Der Schlächter von Polen

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Die erste Biografie über Hans Frank zeichnet das Bild eines NS-Karrieristen, der sogar Goebbels beeindruckte: Frank sei kein Generalgouverneur, sondern ein politischer Verbrecher.

Mit den Juden muss so oder so Schluss gemacht werden. Ich weiß, es wird an vielen Maßnahmen, die jetzt gegenüber den Juden getroffen werden, Kritik geübt. Bewusst wird immer wieder versucht, von Grausamkeit, von Härte usw. zu sprechen. Ich möchte Sie bitten, einigen Sie sich mit mir auf die Formel: Mitleid wollen wir grundsätzlich nur mit dem deutschen Volke haben, sonst mit niemandem auf der Welt."

Mit diesen Sätzen schwor Hans Frank, Generalgouverneur von Polen, seine Mitarbeiter im Dezember 1941 auf den Holocaust ein. Im Diensttagebuch, das er 1945 törichterweise den Alliierten übergab, stehen noch mehr Sätze, die sein Amtsverständnis beleuchten, zum Beispiel dieser: "Mein Verhältnis zu den Polen ist das Verhältnis zwischen Ameise und Blattlaus."

Ameise und Blattlaus

Im Generalgouvernement Polen kamen von 1939 bis 1945, während Frank dort regierte, fast sechs Millionen Menschen ums Leben, die Hälfte von ihnen Juden. Die meisten wurden ermordet oder starben an den Folgen der Besatzung. Mehr als eine Million Menschen wurden als Zwangsarbeiter ins Deutsche Reich verschleppt. Jetzt ist die erste Biografie des "Schlächters von Polen" erschienen.

Hans Frank, der 1906 geborene Sohn eines Rechtsanwaltes, studierte in München Jura und geriet dort in den Bannkreis Hitlers. Indem er, wenn auch in den hinteren Reihen, an dessen Putsch von 1923 teilnahm, wurde Frank ein "Alter Kämpfer" der Bewegung. Dieser Status sowie sein juristischer Beistand für die NSDAP und ihren Führer in der "Kampfzeit" ließen ihn nach 1933 rasch Karriere machen. Frank wurde bayerischer Justizminister, Reichsjustizkommissar und Reichsminister ohne Geschäftsbereich. Als "Reichsrechtsführer" gründete er den "NS-Rechtswahrerbund" und eine "Akademie für Deutsches Recht".

In Franks blumiger Fantasie war das Dritte Reich ein Rechtsstaat: ein Staat, in dem Juristen an der Macht waren. Das Rechtsgefühl sollte dem gesunden, also antisemitischen Volksempfinden folgen. Niemandem sollte Unrecht geschehen, ohne gesetzliche Erlaubnis. Frank hatte Hitler missverstanden: Hitler hielt nichts von Paragraphenreitern.

Bis ganz nach oben schaffte es Frank daher nicht. Aber es reichte für das Leben eines Herrenmenschen. Frank ließ sich von der Industrie einen fürstlichen Amtssitz in Berlin spendieren, erwarb einen Landsitz in Oberbayern und weitere Immobilien. So konnten er und seine Ehefrau Brigitte ihren amourösen Eskapaden nachgehen, ohne sich in die Quere zu kommen. Daneben widmete Frank sich intensiv seinen musikalischen Neigungen.

Eskapaden und Korruption

Als Hitler den alten Kämpfer am 15. September 1939 beauftragte, Rest-Polen zu verwalten und für das Deutsche Reich auszubeuten, war Frank bereits völlig korrumpiert. Mit seinen Verwandten und Mitarbeitern plünderte er das Land in einer Weise aus, die sogar Goebbels beeindruckte: Frank sei "kein Generalgouverneur, sondern ein politischer Verbrecher erster Klasse".

"König Stanislaus", wie Frank genannt wurde, residierte auf der Burg Krakau, wo er Hakenkreuzfahnen und geraubte Rembrandts aufhängen ließ. Er sperrte die Juden in Ghettos, förderte die Künste und hatte Scherereien mit der SS. Himmlers Schergen sahen sich von Franks Selbstherrlichkeit in ihrer "Volkstumsarbeit" behindert.

Frank wiederum fühlte sich von der SS bei seinen Raubzügen gestört. Doch man brauchte einander, denn die Lage im besetzten Polen wurde für die Deutschen immer ungemütlicher. Frank konnte sich nur mit Begleitschutz aus seiner Burg wagen, was die Polnische Heimatarmee aber nicht daran hinderte, ein (erfolgloses) Attentat auf ihn zu verüben.

In Nürnberg gehenkt

Am 2. Dezember 1944, als die Rote Armee bereits ante portas stand, ließ Frank im Krönungssaal seiner Burg die "Krakauer Begrüßung" aufführen, ein sechs Minuten dauerndes Musikstück, das der Komponist Hans Pfitzner für seinen Freund den Generalgouverneur komponiert hatte und an jenem Abend eigenhändig dirigierte. Hundert Flaschen Sekt und Wein sowie 10.000 Reichsmark soll Pfitzner von seinem Mäzen für diese musikalische Gefälligkeit erhalten haben. Dank der Vorarbeiten des Frank-Biografen ist die Partitur der legendenumwobenen "Krakauer Begrüßung" jüngst wiederentdeckt worden.

Hans Frank hielt sich trotz notorischer Unfähigkeit bis Januar 1945 in seinem Amt. Von den Alliierten in Oberbayern aufgegriffen, wurde er in Nürnberg vor Gericht gestellt und am 16. Oktober 1946 gehenkt. Kurz vorher trat er in die katholische Kirche ein.

Dieter Schenks Frank-Biografie ist solide aus den Quellen recherchiert. Sie ist etwas langatmig, kann aber auf die Faszination des Widerwärtigen rechnen. Viele Hinweise hat Franks jüngster Sohn Niklas beigesteuert, der vor Jahren in einem eigenen Buch mit dem Vater abgerechnet hat. Dagegen scheint das gespenstische Gemälde, das Curzio Malaparte in seinem Roman Kaputt von Hans Frank und seinem Hofstaat gezeichnet hat, dem Biografen entgangen zu sein.

Hans Frank

Hitlers Kronjurist und Generalgouverneur

Von Dieter Schenk

S. Fischer Verlag, Frankfurt 2006

485 Seiten m. Fotos, geb., € 23,60

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