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Der Intendant nimmt Abschied

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Als letztes Sprechstück in dieser Spielzeit bringt das Linzer Landestheater in den Kammerspielen ein Stück in sieben Bildern, „Cäcilie oder ein Schultag” von dem Niederösterreicher Ernst Wurm. Er errang mit einigen Romanen und Hörspielen Erfolge, doch seine Liebe zum Theater ist eine Liebe mit Hindernissen. In seiner „Cäcilie” fehlt es nicht an guten Ansatzpunkten, nicht an echten Problemen. Das Stück krankt vielmehr an deren Vielzahl, die er nicht zu meistern verstand, die ihn auch in der Setzung von Akzenten wie in der Gestaltung der Personen unsicher machte. Die Titelfigur ist eine Lehrerin aus kleinbürgerlicher Familie, die von ihrem Beruf mehr bedrückt als erfüllt ist. Sie lebt neben einer kranken Mutter und einer verbittert gewordenen, verblühten Schwester. Ist es eine späte Liebe oder nur selbstloser Edelmut, die sie Beruf, Familie, guten Ruf zurückstellen lassen, um einem fragwürdigen Mann zu helfen, der hinter jedem Weiberrock her ist, ein Künstler sein will und im Leben wie in der Künstlerschaft immer wieder versagt? Immerhin wäre bei guter Regie wenigstens ein Achtungserfolg zu erreichen gewesen. Friedrich Kallina, Wien, der auch als Berater des Autors genannt wird, konnte sich indes nicht entscheiden, ob er das Stück seriös oder als Travestie bringen sollte. Der Grundfehler der Regie ist die falsche Anlage der Rolle des dubiosen Künstlers, gespielt von Ernst Ernsthoff, nicht als eines immerhin ringenden, sondern eines minderwertigen Menschen. Dadurch verliert das Stück die Glaubwürdigkeit und Helga David als die opferbereite Braut steht zwar ehrenvoll, doch auf einem verlorenen Posten. Eine ausgezeichnete Lei stung bietet Uta Wagner in der Titelrolle. Sie überspielt die Schwächen und findet echte Töne. Vorbildlich meistert auch Margit Reber die undankbare Rolle der älteren Schwester, die keinen echten Lebenssinn mehr sieht und sich an Äußerlichkeiten als Lebensinhalt klammert. Mit guten Leistungen sind noch zu nennen Maria Hanke, Rudi Joksch und Rolf Döring, während sich die an sich guten Darsteller Martha Jenisch, Fritzi Bauer und Brigitte Stefan zu einem exzessiven Überspielen ver-führen ließen. Ein lauer Beifall dankte für die guten Leistungen.

Das Linzer Landestheater bringt in den Kammerspielen Jean Paul Sartres „Die Fliegen”. Das Stück basiert auf der von Sartre eigenwillig umgemodelten Orest-Tragödie. Dieses Werk sollte 1943 seine Landsleute — antik getarnt — aufrütteln, verfolgt aber auch eine aggressiv atheistische Tendenz. Orest ist der existentialistische Prototyp des völlig isolierten, in ein Meer von Angst geworfenen, zur „Freiheit verdammten” Menschen. Die Linzer Aufführung wurde vom Dramaturgen Dr. Fritzdieter Gerhards auch regiemäßig sorgfältig vorbereitet. Paul Struck schuf ein nicht an Zeit noch Ort gebundenes Bühnenbild und Kostüme, die die antike Tarnung eines dem Wesen nach modernen Spieles andeuten. Für eine dezente musikalische Untermalung sorgte Doktor Lutz Teschendorff, für die choreographische Betreuung Jean Pierre Genet. Als Orest bietet wieder Udo Richter eine darstellerisch wie sprachlich vorbildliche Leistung. Er findet eine ebenbürtige Partnerin in Uta Wagner als Elektra, die ohne Verletzung des Ebenmaßes ihre Rolle zu hoher Wirkung ateigert. Der zunächst die durch das Konzil aktuell gewordenen Fragen der Liturgie, soweit sie den Kirchenraum betreffen. Die wesentlichen Tendenzen: die im Halbrund nahe am Altar gruppierte Gemeinde, die Trennung des Wortgottesdienstes vom Altar (Kanzel und Ambo), die Trennung der Eucharistie vom Altar (Tabernakel). Weiter: Ist die Kirche nur Gehäuse, Herbeige der Kulthandlung, deren Vollzug allein wichtig ist. oder ist sie unverrückbare und ausgezeichnete Kulturstätte? Bezüglich der liturgischen Neuerungen war bald klargestellt, daß sie keineswegs eine Garantie für Qualität sein, vielmehr bald zu Argumenten der Mittelmäßigkeit werden können. Im folgenden wurde die Frage der Qualität ausgeklammert, eine Verständigung darüber vorausgesetzt; über die Qualifikation heutiger Auftraggeber war bereits früher („Kunst und Gesellschaft”) gesprochen worden.

Die Antinomie Kulthandlung — Kultstätte, die Gesichtspunkte Mahl (Ferdinand Klostermann) und Mal (Günther Feuerstein) bestimmten die Diskussion jedoch weiterhin, wenn auch in verschiedener Gestalt. Die Kirche beherrscht nicht das öffentliche Leben, daher ist ihre Bescheidenheit angemessen (Günter Rom- bold); sie soll einen ruhigen, abgeschiedenen Bereich neben dem Getriebe, eine bewußte Kargheit neben dem Komfort aufweisen (Roland Rainer). Aber: Wenn die Katholiken von ihrer Rechtgläubigkeit überzeugt sind, sollen sie machtvolle bung. Seine Schilderung des neuen Kirchenraums ist natürlich im Zusammenhang mit den Kirchenentwürfen der Arbeitsgruppe 4 von Interesse. Er forderte („ohne Begründung”): den großen, freien Raum, eher zentral, aber doch gerichtet; axial ausgewogen, aber nicht notwendigerweise symmetrisch, Leichtigkeit; eine gewisse Charakteristik des Lichts und der Akustik; die Einmaligkeit, Physiognomie; das Vollendete, nicht Erweiterbare. Die liturgischen Fragen sind noch in Schwebe; müssen die Architekten warten, bis die Theologen eindeutige Programme liefern können (Josef Lackner)? Vermutlich wird dieser Zustand nie eintreten; es gibt immer zahllose Variationen der orthodoxen Theologie. Die liturgische Beratung wird mehr praktischen Charakter haben; der Architekt ist es, der die Gestalt schaffen muß (Otto Mauer).

Was eine Diskussion leisten kann, wurde erreicht: Sie brachte sowohl die behandelten Probleme als auch die Positionen der Teilnehmer zur Entfaltung.

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