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Der Kopist des großen Meisters

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Fast alle hervorragenden Musiker standen mit ihren Kopisten in einem freund-schaftlichen Verhältnis. Hin und wieder kam es auch zwisdien ihnen zu Wortsdiar-mützel. Urköstlich liest sich zum Beispiel der Briefwedisel des Kopisten W o 1 a n e k mit Beethoven. Da heißt es unter anderem: „Dankbar bleibe ich für die erwiesene Ehre Ihrer mir zugekommenen Beschäftigung verpfliditet; was ferner das sonstige mißhellige Betragen gegen mich betrifft, so kann idi belächelnd selbes nur als eine angenommene Gemütsaufwallung ansehen. In der Töne Ideenwelt herrschen so viele Dissonanzen; sollten sie es nicht auch in der wirklichen? Tröstend ist mir nur die feste Uberzeugung, daß dem Mozart und Haydn, jenen gefeierten Künstlern, bei Ihnen, in der Eigenschaft als Kopisten, ein mir gleiches Schicksal zugeteilt würde. Ich ersuche nur, mich mit jenen gemeinen Kopiatur-Subjekten nicht zu vermengen, die selbst bei sklavischer Behandlung sich glücklich preisen, ihre Existenz behaupten zu können. Übrigens nehmen Sie die Versicherung, daß auch nur um eines Körnleins Wert- ich nie Ursache habe, meines Betragens “willen vor Ihnen erröten zu müssen. Mit Hochachtung ergebener Ferd. Wolanek.“ (1825)

Echter Beethoven ist die Antwort:

„Dummer Kerl! Mit einem solchen Lum-pcnkerl, der einem das Geld abstiehlt, wird man noch Komplimente machen. Statt dessen zieht man ihn bei seinen ekelhaften Ohren. — Schreibsudler! Dummer K“rl! Korrigieren Sie Ihre durch Unwissenheit, Übermuts Eigendünkel und Dummheit gemachten Fehler, dies schickt sich besser, als mich belehren zu wollen, denn das ist gerade, als wenn die Sau die Minerva belehren wollte. Beethoven.“

Der Kopist Anton Bruckners in den achtziger und neunziger Jahren war kein so „dummer Kerl“. Er war städtischer Offizial in Steyr, hieß Leopold Hofmeyer und hat auch an dem Werk „Aller Ehren ist Österreich voll“ mitgearbeitet; es ist dies eine bildlich-deklamatorisch-musikalische Arbeit, wozu die Musik zum Teil aus der Feder des Genannten stammt. Er wirkte fünfundzwanzig Jahre im Dienste der Gemeinde und pflegte in der Freizeit eifrig Musik. Am 17. März 1900 starb er nach einer Operation in Linz.

Bei den häufigen Besuchen und Erholungsaufenthalten in der altehrwürdigen Eisenstadt Steyr lernte Bruckner auch den Gemeindebeamten Leopold Hofmeyer kennen. Sein Vater war ein tüchtiger Instrumentenmacher, dessen sauber gearbeitete Violinen, gerne gekauft wurden. Als solcher war er mit dem jeweiligen Regenschori bekannt. Damals versah diese Stelle Bernhard Rücker, ein Prager Konservatorist. Bei diesem lernte der junge Hofmeyer Orgelspielen. Da der Chordirigent in Steyr in der damaligen Zeit zwei Kirchen zu versehen hatte, war ein Supplent nötig. Rücker ersuchte den musikalisch vorgebildeten Sohn Hofmeyers, diese Supp!i:r.ing zu übernehmen. Als im Jahre 1883 Herr Rüd;er eine schwere Verletzung an der .Hanci si :h zugezogen hatte, vertrat ihn Hofmeyet ein volles Jahr lang. Dadurch wurde der Stadtpfarrer und Kanonikus Arminger — ein guter Freund Bruckners, bei dem er stets Wohnung nahm und eingeladen war — auf ihn aufmerksam. Dieser lud Hofmeyer ein, öfters mit ihm vierh'indig zu spielen. Auf diese Weise machte uer mit Leib und Seele für Musik Begeisterte die Bekanntschaft mit Bruckner. Die erste Begegnung erfolgte im Jahre 1875.

In der Folgezeit wurde Hofmeyer bei jedem Ferienaufenthalt Bruckners dessen täglicher Gesellschafter. Wie nadistehender Brief zeigt, wendete sich Hofmeyer wegen einer höheren musikalischen Ausbildung an Bruckner, worauf ihm der Meister wie folgt antwortete:

„Lieber junger Freund! Ihre Frage betreffend, kann idi nur das Gesagte wiederholen: Man braucht in diesem Fache absolut einen tüchtigen Leiter, denn selbst die Schriften würden nach meiner Meinung ohne obgenannten Lehrer unverstanden oder schlecht verstanden bleiben. Also: Geld, Unterstützung, Stipendium, Herr Kanonikus, sind Ihre Losungsworte. Ihr Freund Anton Bruckner, Wien, 6. August 1878.“

Hotmeyer war in allen Kreisen der Stadt gerne gesehen und als Musiker beliebt. Er hatte nicht nur großes Verständnis und brillante Auffassung für klassische Musik, sondern war auch in dem theoretischen Wissen sehr bewandert, sowohl in Harmonielehre wie im Kontrapunkt sehr beschlagen. Als Pianist trat er oftmals in die Öffentlichkeit, sein Orgelspiel war stets voll Geist und Phantasie. Bruckner nannte ihn gern „seinen Schüler“ und übertrug ihm jahrelang das Kopieren seiner Manuskripte, was sidi Hofmeyer zur größten Ehre anrechnete. Oft sah ma Meister Bruckner in Steyr auf der Promenade oder im fürstlich Lambergischen Schloßpark an der Seite Hofmeyers wandeln und dann in lauen Nächten in Sinzingers Gastgarten bei dem echten oberösterreichisdien Nationaltrunk, beim Most, im trauten Gespräch.

Als Bruckner wieder seine Pflichten nach Wien riefen, schrieb er Hofmayer wiederholt. Unter anderem':

„Edler Secretär! Treues, teures Herz! Viel Dank für Ihre Güte! Erlaube mir, zehn Gulden Oe. W. beizuschließen worüber ich noch großer Schuldner bleibe. Könnte ich Sie manchmal in Wien haben! Glückliche Feiertage! Gutes, neues Jahr! Dankend und herzlichst grüßend Ihr Anton Bruckner, Wien, 17. Dezember 1886.“

Vom 2. Februar 1890 erhielt Hofmeyer folgende Zeilen:

Regenbogen üher Island

Glühender Bogen! Nirgends so gespannt wie hier von Bucht zu Bucht der Inselküste vor dunkles Wolkengrau, so stark, als müßte ihn widerspiegeln das bestrahlte Land!

Stürme, so maßlos hier, wie nirgends je — Eisfeuchte Schauer, bis ins Mark gedrungen — Nachtgleiche Tag und nie zu End' gesungen das Schreckenslied der nordgepeitschten See —

Dennoch, von Urzeit her, deS Friedensbogen immer noch hell, im unqekränkten Glanz der hohen Botschaft und die Welt noch ganz glücksträchtig steigend aus den Schöpfungswogen!

Dr. Melitta Urbantschitsch, RejVjavik

Aus „Vom Rand der Well“

„Lieber Freund! Sie haben alles herrlich geschrieben. Danke herzlichst und werde Ihre prachtvolle Abschrift ebenfalls als Heiligtum betrachten. Werde später wieder bittend belästigen. Beiliegend fünf Gulden. Ihrer Gnädigen meine tiefste Verehrung! Polderl — meine Küsse! Mit Gruß Ihr Anton Bruckner.“

„Polderl“ war ein Sohn Hofmeyers. Die übersandten Geldnoten waren Dankesbezeigungen Bruckners für besorgte Ab-schreibarbeiten.

Wertvolles beinhaltet das nachstehende Schreiben vom 8. November 1889. Der „Micherl“, von dem Bruckner schreibt, ist nicht etwa wie der „Polderl“ ein Menschenkind, sondern — die Achte Symphonie. Wir wissen, daß Bruckner dieses Kolossalwerk im Stadtpfarrhof in Steyr vollendete; im Juli 1885 das Scherzo, im August das Finale. Die Umarbeitung der ersten Sätze vollzog Brudcner 1889 zum Teil in Wien, zum Teil wieder in Steyr. Bruckner nannte das Scherzo gern „Der Deutsche Michel“. Einzelne Stellen bezeichnete er mit „der Micherl möchte schlafen“, „er wird beim Ohr gezupft“. Im Trio „träumt der Micherl ins Land hinaus“, wir hören „Das Gebet des Micherl“. Auch im Adagio und Finale finden die „Michel“-Themen entsprechend umgefärbte charakterisierte Verwendung.

Bezüglich der erwähnten Ersten Symphonie verweise ich darauf, daß Hans Richter 1884 einer Vorführung auf zwei Klavieren, von Löwe und Josef Schalk gespielt, beiwohnte. Richter war davon so begeistert, daß er die Partitur sogleich mitnehmen und in den philharmonischen Konzerten die Symphonie aufführen wollte. G ö 11 e r i c h erzählt, daß ihm Bruckner nachrannte und meinte: „'s Beserl muß erst ausputzt werd'n!“

Der Brief an Hofmeyer hat folgenden Wortlaut:

„Theurer Freund! In Sicht Ihres für mich so freudigen Namensfestes, wünsche ich Ihnen alles Glück und allen Segen! Gott wolle Ihre eigenen Wünsche erfüllen! Den kleinen Polderl küssen Sie für mich. Ihrer Frau Gemahlin meine innigsten Grüße! Was macht der Micherl? Ich sende Ihnen zug'eich seine Gefährtin, das Trio, und lege indessen bis Sie mir die Rechnung senden werden a Conto 10 fl. bei. Hofk. Hans Richter schwärmt unaussprechlich für meine 1. Sinfonie. Er ist mir mit der Partitur davongelaufen, läßt sie abschreiben und führt sie in einem philh. Concerte auf, nachdem er mich weinend abgeküßt und mir die Unsterblichkeit prophezeit hat. Ich staune! Hr. Dorfer grüße ich und bitte ihn, sein Versprechen zu erfüllen hinsichtlich Hr. v. Ritterstein, habe noch keine Fotografie bekommen. Nochmals gratulierend Ihr Anton Bruckner. Wien, 11. November 1889.“

Den Namen D o r f e r kennen wir; dieser war zwar unmusikalisch, erwies aber Bruckner viele Gefälligkeiten, erkundigte sich über die eine oder andere weibli'e Schöne, die Bruckners Interesse erweckte. In diesem Zusammenhang taucht auch der Name von Ritterstein auf, der eine Tochter hatte, die des Meisters Gefallen fand.

Auf gewisse „Herzensangelegenheiten“ — diese waren bei Bruckner stets von harmloser und moralischer Art — bezieht sich auch der nächstfolgende Brief an Hofmeyer:

„Mein lieber Freund! Stiftsorganist Gruber schrieb mir aus St. Florian vom 2. Mai d. J. Herr Chorregent Bayer in Steyr wird Ihnen ehestens eine freudige — Mitteilung (in gewisser Herzensangelegenheit —) machen. Gruber muß auch im Stifte davon erzählt haben, da idi von einem Stiftsgeistlichen ebenfalls hierüber einen Brief erhielt. Ich erlaubte mir vor einigen Wochen an einen Herrn zu schreiben, was dies bedeuten soll, und ersuchte um Aufklärung, doch Herr . . . gibt mir keine Antwort. Wie oft erinnere ich mich jetzt jener Worte, die Sie zu mir über die Aufrichtigkeit des genannten sprachen!! War vielleicht Frl. Braut Baileitner mit ihrem — entzwei? Seien Sie gütigst besorgt, dies alles für mich zu erfahren. Fragen Sie Herrn . . . was er meinte; Ihnen wird er doch Aufklärung geben, und schreiben Sie mir den Stand der Situation ganz genau. Werde gewiß dankbar sein. Herrn Dorfer fragen Sie, bitte ich sehr, über alles bei Ritterstein. Wie oft war er dort? Was sprach man? Wo ist er jetzt? Ich hörte einiges, was ich nicht glauben könnte. Sehr freue ich mich auf allerg e-nauesten Aufschlüsse. Lassen Sie sich die Mühe nicht gereuen und erkundigen Sie sich bei mehreren eingeweihten Personen. Auch Herr Stadtpfarrer schrieb mir heuer nicht. Ich meine, daß da manches im Zusammenhang stehen dürfte.

Ihrer Gnädigen meine herzliche Empfehlung! Herr Dorfer soll auch selbst schreiben. Gruß an ihn! Tausend Grüße an meinen lieben Secretär. Ihr Anton Bruckner. Wien, 4. Juli 1890.“

Alle die Briefe und das freundschaftliche Verhältnis des Meisters zu seinem Kopisten Hofmeyer beleuchten uns die liebenswürdige, seelensgute Seite des Menschen Bruckner.

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