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Der k. k. Buchhaltungsoffizial Mozart

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Auf dem alten Friedhof in Karlsbad wurde eine verwitterte Tafel aufgefunden mit der Inschrift: „Wolfgang Amadeus Mozart, Tonsetzer, 1791—1844.“

Der Sohn des grofjen Mozart, mit seinem richtigen Namen Frenz Xaver Wolfgang Amadeus, geboren am 26. Juli 1791, hatte den gröfjten Teil seines Lebens als Musiklehrer in Lemberg zugebracht. Fünfundzwanzig Jahre lang, von 1813 bis 1838, hatte er Kindern des polnischen Adels, den kleinen Prinzessinnen Sapieha und Poniatowski, Klavierunterricht erfeilt und war dann, krank und müde, nach Wien zurückgekehrt, wo er noch sechs Jahre, bis zu seinem Tode in Karlsbad, ein armes und unbekanntes Dasein führte. Zur Heilung eines qualvollen Leberleidens war er in den böhmischen Kurorf gereist, wo er am 29. Juli 1844 starb, 53 Jahre alt. An seinem Sterbebette weilte Karl Mozart, k. k. Staatsbuchhalfungsoffizial in Mailand, der auf die Nachricht von der schweren Erkrankung seines Bruders nachKarlsbad geeilt war. Das Reisen war damals noch nicht so leicht wie heule. Deshalb kam der ältere Bruder zu spät an und konnte nur noch den Nachlafj übernehmen: Unbeschriebene Notenblätter, ein Etui mit einer Stahlbrille, ein kariertes Halstuch und eine unbezahlte Hofelrechnung. Die Biographen Mozarts wissen von diesem Sohne nur wenig zu berichten. Er sei ein gediegener Komponist gewesen und sei arm und elend gestorben. Zu seinen Lebzeiten wurden seine Kompositionen kaum aufgeführt, und heute sind sie vergessen, wenn nichf ganz verloren.

Noch dürftiger sind die Nachrichten über Karl Mozart, obgleich die Tatsache, dafj der k. k. Staatsbuchhalfungsoffizial mit einem Sohne Mozarts identisch ist, zweifellos der Phantasie einen grofjen Spielraum zumifjt. Karl Mozart war um sieben Jahre älter als sein Bruder Franz Xaver. Sie waren die Ueberlebenden von sechs Nachkommen, von denen vier im zartesten Kincjesalter gestorben waren. Frau Efatsrat Konstanze von Nissen — so hiefj Mozarts Witwe, die wieder geheiratet hatte — war zwei Jahre vor Franz Xaver gestorben, und Karl Mozart war nun der letzte der Familie. Mailand war damals die Hauptstadt des lombardo-venetianischen Königreiches mit dem Sitz eines österreichischen Vizekönigs. Aber die österreichischen Offiziere und Beamten wurden seit dem Risorgimento von der Mailänder Gesellschaft boykottiert und führten ein stilles und unfrohes Dasein. Karl Mozart war freilich nur ein kleiner Beamter, und der Name Mozart öffnete keine Türen. Er hafte vom musikalischen Geiste seines Vaters keine Spur geerbt. Der Mailänder Musikverleger und Buchhändler Ricordi, dessen Ruhm durch ganz Europa ging, kannte Mozarts Sohn nicht, der täglich an seinem Laden vorüberging.

Glich er in seinem Aeufjeren seinem Vater? Wir wissen es nicht. Besuchte er die „Scala“? Das Teatro Canobbiana oder das Ballett im „Dal Verme“? Besuchte er die „Brem“, das berühmte Museum? Wir wissen nichts über Mozarts merkwürdigen Sohn. Nur ein Graf Sporck, ein böhmischer Adeliger, der als k. k. Major in Mailand Dienst gemacht hatte, erzählte viele Jahre später, er hätte mit Mozarts Sohn in einem Mailänder Cafe Billard gespielt.

Der k. k. Staatsbuchhalfungsoffizial Mozart starb vor hundert Jahren am 31. Oktober 1858, wenige Monate vor der Schlacht bei Solferino, die der österreichischen Herrschaft in der Lombardei ein Ende setzte. Sein Grab ist unbekannt. Die Biographen Mozarts haben es nicht der Mühe wert gefunden, den Spuren des Genius in seinen Nachkommen zu folgen und die Verflüchtigung, Verdünnung, Entartung oder gar Karikatur des Gölt-lichen zu suchen. Und doch steht man mit der Frage der Vererbung des Genius unmittelbar vor der Pforfe zum Wunderbaren, Unerforschlichen und Rätselhaften. In dem Probierglas der Götter ging nur ein winziger Tropfen verloren — und aus Mozarfs Söhnen wurden gewöhnliche Sterbliche, über die nur die staatsbürgerliche Matrikel berichtet; Geboren und gestorben.

Der sehr erfolgreiche Herr Redcenwaldt

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