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Der Jux des Thornton Wilder

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„Ja, ich habe mich einen Jux gemacht!“, bekennt Thornton Wilder in einem freundlichen Brief an das Grazer Theaterpublikum aus Anlaß der österreichischen Erstaufführung seiner 1954 geschriebenen Farce „TJie Heiratsvermittlerin“. Und weiter in demselben Brief: „But what courage!“, dieses Stück in Oesterreich zu spielen, meint er, in Oesterreich, wo die Vorlage des neuen Wilder-Spieles — nämlich Nestroys „Einen Jux will er sich machen“ — zu Hause ist. Gegen die Vorliebe Thornton Wilders für Nestroy und seine Spürnase für gute Lustspielstoffe ist nichts zu sagen, auch gegen die Adaptierung einer Posse des österreichischen Komödienschreibers für das amerikanische Publikum nicht, um so mehr, als sich Wilder darauf berufen kann, daß die Vorlage für den „Jux“ einem englischen Lustspiel entstammt, die „Urfassung“ — sofern in solchem Fall zu einer Urfassung vorzudringen überhaupt möglich ist —, also aus dem angelsächsischen Kulturkieis kommt. Aber was hat das mit uns zu tun?

„Die Heiratsvermittlerin“ ist ein ganz gewöhnliches Lustspiel ohne die Besonderheiten der Wilderschen Technik. Obwohl auf lange Strecken in Aufbau und Text getreue Nestroy-Kopie, weist es doch einige Acnderungen gegenüber dem Original auf. Am bemerkenswertesten ist die Einführung der Heiratsvermittlerin, die nunmehr als Marionettenspielerin und Drahtzieherin an die Stelle des Nestroyschen Zufalls tritt. Daneben ist auch ein Wechsel in der Grundhaltung zu erkennen: vieles ist entschärft, zahmer und auch herzlicher geworden. Am deutlichsten wird dies an der Figur des Weinberl (hier heißt er Cornelius Hackl): unter Wilders Händen wird daraus eine geradezu poesieumflosscne Gestalt, die zusammen mit dem vor Lebenserwartung zitternden Barnaby — alias Christopherl — kleinbürgerlich-romantische Sehnsucht nach dem großen Abenteuer verkörpert. Die zart getönte und heitere Aufführung unter Harald Benesch mit sehr ansprechenden Schauspielerleistungen konnte die Frage nach der Berechtigung dieses amerikanisierten Nestroy für uns hier nicht verstummen machen. Wilder ist ein ehrenwerter Mann und ein echter Dichter. Aber warum so viel Aufhebens um eine nette kleine Gelegenheitsarbeit für amerikanisches Publikum? Wenn schon „Jux“, dann bitte von Nestroy!

Ein Amerikaner, der zwar kein Dichter, aber dafür ein guter Stückebauer ist, Robert Anderson, kam in einer glänzenden Aufführung unter Everard d'Harnoncourt heraus. Das Schauspiel „Einzelgänger“ wurde anläßlich seiner Josefstädter Premiere in der „Furche“ bereits gewürdigt. In Graz rief es einige Debatten hervor.

Der Vollständigkeit halber sei noch angeführt, daß der vor gar nicht langer Zeit wiederentdeckte „Floh im Ohr“ von Fey d e au auch in den Grazer Kainmerspielen seine meist banalen, aber die Lachmuskel reizenden Sprünge tut. Dieser recht billige Schwank verdankt seinen Erfolg nicht zuletzt der geschickten Führung seiner Darsteller durch den Regisseur Heinz Gerstinger, der damit bewies, daß er die lockere Hand und die nötigen Einfälle auch für dieses Genre besitzt.

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