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Der reiche Osten

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Am 10. August sollte die Frist für die Rückkehr der Flüchtlinge ablaufen. Jordanien bat um Verlängerung, die wirklich bis zum 31. August gewährt wurde. Nach dem 31. August erklärte Sich die israelische Regierung nur noch bereit, Flüchtlinge im Rahmen der Vereinigung von Familien zurückzunehmen. Man nimmt an, daß insgesamt höchstens noch 7000 Flüchtlinge im „Rahmen der Familienvereiriigung“ zurückkehren wollen. Rund 75 bis 80 Prozent der Flüchtlinge vom Westjordanufer lebten auch vorher in Flüchtlingslagern und tauschten in Wirklichkeit nur ein Flüchtlingslager gegen ein anderes ein, oft in der vagen Hoffnung, dem reichen Osten, insbesondere Kuweit und Saudien, näher zu sein, um dort eventuell Arbeit zu finden.

... und der arme Westen

Es ist anzunehmen, daß die meisten Flüchtlinge nicht zurückkommen wollen, denn die wirtschaftliche Lage am Westjordanufer ist ziemlich kompliziert. Nur die Landwirte können ungestört ihrer Arbeit nachgehen. Doch in den Städten herrscht Arbeitslosigkeit, ähnlich wie vordem Krieg, und an vielen Orten vergrößerte sie sich noch, denn auch in Israel gibt es Arbeitslosigkeit, so daß man in der nächsten Zukunft von keinem Wirtschaftswunder in diesem Gebiet wird sprechen können.

Im Gazastreifen ist die Lage im allgemeinen unverändert gegenüber der Zeit der ägyptischen Okkupation. Hier muß betont werden, daß das feudale Jordanien den Flüchtlingen in den Flüchtlingslagern völlige Bewegungsfreiheit ließ und jeder das Recht hatte, sich Arbeit zu suchen und anzusiedeln, wo es ihm paßte. Ein Teil der Flüchtlinge aus dem Jahre 1948 gehört heute zu den Industriellenfamilien Jordaniens. Trotzdem waren es gerade diese, die dem König Hussein das Leben schwer machten und vielfach mit Achmed Shulieiri sympathisierten.

Im Gazastreifen hingegen lebten die palästinensischen Flüchtlinge wie in einem Konzentrationslager. Sie durften die Grenze des Gazastreifens nicht überschreiten, nur Auserwählte erhielten Ausreisegenehmigungen, und auch innerhalb des Gazastreifens gab es für sie keine Arbeitsvermittlung, so daß sie jahrelang zum größten Teil von den UNRWA-Rationen leben mußten, das bedeuteten 1000 bis 1500 Kalorien pro Tag.

Keine Dauerlösung abzusehen

Trotzdem sind gerade im Gazastreifen die Flüchtlinge das proägyptische Element, die ursprünglichen Einwohner dagegen fühlen sich viel mehr als palästinensische Araber und haben nur wenig für Ägypten übrig. Israel weiß, daß sich zur Zeit der größte Teil aller arabischen Flüchtlinge unter seiner Qberheirrschaft befindet. Da eine Einigung mit den arabischen Staaten in der nächsten Zukunft nicht auf der Tagesordnung steht, der heutige Status quo noch weiter besteben wird, will Israel allein versuchen, das arabische Flüchtlingsproblem wenigstens teilweise durch Ansiedlung im Westjordangebiet zu lösen. Bekanntlich beschäftigt sich ein 150köpfiges Spezialistenteam bereits seilt einigen Wochen mit der Ausarbeitung eines diesbezüglichen Ansiedlungs-planes. Als erster Schritt öffnete Israel seine Grenzen für die Bewohner des Gazastreifens, damit sie ihre Verwandten am Westjordanufer, die sie seit meistens 20 Jahren nicht gesehen hatten, besuchen konnten. Tagtäglich fahren einige hundert Araber aus dem Gazastreifen über Beer Schewa (Israel) nach dem Westjordanufer. Man hofft, daß sich auf diese Weise die Flüchtlinge mit ihrer eventuellen „zukünftigen Heimat“ vertraut machen können. Denn das Gelände am Westjordanufer ist zum großen Teil fruchtbar, während die Gegend des Gazastreifens sehr wasserarm und der größte Teil der Sinaihalbinsel Wüste ist, die ihre Arme bis in den Gazastreifen ausstreckt.

Auch im Norden des Landes flüchteten rund 50.000 Einwohner des Galan-Plateaus nach .Syrien. Doch hier kann von keiner Regelung gesprochen werden. Die syrische Regierung will immer wieder das Pulverfaß im Mittleren Osten schüren, und die Flüchtlinge sind ihnen Mittel zum Zweck.

Die Lage der Flüchtlinge kann mit viel gutem Willen gelindert, doch von einer Lösung dieses Problems kann in nächster Zukunft nicht gesprochen werden. Denn auch eine Neuansied-lung muß sich über Jahre hinziehen, und zur Zeit hat man erst mit dem Planen begonnen.

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