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Der unnachsichtige Rezensent

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Paul Blaha blieb in allen Lagen scharf urteilender Beobachter, und jetzt liegen seine harten, durch Belege erhärteten Urteile in Romanform vor.

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Paul Blaha blieb in allen Lagen scharf urteilender Beobachter, und jetzt liegen seine harten, durch Belege erhärteten Urteile in Romanform vor.

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Der 1925 in Maribor geborene Sohn eines Österreichers und einer Slowenin kam nach dem Krieg über den Umweg Linz in die Bundeshauptstadt, wo er sich 1954 niedergelassen hat, ist also ein typischer Wiener. Zuerst fühlte er die Berufung, Bücher zu schreiben, dann ergriff er den Brotberuf, für Zeitungen Premieren zu rezensieren, wurde als Theaterkenner so prominent, daß man ihn 1979 zum Direktor des Wiener Volkstheaters machte. 1987 ging er in Pension, erinnerte sich an seine ursprüngliche Berufung und schrieb Romane.

Blaha rezensiert wieder, unnachsichtig wie eh und je, und zwar par- tei- wie gesellschaftskritisch die Ära nach Kreisky. Der linksorientierte Autor denunziert die Gesinnungsgenossen, Orientierung und Gesinnung verloren zu haben. Die sogenannte Story erweist sich als echter Roman, aber der historische Hintergrund ist authentisch. Mehr oder minder prominente Persönlichkeiten werden beim Namen genannt, aber auch die echten Romanfiguren in diesem Buch sind ein Fund: So erfunden, daß sie wie aufgefunden wirken.

Die Geschichte setzt mit einem Staatsakt ein, theatralisch also, bei dem man noch einmal Staat machen konnte: Bruno Kreisky wird feierlich zu Grabe getragen, sieben Jahre nach dem Äbleben seines persönlichen Imperiums. „Die Hinterbliebenen“ genossen pathetisch den von ihm geprägten Zeitgeist, ohne ihn fortsetzen zu können. Es geht offensichtlich drunter und drüber, ein grellbuntes Panorama aus politischer und kommerzieller Korruption oder Kiter Untreue (Liebe als vergäng-

Stimmungssache), Waffendeal als offenes Staatsgeheimnis, Drogen, Aidstod, aber irgendwie verseucht sind die meisten, sodaß die paar enttäuschten Ehrlichen ehrlich enttäuscht sein müssen.

Die Gestalten sind aus dem Ensemble der hiesigen Kultur- und Gesellschaftskomödie geholt sowie aus persönlichen Erlebnissen. Immerhin ist die Hauptfigur Max Carmesini zwar nicht Theaterleiter, aber Bühnenbildner und aus Slowenien zu uns gekommen. Trotzdem ist das Werk keine getarnte Autobiographie, sondern erdichtet und beinahe ein Requiem: mit verlogen Trauernden. Sie lassen es sich auf ungute Art gut gehen, solange es noch geht.

Pessimismus grassiert unter den Leuten und dominiert. Paul Blaha zeigt sich hier als leidenschaftlicher Sumpfblüten-Botaniker.

DIE HINTERBLIEBENEN Von Paul Blaha.

Haymon Verlag, Innsbruck 1994.

317 Seiten, öS 280,-.

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