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Der kleine Unterschied und die Psychoanalyse

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Darian Leader versucht es provokant - der nächste Psychoanalytiker, der an der Deutung der weiblichen Identität scheitert.

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Darian Leader versucht es provokant - der nächste Psychoanalytiker, der an der Deutung der weiblichen Identität scheitert.

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Man kann sich über gewisse unüberwindliche Barrieren zwischen Mann und Frau und über ihren unterschiedlichen Zugang zum Leben kränken, ärgern, oder auch daran verzweifeln.

Man kann darüber schmunzeln oder sich davon zu künstlerischen Werken beflügeln lassen. Oder man kann darüber ein kompliziertes Buch schreiben - wie der englische Psychoanalytiker Darian Leader, der sich an die psychoanalytische Erhellung jener dunkelsten seelischen Abgründe wagt, die Sexualität und Beziehungen so belasten.

So ungewöhnlich sein Zugang (er beruft sich dabei auf die beiden hochangesehenen Analytiker Jaques La-can und Theodor Reik), so provokant seine Überlegungen: Ganz stark, so meint er, wollen Frauen Objekt des männlichen Begehrens sein, und sie opfern dafür einen Teil ihrer Identität.

Was aber nicht so schwierig sei, denn laut Lacan gebe es ohnehin kein definierbares Wesen der Weiblichkeit, „wo die weibliche Identität sein sollte, ist eine Leerstelle".

Warum geben im Märchen Prinzessinnen so viele Rätsel auf? Der Freudschüler Theodor Reik meinte, weil Frauen selbst Rätsel sein wollen. Daraus resultieren unglückliche Beziehungen, denn entweder findet die Frau einen Mann, der sie nicht versteht und so ihre Phantasie nährt, oder sie findet einen, der sie versteht und den sie deswegen nicht begehrt.

Denn, so meint der Autor: Frauen wollen heimliche Beziehungen und werden eher von der Sehnsucht danach als vom Vollzug derselben beflügelt, Männer träumen von öffentlichem Sex. Frauen wollen die Liebe eines Mannes, Männer den Körper der Frau. Eine Frau kann ihrem Mann treu sein und ihn trotzdem betrügen, weil ihre Wünsche immer auf ein „Gespenst" zielen, und nicht auf ein Wesen aus Fleisch und Blut.

Fazit: Nachdem Frauen von Phan tasie und Geheimnissen angeturnt werden, könne ein Mangel an Lust besondere Lust bedeuten.

Die Eifersucht der Männer wiederum wird in dieser Sicht genau dadurch verstärkt: Sie richte sich nicht gegen einen anderen Mann, sondern gegen die Autarkie der weiblichen Sexualität, die eben nicht nur von ihm als realem Menschen abhängig sei.

Männer bemühen sich - so Darian Leader - um exakte Erklärungen von Beziehungsproblemen, um sich an diesem Baster festzuhalten. Frauen begnügen sich mit der Ahnung von Wahrheiten, die zwischen den Worten und Zeilen liegen. Und das kompliziert die Kommunikation und Streitkultur zwischen Mann und Frau ungemein.

Auch Geschenke von Männern oder Geld sollen dazu dienen, Beziehungen „dingfest" zu machen, womit sie das Gegenteil erreichen. Je mehr materielle Zuwendungen, desto skeptischer reagieren Frauen: Hat er vielleicht auf symbolischer und damit erotischer Ebene nichts zu bieten?

Nach der Lektüre des Buches weiß man, was man schon vorher ziemlich deutlich gewußt hat: Es ist eine komplizierte Materie, die nicht nur Psy-

choanalytikern keine Ruhe läßt, wobei diese an der weiblichen „Geheimniskrämerei" als Wissenschaftler offensichtlich ganz schön zu kie-feln haben. Lacan rächt sich dafür, indem er den Frauen - siehe oben - eine „Leerstelle" als Identität zuweist. Schon Freud hatte ja seine Schwierigkeiten mit der weiblichen Identität. So gesehen, ist das vorliegende Buch wohl eher eines für Männer, auch wenn es keine Lösungen anbietet, abgesehen von zwei wichtigen Ratschlägen: „Will man eine Frau erobern, sollte man eher über ihre Katze nett sprechen als über ihre Mutter" und seine Triebe nicht ohne eine ordenliche Portion Humor ausleben.

Aber das würde wohl jedes glücklich miteinander alt gewordene Ehepaar auch raten - ohne psychoanalytische Spezialkenntnisse.

WARUM FRAUEN MEHR BRIEFE SCHREIBEN, ALS SIE ABSCHICKEN

|p|: Von Darian Leader

Ü IIbersetzung: Barbara Jung und Sabine Ms>.M gaßmann

Goldmann Verlag, München 1996 188 Seiten, geb., öS 218,-

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