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Der kranke Bauer zu Nathal

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Weniger als Einstieg denn als Kontrapunkt zur Aufführung von j,Heldenplatz” im Frankfurter Schauspielhaus ist die Thomas-Bernhard-Ausstellung in dessen Foyer zu betrachten. Ist auf den Fotos doch ein anderer Bernhard zu sehen als der österreichverdrossene Professor Schuster. Hier ist vielmehr die Kehrseite der Haßtiraden auf die Alpenrepublik dokumentiert: Thomas Bernhard, der im Oberösterreichischen drei Bauernhäuser erworben und mit Akribie und ungeheurer Liebe zum Detail renoviert und damit ein Gegenbild zu dem von ihm als so verlogen erlebten Kulturbetrieb geschaffen hat.

Freilich, wer deshalb glaubt, den „Bauer zu Nathal”, wie auf dem Inhaberschild seines Traktors zu lesen war, für eine ländliche Idylle vereinnahmen zu können, wird sich in der Ausstellung sowohl durch die dort auf zwei Monitoren ausgestrahlten ORF-Fernsehinterviews mit Bernhard als auch durch die unter den Fotos angebrachten Textpassagen aus seinen Werken schnellstens getäuscht sehen. Denn da kann man etwa lesen: „Ich bin ja an sich kein Landmensch. Die Natur interessiert mich überhaupt nicht, weder die Pflanzen noch die Vögerl, weil ich die sowieso nicht unterscheiden kann voneinander und noch heut' nicht weiß, wie eine Amsel ausschaut.” Das ist natürlich, wie so vieles des „Übertreibungskünstlers”, stark übertrieben; und doch wäre man schlecht beraten, diese Sätze nicht ernst zu nehmen.

Die Übertreibung ist für Bernhard ein Stilmittel zur Beschreibung einer komplexen Wirklichkeit, die sich anders nicht beschreiben läßt. Es ist, zusamnfen mit dem bernhard-schen Sprachduktus, seine Methode, der österreichischen sowie der Widersprüchlichkeit des Lebens an sich, Ausdruck zu verleihen.

Typisch für die permanente Spannung zwischen Leben und Tod, in der sich der immer kranke Bernhard befand, ist unter anderem die Tatsache, daß er Waffen liebte, aber Jagd und Jäger haßte, daß er den „konzessionierten Herrgott” „im registrierten Religionsverein” ablehnte, den Herrgottswinkel mit dem Kruzifix aber so beließ, wie er ihn beim Kauf des Hauses in Ottnang vorfand, und daß er zu Erkenntnissen gelangte, die auch von dem von ihm für die österreichische Unkultur mitverantwortlich gemachten Bruno Kreisky hätten stammen können: „Jeder sagt etwas anderes. Man selber sagt auch jeden Augenblick etwas anderes.” Die vielfach apodiktischen Urteile Bernhards werden auf diese Weise meist sofort wieder relativiert, ohne sie deshalb ungültig zu machen. Genau das versucht diese von Erika Schmied (von der die meisten Fotos stammen) gestaltete Ausstellung deutlich zu machen.

Der ruhelose Bernhard brauchte immer wieder die ländlichen Fluchtbeziehungsweise Ruhepunkte: den Hof in Obernathal bei Ohlsdorf, die „Krucka” am Grasberg und das Haus in Ottnang, wo er sich eine Gegenwelt schuf, wo alles klar, einfach und geordnet war. Vielleicht ist das am besten an dem Foto der Galerie an Schuhen, die geputzt und nach Wettertauglichkeit sortiert aufgereiht sind, zu erkennen.

Das Buch zur Ausstellung über „Thomas Bernhards Häuser” ist -vermutlich nicht unbedingt in seinem Sinne - im Salzburger Residenz Verlag erschienen.

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