J. M. Coetzee: Die Bibel, modern gespiegelt
Rechtzeitig zum 80. Geburtstag des Nobelpreisträgers J. M. Coetzee am 9. Februar liegt sein neuester Roman „Der Tod Jesu“ in deutscher Sprache vor.
Rechtzeitig zum 80. Geburtstag des Nobelpreisträgers J. M. Coetzee am 9. Februar liegt sein neuester Roman „Der Tod Jesu“ in deutscher Sprache vor.
J. M. Coetzee, der in vielen Texten die zerrissene Welt Südafrikas kartographierte, orientiert sich weniger an postmodernen Erzählstrategien, vielmehr nimmt er Anleihen bei Kafka, Cervantes und Beckett. Den düster-lakonischen Grundton sucht Coetzee aber nicht nur bei seinen Vorbildern, es ist auch das Kolorit jener extremen südafrikanischen Verhältnisse, deren Nachhall in seiner Prosa nie verstummte und zuletzt ins Religiöse transzendierte. Mit der 2013 mit „Die Kindheit Jesu“ in Gang gesetzten, 2016 mit „Die Schulzeit Jesu“ fortgesetzten und nun mit „Der Tod Jesu“ beendeten Jesus-Trilogie irritierte er. Zu weit schien er von den harten existenzialistischen Fragen seiner dekorierten Romane abgerückt.
„Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über all das abzufassen, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat. Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren“ (Lk 1,1–2). Diese beiden Sätze, mit denen der Heidenchrist Lukas sein Evangelium einleitet, haben zahlreichen Autoren Anreiz geboten, die Geschichte des Jesus von Nazareth eigenständig zu erzählen. Über Jahrhunderte hinweg forderte diese Kernerzählung christlichen Glaubens zur künstlerischen Reflexion und prosaischen Umsetzung heraus. Unzählige Autoren, von Ernest Renan („Vie de Jésus“) bis José Saramago („Das Evangelium nach Jesus Christus“), haben sich um eine Literarisierung des Nazareners bemüht. Dabei vermitteln die Autoren nicht nur unterschiedliche religiöse Positionen, die von der Vermenschlichung Jesu bis zu seiner Heroisierung reichen, sondern präsentieren das Geschehen auch in verschiedenen Erzählweisen: Diese reichen von einer – aus dem historischen Roman abgeleiteten – allwissenden Nacherzählung über die verbreitete Spiegelung des Geschehens aus Sicht einer Nebenfigur (meist Pilatus oder Maria Magdalena) bis zur fiktionalen Transfiguration, bei der zeitgenössische Figuren mit erkennbaren Zügen Jesu ausgestattet sind.
Flechtwerk allegorischer Fäden
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