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Der unbekannte Beckett

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SAMVEL BECKETT. Auswahl in einem Band. Deutsch von Erika und Elmar T o p h o v e n. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main, 1967. 388 Seiten. DM 12.80.

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SAMVEL BECKETT. Auswahl in einem Band. Deutsch von Erika und Elmar T o p h o v e n. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main, 1967. 388 Seiten. DM 12.80.

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Diese Auswahl versucht den „ganzen“ Beckett zu repräsentieren, schreibt der Verlag. Fehlen begreiflicherweise aus Platzgründen die Romane, so muß man sich aber von den Hauptwerken mit „Warten auf Godot“ und „Glückliche Tage“ begnügen, während sein bedeutendstes, das „Endspiel“, fehlt, ohne das der Überblick Rudiment bleibt. Was aber dankenswert geboten wird, sind zum Teil im Deutschen noch unveröffentlichte Erzählungen, Gedichte, das Szenario für eine Pantomime, ein Hörspiel, ein Filmentwurf, in denen manches enthalten ist, das in innerem Bezug zu diesen Hauptwerken steht und so den geistigen Komplex Beckett noch reicher erscheinen läßt.

Dieser Band setzt mit einem Essay „Dante Bruno. Vico Joyce“ aus dem Jahr 1929 ein und schließt mit „abstrakten“ Texten aus den letzten Jahren. In diesem Essay des 23jährigen Beckett findet sich der Satz, Joyce schreibe nicht über etwas, sein Schreiben sei dieses etwas selbst. Das läßt sich auch von Becketts späterem Werk sagen. Was die Erzähltechnik betrifft, spürt man eine Beeinflussung durch Joyce, mit dem er befreundet war, in der Erzählung „Dante und der Hummer“. Die Erzählung „Das Ende“ zeigt die für Becketts Weitsicht kennzeichnende penetrante Stimmung der Hoffnungslosigkeit, die er in viel Unbestimmtheit einbaut. Erst recht siedeln die „Texte um Nichts“ sozusagen im Leeren, Schemenhaftes geistert in den Sätzen, wobei der zweite Halbsatz manchmal den ersten wieder aufhebt. Es tritt eine Entrealisierung des Realen ein, die ein Nichts hypo- statierend spürbar macht. Das Gewebe der Sätze bleibt bezeichnenderweise ohne Absatz, so auch in dem elf Druckseiten umfassenden Fragment „Aus einem aufgegebenem Werk“.

Das „Spiel“ mit den aus Urnen ragenden steingrauen Köpfen, die eine Eifersuchtsgeschichte von früher abhandeln, gemahnt an das szenische Motiv der Eltern im „Endspiel“. Im Hörspiel „Aschenglut" werden die Menschen zu Rudimentgestalten wie etwa in den Skulpturen der Richter. Das Szenario „Film“ scheint von Sartres Gedankengang über den Blick in „Sein und das Nichts“ angeregt zu sein.

In einem Gespräch über den holländischen abstrakten Maler Bram van Velde erklärt Beckett, daß „Künstler sein in einem Maß scheitern ist, wie kein anderer zu scheitern wagt, daß das Scheitern seine Welt ist“. Man nehme das Wort nicht zu äußerlich. Hier wird Becketts eigenes Scheitern erkennbar, die lebendigen Kräfte der Welt zu erspüren. Eben dadurch aber vermag er im heutigen Menschen jene Bereiche aufzuzeigen, in denen kaum noch Leben zu keimen vermag. Nur weiten sie sich Beckett zur Totalität. Aber es sind Realitäten, vor denen man sich nicht verschließen darf.

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