Der Rechtsanwalt mit Lehrabschluss

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Einst "Problemschüler", wurde Sebastian Manschiebel Anwalt.

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Einst "Problemschüler", wurde Sebastian Manschiebel Anwalt.

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Nach einer Lehre stehen einem noch alle Möglichkeiten offen. Ich bin das beste Beispiel dafür. Bei mir hat sich schon in der Volksschule abgezeichnet, dass es im Gymnasium schwierig werden könnte, weil ich eine eklatante Schwäche im mathematischen Verständnis habe. Die Aufnahmeprüfung habe ich nicht ernst genommen und natürlich hat es nicht geklappt. Für meine Eltern - Zahnarzt und Lehrerin - war das ein Schock.

Die Hauptschule hat sich aber gar nicht als der vorgezeichnete Horror entpuppt. Mit einigen Schulkameraden bin ich heute noch gut befreundet. Doch in der vierten Klasse ist es wieder losgegangen: Wohin jetzt? Für die 9. Schulstufe war ich an einer Privatschule in Wien, bis ich die glorreiche Idee hatte, in die HTL Hollabrunn zu wechseln, weil dort meine Freunde waren. Das war eine krasse Fehlentscheidung. Nach diesem Jahr gab es nur zwei Möglichkeiten: Ein drittes Mal die 9. Schulstufe oder eine Lehre.

Kurzerhand bekam ich eine StelleineinerAutowerkstatt.Daswareine wohltuende Realitäts-Watsche. In der Lehrzeit kommt man drauf, dass es etwas wert ist, eine gewisse Zeit zu überstehen. Mit jedem Jahr erarbeitet man sich Vertrauen und Prestige. Bei mir hat es vier Jahre lang gedauert, weil ich eine Doppellehre gemacht habe.

Von der Werkstatt in den Hörsaal

Die Berufsreifeprüfung habe ich parallel zum Zivildienst absolviert. Ich begann mich für Medizin zu interessieren, aber merkte, dass ich zu mitleidend für den Arztberuf bin. Für angehende Medizinstudenten ist der Zivildienst ideal. Ich glaube, dass man sich zu selten damit auseinandersetzt, wie das angestrebte Berufsbild praktisch aussieht.

Einen sicheren Arbeitsplatz hat man auch nach einem Jus-Studium, dachte ich mir und so begann ich ohne Erwartungshaltung mit den Rechtswissenschaften. Sofort war ich begeistert, wusste aber nicht, ob ich reinpasse. Ich habe auf der Uni nie jemanden kennengelernt, der eine Lehre gemacht hatte. Während des Studiums habe ich einmal in der Woche in einer Kanzlei gearbeitet. Damit war mein Berufsziel klar: Ich wollte Rechtsanwalt werden, weil dieser Beruf neben den unterschiedlichsten Rechtsfragen auch Menschenkontakt mit sich bringt.

Heute sehe ich mich durch meine Arbeit darin bestätigt: Ich finde es total spannend, mich in ein Gerichtsverfahren hineinzuknien. Die meisten Kollegen hatten im Studium noch eine Reflexionsphase, in der sie plötzlich unsicher waren, ob ihre Entscheidung richtig war. Bei mir kamen diese Überlegungen nicht mehr. Mir war nach all der Zeit mein Ziel bewusst. Bei der Anwaltsprüfung empfand ich allerdings besonders viel Druck, weil es für mich keinen Plan B gab.

Mein Fokus umfasst die Beratung und Prozessführung im Bereich Arbeits-und Zivilrecht. Ich mag vor allem die großen Fälle, wo man sich durch riesige Stoffsammlungen durchackern muss. Da gleicht mein Genauigkeitsdrang die mathematische Schwäche aus. Mein Wunsch war es, die Anwaltsprüfung mit Auszeichnung zu bestehen, um mir nicht immer zu denken: "Eigentlich warst ein schlechter Schüler." Das ist mir gelungen. Ich habe das Trauma hinter mir gelassen. Seit der Gerichtspraxis arbeite ich in der Kanzlei Piplits&MacKinnon. Lange habe ich überlegt: Schreibe ich die Lehre in den Lebenslauf rein oder nicht? Und dann war die erste Frage beim Vorstellungsgespräch: "Haben Sie die Lehre abgeschlossen?" Das hat meinen Chef gleich interessiert, weil er für ein gutes Handwerk viel übrig hat. Bis jetzt habe ich für diesen Punkt im Lebenslauf eigentlich immer nur positives Feedback bekommen.

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