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Die angeblichen Vorteile der im Machtkampf gestählten Diktatoren

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Linke oder rechte „Political correctness" war für Peter Schöll-Latour noch nie verbindlich.

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Linke oder rechte „Political correctness" war für Peter Schöll-Latour noch nie verbindlich.

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Es ist ein besonderer Genuß, den Reisebericht eines Mannes zu lesen, der über Jahrzehnte hinweg immer wieder die Gebiete journalistisch bearbeitete, über die er schreibt. Das trifft voll zu auf Peter Schöll-Latours Rericht über „Das Schlachtfeld der Zukunft. Zwischen Kaukasus und Pamir". Der Autor hat nicht nur die Gebiete immer wieder besucht, die er hier unter die Lupe nimmt, sondern auch eine große Zahl von Dritte-Welt-Ländern. Das ergibt ein Verständnis für Zusammenhänge und Entwicklungen, das ihn immer wieder in Konflikt mit Verteidigern linker oder rechter „political correctness" bringt, denen er ihre realitätsferne Überheblichkeit gerne unter die Nase reibt.

Den Staaten an der Südkante der ehemaligen Sowjetunion gelten diesmal seine kritischen Reisen, dazu noch dem Iran und Afganistan und zum Abschluß Xinjiang, der nordwestlichsten Provinz Chinas, wo turk-stämmige Moslems leben. Als geistiges Rüstzeug bringt Schöll-Latour eine bei Journalisten eher seltene Ausbildung an der Universität von Reirut mit, und eine Studium der Politikwissenschaft 5n der von Napoleon gegründeten „Science Po" in Paris.

All die Völker des Gebietes haben eine lange gemeinsame Geschichte, von den ersten Hochkulturen vorüber 3.000 Jahren bis zu dem Hunnen- und Mongolenstürmen, mal als Eroberer und mal als Opfer. Den westwärts gerichteten Mongolenstürmen folgte die ostwärts gerichtete Eroberung durch das Zarenreich. Der Iran widerstand den Russen besser als den Mongolen. Schließlich brach die sowjetische Periode herein. Heute suchen die ehemals sowjetischen Gebiete schlecht oder recht Anschluß an die Welt.

Eher schlecht, meint der Autor, denn einerseits erweist sich das sowjetische Erbe mehr schädlich als nützlich, andererseits scheint der Westen eine Überschwemmung mit dem Ol dieser Staaten zu fürchten. Der Ankauf von Ölquellen durch westliche Gesellschaften könnte mehr der Kontrolle des Ausstoßes dienen als einer baldigen massiven Ausbeutung.

Nach den Beobachtungen Schöll-Latours unterscheiden sich die bereits wieder feudalen Sitten dieser Länder kaum von denen alter Zeiten. Man massenmordet fallweise heute nicht viel weniger als zu Zeiten Dschingis Khans und Tamerlans. Chancen für eine demokratische Entwicklung sieht er insofern keine, als es nur eine dünne Schicht von volksfremden Intellektuellen gebe, die überhaupt wisse, was Demokratie ist, während die Völker bereits wieder zurückgefunden hätten auf das Klans- und Stammessystem. Diese Einschätzung ist auf kurze Sicht sicher richtig. Er scheint aber zu vergessen, daß neue Kräfte einen Beifeprozeß durchmachen müssen, bevor sie zur Machtausübung fähig sind, während die Effizienz von Diktatoren sich schnell abnützt. Dieser Prozeß kommt jetzt in Belgrad an dje Oberfläche, acht Jahre nach der Machtübernahme von Milosevic.

Da könne man noch froh sein, meint jedenfalls der Autor, daß es dik -tatorische Präsidenten gebe, die wenigstens ebensosehr an ihr Land denken wie an sich selber. In seiner Sicht steht am besten Islam Karimow da, der Präsident Usbekistans. Wie die meisten seiner Kollegen hat er eine solide Karriere im kommunistischen Parteiapparat hinter sich. Das sei keineswegs negativ zu werten. Nur wer diese intensive Schule von Intrigen, Opportunismus, Schlauheit und Gewissenlosigkeit mit Erfolg hinter sich bringen konnte, sei halbwegs imstande, die gigantischen Schwierigkeiten zu meistern, vor denen diese Länder stehen.

Dabei stehe das Problem, wenn schon der internationalen Mafia nicht Herr zu werden, so doch, sich vor ihr zu schützen, an Dringlichkeit auf gleicher Stufe mit dem Balanceakt der Beziehungen zu Rußland, den USA und Iran und der Welle des Islamismus. Er stellt neben Karimow auch den ehemaligen K R-Chef Schewardnadse (Georgien), das Ex-Politbüromitglied der KPdSU Heidar Ali-jew (Aserbeidjan) und den kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew. Deren gemeinsame Sorge liege in der Erhaltung eines Minimums von Stabilität. Eine Entwicklung wie in Rußland würde in diesen Republiken einen permanenten Rürgerkrieg aller gegen alle auslösen.

Noch positiver in diesem Sinn schätzt er die heutige Politik Chinas ein, das auf Stabilität als Grundlage aller Weiterentwicklung baue. Die ferne Ostprovinz Xinjiang befinde sich in vollem wirtschaftlichem Aufschwung. Über die Jahre hinweg könne er eine systematische Ausweitung der offenen Rede beobachten, bei staatlichen Vertretern ebenso wie bei der Revölkerung. Er hält eine derartige Entwicklung hin zur Demokratie für menschlicher als den russischen Weg. In bezug auf Massenmorde, Hungertote und allgemeine Verelendung störe ihn der Mangel an Kritik bei den professionellen Verteidigern der Menschenrechte. Der russische Weg nach Gorbatschow hätte jedenfalls unverhältnismäßig viel mehr Todesopfer verursacht als Tienan-men, mit den „bedauernswerten Opfern des Studentenaufstandes am Platz des Himmlischen Friedens, deren Zahl von amnesty international auf ungefähr 900 geschätzt wird".

Schlüsselland der Region sei der Iran. Im Gegensatz zu anderen gibt Schöll-Latour der Türkei wenig Chancen, sich durchzusetzen, da sie die Erwartungen der Turkstaaten überall enttäuscht habe. Wie so ziemlich alle Besucher Irans der letzten Jahre, kann sich auch er die unversöhnliche Haltung der USA dem Iran gegenüber nicht erklären. Der sei schon lange kein revolutionäres und fundamentalistisches Land im ursprünglichen Sinn mehr, zeigt er an vielen Beispielen, nicht zuletzt an den Nostalgikern, die der reinen alten Be-volutionszeit nachtrauern. Die US-Politik sei auf den Druck Israels zurückzuführen, meint er.

Den russischen Kolonialismus verurteilt er bedingungslos und mit Becht. Doch seine Deutung der Nationalitätenpolitik Stalins verwundert Die traditionelle russische Haltung den unterworfenen Völkern gegenüber war von einem offenen Rassismus in Mittel- und Oberschicht geprägt. Stalin macht er den Vorwurf, die ineinander verschachtelten Konstruktionen von ethnisch bestimmten Republiken und autonomen Gebieten als Ausdruck einer Teile-und-herrsche-Politik ersonnen zu haben. Doch es war nicht Stalin, der die Ver-schachtelung der Volksgruppen geschaffen hat. Der Georgier hat, im Gegensatz zu jeder russischen Politik vorher, den ethnischen Gruppen eine bescheidene Selbstverwaltung gegeben, bei Bedarf Schriftsprachen schaffen lassen und das örtliche Bildungssystem ausgebaut. Die Kinder wurden in der lokalen Sprache unterrichtet, mit Bussisch als erster Fremdsprache, schreibt Gerd Buge, langjähriger Korrespondent des WDR. Der Georgier Stalin hat sich keineswegs zum Überrussen entwickelt, wie der Korse Napoleon zum Überfranzosen, sondern eher zum Über-Dschingis-Khan. Tatsächlich hat keine der anderen Kolonialmächte auch nur annähernd soviel für die Rildung der kolonisierten Völker getan.

Erst mit Rreschnew tauchte die Idee der „Sowjetnation" und totalen Russifizierung auf. Daß die unterworfenen Völker den Vorsprung der Russen noch nicht aufgeholt haben, ist verständlich. Damit moderne Bildung greifen kann, muß sich eine neue Mentalität entwickeln. Die unter Stalin entstandene Mentalität hatte orientalisch-feudale Züge.

Schöll-Latour hat von seiner persönlichen Geschichte her eine, wenn auch illusionslose, Sympathie für die islamischen Länder und den Islam. Mit dem Harvardprofessor Huntington glaubt er an den „Zusammenstoß der Zivilisationen". Sollte sich „zwischen Kaukasus und Pamir" ein Schlachtfeld entwickeln, dann sicher nicht über eine schnelle Entwicklung von Wirtschaft und Macht. Wie in fast allen islamischen Staaten entwickelt sich auch in diesem Gebiet nur die Zahl der Menschen, und das in hohem Tempo. Dadurch wird jeder sonstige Fortschritt im Keim abgewürgt. Die heranwachsenden Massen junger Leute ohne Hoffnung werden nicht zu Eroberungszügen nach Art der Ahnherrn Dchingis Khan und Ta-merlan imstande sein. Die Wahrscheinlichkeit liegt eher bei einer Selbstzerfleischung nach dem Muster Afghanistans oder Algeriens.

DAS SCHLACHTFELD DER ZUKUNFT Lg Zwischen Kaukasus und Pamir

Von Peter Scholl-Laiour - Siedler Verlag, Berlin 1996 Im 540 Seiten, Im, öS )94,

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