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Die achtzehn —

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Wie lang nicht zuvor hat die Handlung einer kleinen Gruppe einfacher Menschen kürzlich großes Aufsehen, ja Erschütterung bei den sonst eher blasierten Diplomaten am Sitz der Vereinten Nationen in New York hervorgerufen. Es ist das Schreiben, das achtzehn georgische Juden, allesamt Oberhäupter großer Familien, an die Menschenrechts-Kommission der UNO gerichtet haben. Es gelangte auf bisher noch nicht angegebene Weise aus der Sowjetunion zuerst in die Hände des israelischen Premierministers Golda M e i r und von diesen zum Vertreter Israels bei der UNO, Josef T e- k o a h, der es Generalsekretär U-Thant übermittelte.

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Wie lang nicht zuvor hat die Handlung einer kleinen Gruppe einfacher Menschen kürzlich großes Aufsehen, ja Erschütterung bei den sonst eher blasierten Diplomaten am Sitz der Vereinten Nationen in New York hervorgerufen. Es ist das Schreiben, das achtzehn georgische Juden, allesamt Oberhäupter großer Familien, an die Menschenrechts-Kommission der UNO gerichtet haben. Es gelangte auf bisher noch nicht angegebene Weise aus der Sowjetunion zuerst in die Hände des israelischen Premierministers Golda M e i r und von diesen zum Vertreter Israels bei der UNO, Josef T e- k o a h, der es Generalsekretär U-Thant übermittelte.

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„Wir, achtzehn fromme jüdische Familien aus Georgien, erbitten Ihre Hilfe, um nach Israel zu gelangen. Jeder von uns hat nach Einladung von Verwandten dort die erforderlichen Fragebogen der Sowjetbehörden ausgefüllt. Jedem von uns wurde mündlich versichert, daß seiner Abfahrt keine Hindernisse in den Weg gestellt werden würden. Erwartend, daß die Erlaubnis jeden Tag eintreffen könnte, hat jeder seine Besitztümer verkauft und seine Arbeitsstelle aufgegeben. Seither sind lange Monate — für viele von uns sogar Jahre — vergangen, ohne daß die Ausreiseerlaubnisse gekommen wären. Wir haben hunderte Briefe und Telegramme abgesandt — sie verschwanden wie Tränen im Wüstensand. Alles, was wir zu hören bekamen, waren einsilbige mündliche Verweigerungen. Keinerlei schriftliche Antwort. Keinerlei Erklärungen. Niemand kümmerte sich um unser Schicksal. Wir jedoch warten, denn wir glauben an Gott.

Wir achtzehn fromme jüdische Familien aus Georgien finden es für nötig zu erklären, warum wir nach Israel gehen wollen.

Jedermann weiß, wie gerecht die Nationalitätenpolitik — deren Grundsätze vor langem von Lenin, dem Gründer des Staates formuliert wurden, tatsächlich in der UdSSR verwirklicht werden Es ist daher nicht rassische Benachteiligung, die uns zum Verlassen des Landes zwingt. Ist es dann vielleicht religiöse Benachteiligung? Es sind jedoch Synagogen im Lande erlaubt, und es ist uns nicht verwehrt, zu Hause zu beten.

Unsere Gebete sind aber mit Israel, denn es steht geschrieben: ,Wenn ich Deiner vergesse, Jerusalem, dann möge meine Rechte ihren Gebrauch vergessen.' Denn wir frommen Juden meinen, daß es keinen Juden ohne Glauben geben könne, so wie es keinen Glauben ohne Überlieferung geben kann.

So war der heilige Tempel zu Jerusalem zerstört und mit ihm der jüdische Staat. Doch die jüdische Nation lebte weiter.

Die Juden mußten ein Leben in fremden Ländern finden, unter Leuten, von denen sie gehaßt, beleidigt, verleumdet, verachtet und verfolgt wurden. Doch das Wichtige war, daß das Volk nicht umkam — welch ein Volk!

Die Juden gaben der Welt Religion und Revolutionäre, Philosophen und Gelehrte, reiche Männer und weise Männer, Genies mit den Herzen von Kindern und Kinder mit den Augen von Alten. Es gibt kein Gebiet des Wissens, der Literatur und der Kunst, zu dem die Juden nicht beigetragen hätten. Kein Land, das die Juden aufgenommen hat, das nicht hierfür durch ihre Arbeit entgolten worden wäre. Und was erhielten sie hierfür? Wenn das Leben für alle erträglich war, warteten die Juden mit Furcht auf andere Zeiten. Und wenn das Leben für alle schlecht wurde, wußten die Juden, daß ihre letzte Stunde gekommen sei und sie versteckten sich oder liefen aus dem Land weg.

Doch selbst wenn sie heimatlos durch die Welt zogen, fand Gott

einen Platz für sie alle. Und selbst wenn ihre Überreste über die ganze Welt verstreut sind, leben sie doch in unserem Angedenken. Ihr Blut fließt in unseren Adem und ihre Tränen sind unsere Tränen.

Die Prophezeiung hat sich erfüllt: Israel ist aus der Asche erstanden, und wir haben Jerusalem nicht vergessen, das nun unserer Hände bedarf.

Achtzehn von uns haben diesen Brief unterzeichnet. Doch es irrt, wer da meint, es gäbe nur uns achtzehn. Weit mehr hätten unterschreiben können.

Und mit denen, die für Israel beten, sind hunderte Millionen Juden, die diesen Tag nicht mehr erlebten. Sie sind mit uns, unbesiegt und unsterblich, sie, die uns ihren Kampf und Glauben überliefert haben.

Deshalb wollen wir nach Israel gehen.

Die Geschichte hat den Vereinten Nationen einen großen Auftrag anvertraut: an Menschen zu denken und ihnen zu helfen. Daher verlangen wir, daß die Menschenrechtskommission alles unternimmt, um in kürzester Zeit unsere Ausreisebewilligung von der Sowjetregierung zu erlangen. Es ist unfaßbar, daß im 20. Jahrhundert Menschen verboten werden kann, dort zu leben, wo sie zu leben wünschen. Wie seltsam, daß die überall verkündeten Aufrufe für das Selbstbestimmungsrecht der Nationen — und damit auch der Menschen, welche sie umschließen — vergessen sein sollten.

Wir werden Monate und Jahre ausharren — und wenn nicht anders auch unser ganzes Leben lang —, aber wir werden nicht unseren Glauben oder unsere Hoffnungen aufgeben.

Wir glauben: Unsere Gebete haben Gott erreicht.

Wir wissen: Unsere Rufe werden Menschen erreichen.

Denn wir verlangen wenig: Laßt uns in das Land unserer Vorväter gehen.

1. Elaschwili, Sachabata Michai- lowitsch

2. Elaschwili, Michail Schabato- witsch

3. Elaschwili, Israel Michailo- witsch

4. Elaschwili, Jakob Aronowitsch

5. Kikinaschwili, Mordechai Isa- kowitsch

6. Tschikwaschwili, Michael Samuelowitsch.

7. Taschikwaschwili, Moscheh

Samuelowitsch

8. Beberaschwili, Michail Rubenowitsch,

9. Elaschwili, Jakob Israelowitsch,

10. Mikelaschwili, Chaim Aronowitsch,

11. Mikelaschwili, Albert Chaimowitsch

12. Mikelaschwili, Aaron Chaimowitsch,

13. Tetruaschwili, Chaim Davido- witsch.

14. Zizuaschwili, Isro Sacharowitsch

15. Zizuaschwili, Efraim Isoro- witsch

16. Jakobischwili, Benzion Schalo- mowitsch

17. Batonjaschwili, Michail Rafa- elowitsch

18. Tetruaschwili, Michail Schalo- mowitsch

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