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Der schöne Teufel
Wir haben nicht nur Gott, sondern auch den Teufel verbannt.
Wir haben nicht nur Gott, sondern auch den Teufel verbannt.
Ein Mann kommt in die Hölle. Eine bildhübsche junge Dame öffnet die Pforte und bittet ihn zu einem Begrüßungsdrink in die Bar. Der schwarzgekleidete Empfangschef drückt dem erstaunten Neuling ein Buch in die Hand. „Über unser reichhaltiges Angebot an Unterhaltungsmöglichkeiten gibt diese Broschüre Auskunft: Sie haben eine große Auswahl an besten Restaurants. Wir bieten hervorragende französische, italienische, griechischorientalische, lateinamerikanische, chinesische, polynesische Küche und vieles andere mehr. Unser Abendprogramm umfaßt klassische Konzerte und Oper ebenso wie Kasinobesuche, Folklore und Disco, wo Sie attraktiven Damen begegnen werden. Sporteinrichtungen, Klubs und Bibliotheken sind überall zu finden.“
Der Mann ist überrascht. Diesen freundlichen Empfang hatte er sich nicht erwartet. Bei einer Rundfahrt am nächsten Morgen kommt er zu einer großen Mauer. Was mag dahinter sein? Der Begleiter öffnet das nahegelegene Tor. Da bietet sich ein Bild des Jammers: Loderndes Feuer allüberall. Menschen sitzen nackt auf glühenden Kohlen, werden gepeitscht, gespießt und geschunden. „O Angst und Schrecken“ ruft der Besucher. „Das ist die wahre Hölle und ich bin einem Trugbild aufge- sessen!“ — „Keineswegs“ antwortet der Guide: „Sie sind schon richtig bei uns. Das dort ist die Sektion für Katholiken. Die wollen das nämlich so.“
Dieser alte Witz wird bei ernsten Christen geteilte Aufnahme finden. Er charakterisiert jedoch unser hedonistisches, posttranszendentes Zeitalter deutlicher als viele wissenschaftlichen Abhandlungen. Und erinnert zugleich an ein wenig bekanntes Gedicht von Heinrich Heine:
„Ich rief den Teufel und er kam, / Und ich sah ihn mit Verwunderung an. / Er ist nicht häßlich und ist nicht lahm / Er ist ein lieber, charmanter Mann. / Ein Mann in seinen besten Jahren, / Verbindlich und höflich und welterfahren. / Er ist ein gescheiter Diplomat / Und spricht recht schön über Kirche und Staat... / Er lobte mein juristisches Streben / Hat früher sich auch damit abgege-ben ... / Und frug: Ob wir uns früher nicht / Schon einmal geseh’n beim Spanischen Gesandten? / Und als ich recht besah sein Gesicht / Fand ich in ihm einen alten Bekannten.“
In unserer Zeit, die das Böse und Schlechte tiefenpsychologisch oder gesellschaftspolitisch exklusiv zu begründen weiß, ist der Teufel in seiner Anonymität nicht so leicht erkennbar. Deshalb findet die Hölle als jenseitiger Strafort für die Bösen, das Heulen und Zähneklappern für die ewig Verdammten, heute nicht einmal mehr in den Sonntagspredigten unserer Kirchen ernsthafte Erwähnung. Konsequenterweise hat auch die Kunst den Teufel verbannt.
Wie allerdings der moderne Mensch damit zurecht kommt, ist unbeantwortet. Sicher ist, daß sich die Erwartungen der Aufklärung nicht erfüllt haben: Es war ein folgenschwerer Irrtum zu glauben, daß sich der Mensch auf Grund seiner allein vom Verstand geleiteten Einsicht zum Guten entscheidet.
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