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Der Theologiestudent und die Zeit

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Die Meinungen über den bleibenden Wert einer Tagung im Verhältnis zum äußeren Aufwand sind heute vielfach geleilt. Manche fassen sie als reine Zeiterscheinung auf, eine Geräuschkulisse, die zur unentbehrlichen Apparatur unserer Welt eben gehört. Wenn wir unsere bisherigen österreichischen Theologenwochen, die nun alljährlich im Sommer seit 1946 stattfanden, überblik-ken, scheint ein solches Urteil aber dooh zu pessimistisch. Von einem bescheidenen Anfang in Seckau, noch ganz unter dem Bann des materiellen und psychischen Druckes des vergangenen Krieges, bis zur diesjährigen Tagung ist die Zahl der Teilnehmer und das allgemeine Interesse, um mehr äußere Kennzeichen zu nennen, stets gestiegen. Auch heuer ist es ein bedeutender Prozentsatz der österreichischen Theologiestudenten, die sich, diesmal für die nächsten Tage in Wien, zu gemeinsamer Arbeit und gemeinsamem Erleben treffen wollen.

Das Ziel und der eigene Nutzen dieser Veranstaltungen besteht in der Entfaltung des Wissens besonders in den Fragen der Praxis und vor allem in dem inneren Wachstum der Einzelpersönlichkeit in Hinordnung und Unterordnung auf den allen gemeinsamen Beruf zum Weltpriester.

Inwieweit dieses Ziel bisher erreicht wurde? Das äußere Bild dieser Tagungen ist ein ermutigendes; wertvolle Erfahrungen und Erlebnisse konnten bis jetzt vermittelt werden, oder besser gesprochen: konnten die Teilnehmer einander schenken. Vortragende und Hörer wurden immer mehr zu einer brüderlichen Gemeinschaft, sei es im Vortragssaal oder im kleinen Kreis, bei ernster Arbeit oder Erholung. Auch Sprachen bildeten hier kein wesentliches Hindernis, wenn etwa französische Gäste die deutsche Sprache nicht völlig beherrschten. So wurde der erste und vielleicht tiefste Eindruck, den jeder empfing, der des großen Gemeinsamen, die Weite des Herzens und ehrliche Bereitschaft des Wollens als Voraussetzung fruchtbaren Verstehens, im Geiste ihrer großen Lehrmeisterin, der katholischen Kirche. Unser heißer Wunsch ist, daß wir, die kommende Generation im Klerus, uns diese Katholizität des Denkens und Fühlens, das Wissen um die Einheit in der Vielfalt bewahren, damit wir uns finden können zu neidlosem Werk im heiligen Dienste unseres katholischen Volkes zur Ehre Gottes. Diese ideale Motivwelt also junger Menschen, die bereit sind, alles persönlich Enge hinzugeben, um des hohen Zieles willen, das sie sich gesteckt haben, ist die Voraussetzung für das Gelingen auch einer Tagung.

Wenn man fragt, welche Motive uns Theologiestudenten denn leiten, dann müssen wir vorstoßen zur Kernfrage jedes Berufes, zur Berufswahl. Es berührt uns immer eigen, wenn Leute uns mit etwas überlegenem Mitleid betraditen und uns verwundert nach dem Warum dieser seltsamen Wahl fragen. Wir haben alle die eine demütige und frohe Antwort darauf: Berufung zum Priestertum ist Gnadenwahl! „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt.“ Wie der einzelne zur Erkenntnis seiner Berufung gelangt? — Gott hat viele Wege und oft mögen sie uns krumm erscheinen. Oft war es aber bei uns Priesterkandidaten von heute die seelische und leibliche Not der Mitmenschen, die den Ausschlag in unserer Entscheidung gab. Irgendwann und irgendwo fiel diese letzte Entscheidung. Wir denken dankbaren und klopfenden Herzens daran zurück, wie eigenartig Gottes Vorsehung alles lenkte... Doch wer redet gerne davon, was ihm Herzensgeheimnis ist? Ja, wir sahen und sehen die schreiende Ge-quältheit und Not der Menschen, mögen sie es manchmal auch nicht für wahr haben. Und 'Wir wollen helfen. Wir müssen es, weil wir den einzig richtigen Weg erkannt haben.

So ist es die Liebe zu den Brüdern, die uns drängt. Ihnen gehört unser Studium, die Jahre stiller Zurückgezogenheit und inneren Reifens im Seminar, unser Beten und Opfern. Ihnen wollen wir unsere ganze Lebenskraft schenken, ja wir müssen es, weil wir erkannt haben, daß es die Liebe Christi ist, die in uns durch die Gnade lebt. In unserer Sendung an die Brüder wird Gott verherrlicht, das letzte Ziel menschlichen Daseins.

Dies gibt uns unser heiliges Sendungsbewußtsein, und in der Erfüllung dieser Sendung suchen wir das Glück unseres Lebens, das Glück und einen Frieden, die groß werden eben durch den Verzicht, der dadurch in vielem an uns herantritt. Es gibt uns aber auch den Glauben an den Menschen unserer Zeit und seine Welt wieder, den Glauben an die Sendung unseres Volkes und Vaterlandes und an die Aufgabe des Abendlandes. Wir dürfen die letzten erst sein, die daran verzagen.

Was erwarten wir von der Welt? Von der Welt, die im argen liegt, erwarten wir nichts. Wir wollen auch nicht Vorteile und Genüsse erjagen. Auch wollen wir nicht, wie der Völkerapostel sagt, den Glauben unserer Brüder meistern, sondern ihrer Freude Mitarbeiter wollen wir sein; vor allem heute im Zeitalter der katholischen Aktion. Aber wir haben eine große Bitte an alle Menschen, mit denen uns das tägliche Leben zusammenführt: ehrliches Verständnis und offene Herzen. Verstehen für unsere Schwachheit und unsere große Berufung; fruchtbare Erde für den Samen, der das Wort Gottes ist. •

Ein Spiegel, der die Herzensanliegen von uns Theologiestudenten sichtbar macht, sind unsere Tagungen, deren Themen wir in gemeinsamer Beratung jeweils selbst wählen. War es in der ersten Tagung nach Kriegsende ein Rückbesinnen auf den Kern priesterlicher Tat, auf die Liturgie, deren Zentrum wieder das heilige Opfer ist, so war der Blickpunkt der beiden folgenden Tagungen weiter nach außen gerichtet: Jugend- und Arbeiterseelsorge. Selbst noch Jugend, wollen wir uns bilden zu brüderlichen Beratern und Führern junger, von vielfacher Gefahr umgebener, suchender oder verirrter Menschen. Und sollte das Los der Ar b e i t e r uns nicht am Herzen liegen, gemahnt durch die Worte des Heiligen Vaters und zum Großteil ja selbst — im Gegensatz zu früher — Kinder der Großstadt? Doch Künder des Wortes Gottes sollen wir einst werden, für sie alle. Da war es gut einmal — wir haben es im Vorjahr getan — die Heilige Schrift zum Thema unseres Treffens zu erwählen.

Heuer aber in Wien wollen wir zum Wesentlichen des katholischen Priestertums, das in seiner Mittlerstellung zwischen Gott und Mensch besteht, vorstoßen. Was für das Werk vielleicht an Zahl fehlt, wollen wir durch Leistung und Opfer ersetzen. Darin, glauben wir unerschütterlich, wird unser vornehmster Beitrag bestehen zum seelischen Heile unserer Mitmenschen, zum kulturellen und wirtschaftlichen Wiederaufbau unserer Heimat.

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