. Viele meiner ersten Kunden sind heute meine besten Freunde.

Die Furche: Inwieweit wohnt Ihrer Berufung auch der prophetische Anspruch inne, anspruchsvolles Musikhören zu predigen?

Lichtenegger: Ich wende mich weniger den Technik-HiFi Freaks und Fetischisten zu, sondern mir war und ist es ein Anliegen, den Menschen auf der Straße anspruchsvolles Musikhören zu einem günstigen Preis nahezubringen. Aber das Wichtigste ist: Sich einlassen und Zeit nehmen für einen besonderen Kunstgenuss. Die Schallplatte ist wie ein Kunstwerk. Selbst zerkratzt gibt sie noch ihren Ton von sich oder lässt zumindest die ursprüngliche Intention erahnen. Ich möchte Produkte herstellen, die den Menschen Freude machen. Die Musik und die Freude am Musikhören ist das Wesentliche und ich möchte das Bindeglied sein, zwischen Musikliebhabern und den technischen Möglichkeiten. Und das auf internationaler Ebene.

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