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Des Sträflings Weihnachtsgebet

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Das untenstehende Weihnachtsgedicht kann nicht unter dem Namen seines priesterlicrien Autors erscheinen, da dieser noch heute in einem der slowakischen Kerker schmachtet. Es ist der Gedichtsammlung entnommen, die unter dem Titel „Modlitby v putäeh“ (Gebete in Fesseln) slowakisch erschienen ist (Herausgegeben von I. Kruzliak, München 1955). Die Gedichte, von slowakischen Priester-dichtem in Haft, kamen heimlich, nach dem Westen und konnten da veröffentlicht werden.

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Das untenstehende Weihnachtsgedicht kann nicht unter dem Namen seines priesterlicrien Autors erscheinen, da dieser noch heute in einem der slowakischen Kerker schmachtet. Es ist der Gedichtsammlung entnommen, die unter dem Titel „Modlitby v putäeh“ (Gebete in Fesseln) slowakisch erschienen ist (Herausgegeben von I. Kruzliak, München 1955). Die Gedichte, von slowakischen Priester-dichtem in Haft, kamen heimlich, nach dem Westen und konnten da veröffentlicht werden.

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Gerechter Gott, Du wirfst nicht fort von Dir die Bitte Deiner Armen. Auch wenn sie nicht aus Chorgestühlen steigt, sondern aus Hütten voller Armseligkeit. Neige Dein Ohr und hör die Bitte derer, die ohne Freiheit und im Elend leben. Verteile denn mit vollen Händen, Liebe, Trost und Frieden, Gott Du der Barmherzigkeit. Und wie Du einst den Söhn gesandt, nicht in den Königspalast, sondern in einen Stall, so komm auch heute wieder in unsere Herzen voll Armut, dann mehr besitzen wir nicht. Und wie Du Huldigung empfingest aus dem Mund der Hirten, jener Kleinarbeiter, so nimm auch unsern Grufj und die Gaben, die wir Dir bringen mit fahlem Gesicht. Sieh nicht auf unsere Schuld, tritt ein bei uns, wo schon die Streu bereitet, das warme Kripplein unsrer Herzen und Bethlehem in unseren Seelen, Dich lassen wir hinein, denn Du bringst Liebe, Friede und Erbarmen, und Du bist gut zu allen, Vater, Gott und Richter, nichts mehr wird uns fehlen. Schau nicht auf diese dicken Wände, mit soviel Seufzern sind sie ausgeschlagen, oh, schau nicht auf die Gitter, die so oft die heihen Stirnen kühlen, sondern sieh nieder wie auf eine jener Hütten, drin Arbeiter leben, und wo auch sie verborgen feiern die Geburt des Herrn und Frieden fühlen. Schau her auf uns: wir sind die armen Hirten und angetan mit einer groben Not, um sie zu Dir zu fragen; — wie traurig heute die Schalmeien tönen! — Denn unsere Schäflein liefjen wir daheim: die Eltern, Frauen, Kinder und die Bu sieh, wie die Herzen in den langen Nächten im Traume nach der Freiheit stöhnen! Und doch hat sich heute ein Lächeln befreit aus ihren harten Gesichtern, denn Du bist geboren, und wieder ist jene grofje, heilige Nacht, und wieder setzen Menschen sich um einen Tisch; sie reden auch von uns und finden manches liebe Wort aus Abenden, die wir mit ihnen verbracht. Horch, in der Ferne Glockenläuten! — In uns erklingt nur die Erinnerung: .Ehre sei Gott!“ — und das Glockenmetall ist aus Seufzern, mit Blut geweiht. Und wie es einst erklang auf jenen Fluren unter dem Himmel von Bethlehem, ganz ohne Mifjton klingt mit nun in unseren Herzen eine goldene Glocke von Leid. Und wieder versprechen Dir Menschen ihre Liebe, morgen haben sie darauf vergessen, denn ewig kocht das Menschenblut und muh der Bosheit Stachel leiden — nur Du bist gütig immerdar, und immerdar ist auch bei Dir Verzeihung, Du machst zunichte alle Pläne der Tyrannen, der trotzigen Völker in allen Zeiten. Siehe denn her, wir sind heute die Hirten und kommen mit schwerem Schritt, aber wir tragen als Gaben Dir brennende Herzen unter dem Sträflingskleid; nimm sie zum Dank dafür, dafj Du kamsi in Deinem geliebten Sohn, um Frieden zu verströmen und Freude auszugießen in unserer Seelen Trockenheit. (Aus dem Slowakischen übersetzt von Slovensky Uebelmesser)

müssen dabei folgende Leitgedanken beachtet werden: Der Ausgleich ist wie bisher über Kindergeld (die Familienbeihilfe) und Einkommen-(Lohn-) Steuer vorzunehmen. Das starre Kindergeld allein kann die soziale Deklassierung nicht verhindern. Die Steuersätze müssen daher der tatsächlichen Leistungsfähigkeit angepaßt sein und so den standesgemäßen Unterhalt ermöglichen. Der Ausgleich kann nur schrittweise erfolgen. Insbesondere sei nicht daran gedacht, einer Erhöhung der derzeitigen Steuersätze für Ledige und Kinderlose das Wort zu reden. Bei zukünftigen Möglichkeiten zur Steuersenkung

jedoch müsse diese vorwiegend den Familien so lange zugute kommen, bis der Ausgleich in dem als richtig erkannten Umfang erreicht ist. Der Ausgleich ist innerhalb jeder Einkommensschicht durchzuführen und muß sich nach den wirklichen Kosten der Kinder richten.

Als Durchschnittskosten für alle Lebensalter des (ersten) Kindes nimmt der Bundesfamilienminister bei einem Monatseinkommen von etwa 400 DM nach sorgfältigen LIntersuchungen (Statistisches Reichsamt 1929, Bayrisches Statistisches Landesamt 1954, Bundesamt für Statistik 195 5) mindestens 20 Prozent der Verbrauchsausgaben des kinderlosen Ehepaares, d. h. also 80 DM an. Mit dem in Oesterreich (etwa vom Institut für Wirtschaftsforschung) zur Ermöglichung eines Kaufkraftvergleiches angewendeten Umrechnungsschlüssel 1:5 entspricht dies etwa einem Betrag von 400 Schilling, den auch z. B. das Institut für Sozialpolitik und Sozialreform als Untergrenze der Durchschnittskosten eines Kindes angibt. Dabei ist für Deutschland zu bemerken, daß im Jahre 1954 70 Prozent der Lohnsteuerpflichtigen ein Einkommen unter 400 DM monatlich und 75 Prozent der Selbständigen weniger als 6000 DM Jahreseinkommen veranlagt haben. (In Oesterreich bezogen zur selben Zeit 70 Prozent der nichtlandwirtschaftlichen Lohnempfänger weniger als 1600 Schilling monatlich, wobei allerdings festzuhalten ist, daß z. B. Weihnachtsremunerationen in Deutschland eine weitaus geringere Rolle spielen.)

Noch interessanter ist diese Denkschrift in den Punkten, in denen sie über den Stand der diesbezüglichen österreichischen Arbeiten, etwa des bereits genannten Instituts für Sozialpolitik und Sozialreform, hinausgehen. Dies gilt vor allem für die Beantwortung der Frage nach den Kosten mehrerer Kinder. Die Denkschrift stützt sich dabei auf die „außergewöhnlich gründlichen Untersuchungen“ von Frau Dr. Silberkuhl-Schulte, der Leiterin des früheren Instituts für Hauswirtschaftswissenschaften in Berlin. Sie kommt zum Ergebnis, daß die Lebenserfahrung wohl ergibt, daß die Kosten des einzelnen Kindes um so niedriger sind, je höher seine Zahl in der Reihenfolge der Kinder ist, d. h. daß z. B. für das dritte Kind nicht mehr der gleiche Betrag notwendig ist wie für das erste, daß das Ausmaß dieses Absinkens aber in der Regel überschätzt wird. Im Durchschnitt aller Angaben kommt ihre Llntersuchung zu folgenden Anteilen des Verbrauches mehrerer Fersonen im Haushalt, gemessen am Verbrauch der ersten Person: 100 Prozent (1. Person), 77 Prozent (2. Person), 71 Prozent (3. Person), 68 Prozent (4. Person), 66 Prozent (6. Person), 63 Prozent (8. Person). Schon von der dritten zur vierten Person, das heißt in der Normalfamilie vom ersten zum zweiten Kind, ist die Verminderung der Ausgaben unwesentlich. Für den Durchschnitt aller Lebensalter hält die Denkschrift einen Abschlag von 10 Prozent für das zweite und weitere 5 Prozent für das dritte Kind für voll genügend, um allen Bedenken in diesem Punkt zu begegnen. Bei dem genannten Einkommen von 400 DM würde dies ausmachen: 80 DM (1. Kind), 72 DM (2 Kind) und 68 DM (3. Kind und folgende Kinder). Diese geringen Unterschiede rechtfertigen daher nach ihrer Meinung die Verwaltungskosten, die eine Unterscheidung der Kinder mit sich bringen würde, nicht. Solange aber der Ausgleich nicht 100 Prozent der Kinderkosten umfaßt, spreche aber vieles dafür, die Ausgleichsleistungen je Kind mit steigender Kinderzahl zu erhöhen.

Am interessantesten ist das. konkrete Ziel, das Dr. Wuermeling, gestützt auf seinen wissenschaftlichen Beirat, der deutschen Familienpolitik auf diesem Gebiet steckt. Es könne im Augenblick dahingestellt bleiben, meint er, ob die gegen einen hundertprozentigen Ausgleich der Familienlasten erhobenen Bedenken in jeder Richtung durchschlagend sind, wobei er auf Frankreich verweist, wo von vier bis fünf Kindern an im wesentlichen der voll Ausgleich gewährt wird. Ein hundertprozentiger Ausgleich sei aber einstweilen „völlig irreal“. Auch

nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge aber müsse ein fünfzig-prozentiger Ausgleich als Mindestmaß des Erforderlichen bezeichnet werden. Ein noch geringerer Ansatz wäre eine „Politik der kleinen Mittel“, die die erstrebte Wirkung weitgehend verfehlen müßte. — Ein ähnlicher Satz wäre vielleicht auch ein geeignetes Nahziel für den österreichischen Ausgleich der Familienlasten, mit dessen zweitem Schritt, wie an dieser Stelle3 schon ausgeführt, wohl im Jahre 1957 wird gerechnet werden können.

Für den Fall, daß ein wirkungsvoller Ausgleich der Familienlasten weiterhin hinausgeschoben wird, befürchtet der deutsche Bundesr familienminister schließlich, daß binnen absehbarer Zeit die Mehrzahl, vor allem der jungen Mütter, Erwerbsarbeit in den Betrieben leistet und damit auf anderem Wege in dieser Hinsicht dieselbe Ordnung verwirklicht werden würde, wie sie bereits in den Ländern östlicher Prägung herrscht, und daß jedes Jahr der Verzögerung für die Zukunft einen weiteren zahlenmäßig unzureichenden Geburtenjahrgang ergibt. Die von ihm als notwendig bezeichneten Maßnahmen seien weit davon entfernt, Kinder zu einem „Geschäft“ werden zu lassen, sie wollen jedoch auf der anderen Seite ebenso verhindern, daß es in jedem Fall ein „großes Geschäft“ ist, keine Kinder zu haben.

Schließlich drängt sich noch -ein Vergleich auf: Während sich Dr. Wuermeling „keine Illusionen“ darüber macht, daß die Durchsetzung all dieser Erkenntnisse in seinem politischen Raum sehr erheblichen Schwierigkeiten begegnen wird, haben sich die beiden österreichischen Regierungsparteien im M o-tiven b e rieht zum F am ilienlasten-ausgleichsgesetz 1954 längst auf das Konzept der für die österreichische Familienpolitik bisher maßgeblich gewesenen Fachleute geeinigt. Dies ist zweifellos ein großer Vorteil, an dem die Familienbewegung, die familienpolitischen Pioniere innerhalb beider Koalitionsparteien und nicht zuletzt die Presse (vor allem die katholische) maßgeblich beteiligt sind. Gerade aber im Hinblick auf die bisher bahnbrechende Haltung der führenden Regierungsparteien gilt die Mahnung, mit welcher der „Rheinische Merkur“ (25. November 1955) seine Aeußerung zur Haltung der deutschen Parteien zu dieser Denkschrift abschließt, analog angewendet auch für unser Land: „... wenn nicht alles trügt, ist die öffentliche Meinung

heute schon weiter als ihre Manager: Gerechtigkeit für die kinderreiche Familie ist populär. Hoffentlich merkt man das überall in der CDU noch rechtzeitig.“

1 Der Familienlastenausgleich, Erwägungen zur gesetzgeberischen Verwirklichung, Bonn, im November 1955.

2 Dem Beirat gehören neben Vertretern der Familienverbände und der Praxis folgende sehr bekannte Wissenschafter an: die Universitätsprofessoren Doktor Schelsky (Hamburg), Dr. Neundörfer (Frankfurt am Main), Dr. Höffner (Münster) und Dr. H a r m s e n (Hamburg).

3 Siehe „Die Furche“ vom 19. November 1955, Seite 4.

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