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Der Magier der Feder

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ÜBER HANS FRONIUS und sein Werk ist schon so viel Gültiges und Erschöpfendes geschrieben worden, daß ich mich in meinen kurzen Ausführungen auf jene Persönlichkeiten berufen darf, die viel mehr als ich zu sagen haben.

Als Sohn eines Arztes im damals österreichischen Sarajewo geboren, wo er übrigens einen seiner stärksten Jugendeindrücke, das Attentat auf Thronfolger Franz Ferdinand, 1914, erlebt, entstammt der Künstler mütterlicherseits der ausgedehnten und bedeutenden Malerfamilie Passini. Der Zusammenbruch Österreichs 1918 bringt ihn nach Wien, Studien an der Akademie bei Sterrer und Delug folgen. Über diese Jahre schreibt Otto Benesch in seiner großen Monographie 1953 über Fronius: „Es war eine Zeit, trächtig von großen Dingen des Geistes. Sie warfen ihren Schatten in die Schulwelt des jungen Akademikers. Wie ein Meteor taucht unter den Arbeiten des Akademieschülers 1927 plötzlich eine Tuschpinselzeichnung auf, die eine Szene aus Kafkas Prozeß' illustriert. Die eigentliche Bahn des Künstlers zeichnet sich zum erstenmal ab. Er reicht aus den Grenzen einer lokalen Schulwelt in eine universale Geisteswelt hinüber, tastet nach Dingen, die zum eigentlichen Inhalt seines Schaffens werden sollten.“

Es folgen die Reisen in die Länder Europas, nach Deutschland, Italien, Dänemark und Paris. So gewann Fronius den europäischen Horizont, der mit zum Wesen seiner Kunst gehört. Zu den Eindrücken der hohen Kunst kamen die des Reiches der Dichter. Ein paar Namen nur, aufgezählt, charakterisieren die Welt, in die Fronius sich zunächst und später als Illustrator vertieft: Kafka, E. A. Poe, Tolstoi, Dostojewski, Balzac, Julien Green, Thornton Wilder, Stevenson und Georg Trakl.

1930 LEGTE FRONIUS die Lehramtsprüfung ab und wurde Mittelschulprofessor für Geometrie und Zeichnen in Graz und dann für lange Jahre in dem kleinen Grenzstädtchen Fürstenfeld. Im selben Jahr gründete er eine Familie. —

Das ruhige Leben in einer Provinzstadt scheint in seltsamem Widerspruch zur unheimlichen inneren Bewegtheit der Welt des Künstlers zu stehen. Der Widerhall seiner in diesen Jahren geschaffenen Werke spricht am deutlichsten aus dem jahrelangen Briefwechsel mit Alfred Kubin, mit dem ihn innige Freundschaft verband. Kubin schreibt ihm aus Zwickledt am 24. Juli 1934: „Ihre Blätterfolge zu ,Christine' ist ein geschlossenes Meisterwerk der Zeichnung (etwa wie Alpha und Omega von E. Münch). — Hier hat sich Ihre Eigenart völlig konkretisiert... hier ist's erreicht.“

Über die Mappenwerke von Hans Fronius, „Zeichnungen um Shakespeare“, urteilt Kubin: „Ihre ,Morgue' eine Serie von einer Durchschlagskraft und in der graphischen Form go eindringlich, wie es keine andere Hand machen könnte. — Ich weiß nicht wie! — Man riecht diese unbarmherzigen Blätter. Bei S. sah ich die Shakespeare-Blätter, dieselbe Vollendung.“

IN EINEM BRIEF an Hans Fronius schreibt der in den USA lebende Dichter Johannes Urzidil über die Kafka-Mappe, eingeleitet von Otto Mauer, „nach so vielen für uns alle und gewiß auch für Sie schweren Jahren begegnet mir die Freude, von Ihnen Ihre neuen Blätter zu Kafka zu erhalten. Diese sind womöglich noch stärker und tiefer“... Und weiter „das Bildnis auf dem Titelblatt, die symbolische Darstellung des letzten Blattes sind vollendete Kafka-Porträts. So habe ich ihn gekannt und gesehen und über die Brücke sah ich ihn so gehen und habe ihn auch zuweilen auf solchem Weg in unserer Heimatstadt begleitet. Wie stark müssen auf mich, gerade auf mich, diese Blätter wirken.“

Ähnliches und zum Teil noch Eingehenderes lesen wir in den Briefen von Hermann Broch und Reinhold Schneider. Köstlich eine Widmung von Werner Bergengruen, mit dem ihn langjährige besonders herzliche Freundschaft verband. Vom 30. Dezember 1963 sind die Verse:

„Ad Fronius

Kaiser und Maronibrater Dichter, Dirne, Werner Krauss — herrlich lebt sich das Theater zur Unendlichkeit hinaus.

Niemals werd' ich satt, zu blättern: Schönstes Bilderbuch der Welt. Hört die Ouvertüre schmettern! Vorhang steigt — und Vorhang fällt.“

Zu dieser Zeit war Fronius mit seiner Familie schon nach Perchtoldsdorf übersiedelt nach den 30 Jahren seiner Tätigkeit als Professor, in welche auch die Kriegsjahre 1943 bis 1945 fallen, die ihn zum Felddienst nach Rußland und Italien führten.

Sein Werk wurde 1955 in der großen Monographie von O. Benesch, dem unvergeßlichen Direktor der Albertina, mit einem Katalog von Werner Hofmann in schönster Weise gewürdigt. In der Einführung bringt Benesch ein eindrucksvolles Lebensbild des Künstlers.

DAS OEUVRE UMFASST, seither bedeutend erweitert, Graphik und Malerei. Letzteres, noch wenig bekannt, besteht aus Porträts, Landschaften und Kompositionen. Die Graphik als Illustration aus etwa 50 von ihm illustrierten Werken obgenannter Dichter und anderer am weitesten in aller Welt verbreitet, steht neben seiner freien Graphik wie etwa die Landschaft (O. Benesch: „Fronius' Landschaftsblätter gehören zu den schönsten Zeichnungen der Gegenwart“) als Gegengewicht zur unruhigen Figurenwelt, so wie freie Einfälle (Capricios, imaginäre Porträts und Theater).

Und wenn wir noch einen Augenblick bei dem Eindruck seiner persönlichen Erscheinung verharren, so lassen Sie mich noch kurz in dem Buche vom Reinhold Schneider blättern, dem letzten Werk dieses großen Dichters, „Winter in Wien“. In diesem Buch werden mehrere Male Begegnung mit Fronius erwähnt. Wir lesen: „Hans Fronius kam am Nachmittag in seiner strahlenden Kraft, die so vieles verdeckt, was sein Werk aussagt.“ Oder: „Mit Hans Fronius und seiner Frau im Beisel, er: Zauberer auf der Höhe des Vermögens, zu durchschauen und zu gestalten, von Schatten umringt und doch ganz da.“

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