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Digital In Arbeit

Der Sport im Kontrabaß . . .

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Richard Kandier war der Sportredakteur und mit seiner tiefen Stimme der Kontrabaß des Orchesters, Spezialist für urwüchsige Redensarten, die der Telephonist des Blattes Edelmann mit unnachahmlichem Charme echote. Von der „Reichspost“ her in allen Sätteln gerecht, war er noch dazu imstande, seine Mitarbeiter wie den Zeichner Max John Leuthe, Paul Dūkas, den späteren Sektionschef Dr. Meznik u. a. richtig einzusetzen und für freie Abende noch als verläßlicher Ratgeber für die Heurigenausflüge der Redaktion zu fungieren.

Ich selbst war nach frühem Doktorat (mit 21 Jahren) und 13 Monaten harter, aber lehrreicher „Reichs- post“-Schule Chef für den Lokal-, Bilder- und Kunstdienst sowie Verantwortlicher Redakteur, im Lokaldienst bald von anderen Kollegen, darunter dem auch sportlich tüchtigen und sehr fleißigen Richard Quapil unterstützt, dessen Schreibmaschine in unerhörtem Tempo zu rauchen pflegte, in der „Kunst“ bald von Kandier abgelöst, als ich selbst zum „Filmnarren" aufstieg. Die unentwegt rauchende Schreib-

maschine Quapils sollte zu einem Zentrum des Blattes werden, da mir Quapil neben der Sportvertretung bald den gesamten Wiener Lokalbericht samt Reporterednsatz abnahm, während ich selbst mühsam ein Netz von Bundesländerkorrespondenten über das ganze Land spann, in dessen Rahmen beispielsweise täglich Telephongespräche mit Linz und Graz, zeitweise auch mit Hartberg, Wiener Neustadt, Sankt Pölten geführt wurden. (Über Quapils Verdienste an der redaktionellen Instrumentierung bestimmter

Werbeaktionen siehe unter dem späteren Kapitel „Werbung“).

Ein Treppenwitz machte den Dichter des Blattes, den Oberosterracher Carl Martin Eckmair, zum Gerichtssaalredakteur und Kalendermann. Er stand dieses Dilemma zwölf Monate tapfer durch, schied darnach in freundschaftlichem Einvernehmen und wandte sich einer erfolgreichen pädagogischen und dichterischen Laufbahn in seinem Heimatbundesland zu.

Glückliche Reportermischung

Unter den Reportern, denen beim Ausmaß des Lokalberichtes (zehn bis zwölf von sechzehn Seiten!) eine entscheidende, das ganze Blatt mit-

bestimmende Rolle zukam, ist mir Heinrich Novak unvergeßlich — nur sein rätselhaftes Verschwinden im zweiten Weltkrieg konnte ich bisher nicht aufklären. Er war ein älterer, gepflegter, sensibler Mensch mit Sopranstimme, der sich am Telephon Behörden gegenüber regelmäßig mit „Hier ,Kleines Volksblatt1, Heinrich Novak“ vorzustellen pflegte — wenn er genug seines Lieblingskognaks intus hatte, manchmal auch mit „Hier Kleines Novak, Heinrich Volksblatt“. In solcher Verfassung ließ er auch einmal bei der Recherche eines Selbstmordes auf der Wiener Schmelz zwei Kubikmeter ausgeströmtes Gas zu 20.000 Kubikmeter aufrücken, was uns eine anzügliche Entgegnung des Wiener Gaswerkes eintrug. Aber er war willig und billig und hatte gute Seiten. Sein Andenken ist ungetrübt.

Einer unserer frühesten und tüchtigsten Allroundreporter, im Film ebenso beschlagen wie im Polizei- benichf, war Adolf Kretschy, nach dem Krieg Chefredakteur der bedeutenden Zeitschrift des Innenministeriums „Innere Sicherheit“. Das Film- ressart teilte er kurz mit dem heutigen Feuilletonisten Wilhelm Auffermann, später mit dem Theaterkritiker Professor Dr. Walter Neuwirth und ganz zuletzt mit mir. Seine Recherchen und Lokalreportagen hatten Gehalt und Gestalt und waren ständig unter ihrem Wert bezahlt. „Ich erinnere mich“, meint er jetzt über eine sehr entfernte „Nachbarschaft“ aus dieser Zeit, „an die seltsame Figur eines Unterweltlers, der sich als Leichenträger gelegentlich Geld für seinen nicht geringen Schnapsbedarf verdiente und für Mitteilungen über Todesfälle, die ihm bekannt wurden, jeweils zwei Schilling einstrich. Als die Stellung des Henkers in Österreich aktuell wurde, bewarb er sich sofort um diesen Posten.“

Herr Hofrat, der Reporter

Bald nach Novak und Kretschy trat mit Franz Harald Stamprech wohl der erfolgreichste Reporter ein, dessen Fleiß sowie gedankliche und stilistische Reife schon 1931 mit dem Redakteurtitel belohnt wurde — Vorahnung kommender Würden nach dem Krieg: Hofrat Dr. Franz Stamprech wurde Chefredakteur der amtlichen „Wiener Zeitung“ und ist mir noch heute mit seiner Familie freundschaftlich verbunden.

Ihm folgte am 1. September 1929 Franz M. Bischof, willig, emsig, auf allen Linien verwendet, besonders in den Abteilungen Heer, Lokalbericht, Gericht und Theater. Später Redakteur. Er kehrte nach Zwischenspielen nach 1945 zum neuen „Kleinen Volksblatt“ im österreichischen Verlag zurück und ist erst kürzlich gestorben.

Mir von Mittel- und Hochschule, CV und MKV, ja schon von der Freundschaft der Eltern her bekannt und befreundet, trat am 15. Februar 1931 Dr. Hans Bauer als Reporter, später als Redlakteur geführt, ein. Aus dem Wust seiner Beschäftigungen von der Selbstmordrecherche bis zur Burgtheäterkritik kristallisierten sich zwei Spezialitäten heraus: die Theaterrezension und das Kirchenressort, das auch im „Volksblatt“ nach dem Kriege eine seiner Hauptbetätigungen wurde. Er arbeitete zeitweise auch an der Christlichen Pressezentrale mit, die als eine der Vorläufer der heutigen Kathpress gelten darf.

Die Illustration von gestern

An der Spitze dieses eminent wichtigen Kapitels seien zwei Tatsachen von ehedem in Erinnerung gerufen: Einmal war es eine technische Gegebenheit, daß 1929 nur die Zeichnung, d. h. im Klischee die Strichätzung, existierte, die erst nach Jahren vom starren Rotationsklischee, das mit der Kartonmatrize einer jeden Seite mitgearbeitet werden mußte, und noch später von dem noch heute verwendeten biegsamen Rotationsklischee abgelöst wurde, das dann direkt auf die halbzylinderförmige Rotationsplatte aufgeklebt werden kann und somit vorläufig die beste Unmittelbarkeit und Klarheit erreicht. Einen ersten Versuch eines Rotationsfarbdruckes machte das „Kleine Volksblatt“ 1938 bei einer meiner Reportagen über Monte Carlo.

Das zweite Handikap war der Vorsprung, den die populären Titelbildzeichner der „Kromen-Zeitung“ und des „Kleinen Blattes“ durch Erfahrung gewonnen hatten. Ihnen Paroli zu bieten, schien vorerst aussichtslos. Und doch sollte es gelingen.

• Siehe l. Teil in „Die Furche“ Nr. 411968

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