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Die btimnic des Jrlerzens

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Mein dreiunddreiigstes Jahr. Von Gerhart Fittkau. Ksel-Verlag, Manchen

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Mein dreiunddreiigstes Jahr. Von Gerhart Fittkau. Ksel-Verlag, Manchen

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„Mein dreiunddreißigstes Jahr“ ist das dreiunddreißigste Lebensjahr des Pfarrers Gerhart Fittkau, dessen Dorf, im katholischen Süden Ostpreußens, im Winter 1945 von der russischen Invasion überrannt wurde, wonach Pfarrer und Gemeinde, genauer: was der Krieg von seiner Gemeinde übriggelassen hatte, also Frauen, Greise und Kinder, in Güterwagen gepfercht und in ein sibirisches Arbeitslager transportiert wurden. Hier begann für sie das Dasein von Menschen, deren Leben mit Null bewertet wurde: kaum anders als die Tiere des Waldes behaust und ernährt, zu harter Arbeit genötigt, starben sie rasch dahin; doch alle leergewordenen Plätze füllten sich sofort wieder durch neugefangene Arbeitssklaven. Bei wenigen nur wurde schwere Krankheit, ehe sie zum Tode führte, zum Entlassungsgrund — so auch für Pfarrer Fittkau, der uns diese Leidens- und Sterbegeschichte seiner Gemeinde aufgezeichnet hat.

Gewiß, ein solches Schicksal im .Nachspiel des Krieges ist kein einzigartiges Thema. Was Fittkaus Buch aber aus der Flut der Heimkehrerliteratur, dieser meistens mißlungenen Gewissensentlastungen, heraushebt, ist der unbeirrbar festgehaltene Ton der Erzählung, der seinerseits Resultat der sehr starken Persönlichkeit Fittkaus ist. An sich ist seine Vortragsform die schlichte und unmittelbare Rede des Bauernpfarrers, der vor nichts Irdischem die Augen schließt, auch wenn es sich in höllischen Tiefen begibt, und der ohne Scheu jedes Ding bei dem Namen nennt, der ihm zukommt. Niemals geht er über die einfache Tag-für-Tag-Erzählung hinaus. Niemals wird Mitleid geheischt, niemals Anklage erhoben, niemals, wie das jetzt in Deutschland so häufig begegnet, eine pseudopatriotische Rechtfertigung versucht, um sich darnach dem Vergessen des tatsächlich Unvergeßbaren hingeben zu können. Allerdings wird nicht verhehlt, daß unter den Quälern der Gefangenen die Zahl ihrer deutschen Landsleute kaum geringer war als die der Russen, wie überhaupt die Mischung positiver und negativer Elemente im Charakter beider Völker prozentuell ungefähr gleich erscheint.

Alles das ist klar, übersichtlich und mit einer Fassung, ja einem gewissen Gleichmut niedergeschrieben, als könnte es gar nicht anders sein; manchmal sogar mit einem unverkennbaren Unterton von Fröhlichkeit. Ganz gewiß ist sie nicht die des Zynikers, wohl aber die des absolut vertrauenden Gläubigen. Was das Buch an Schrecklichem schildert, ist unmittelbarste Wirklichkeit; aber auch die Gläubigkeit, die es erträglich macht, ist Wirklichkeit des gleichen Grades. Die unablässige Durchleuchtung des Daseins, auch des elendesten, durch die ständige Gegenwart Gottes, die diesem Priester gelingt, steigert die natürlichen Widerstandskräfte der ihm anvertrauten Herde bis ans Uebernatürliche heran.Er lehrt sie, im Entsetzlichsten noch die Sühne zu erkennen, die sie schuldig sind und die sie zuvor stets verweigerten, und ermöglicht ihnen damit, aus körperlicher Qual seelische Befreiung zu gewinnen.

Fittkau ist ein Geistlicher jenes Typs, der, weltkundig und nirgends vor der Welt zurückschreckend, bis weit in die nichtchristliche Welt zu wirken vermag.

Verliebt - Verlobt - Verlebt. Von Dr. Otto Bohr. Kreuzring-Bücherei Johann-Josef-Zimmer-Verlag, Trier. 191 Seiten. Preis 1.90 DM.

Wenn man das Büchlein liest, das ich mit der Einfalt einer Taube in die Hände genommen hatte, dann denkt man an Jesus Sirach, der einmal vor jener „gerissenen Klugheit“ gewarnt hat, „der es an Weisheit fehlt“; denn es ergibt sich, sobald man drei Seiten hinter sich hat, daß man hier richtig über den Löffel halbiert wird. Was erwartet man vom Titel her? Nun, man erwartet eine psychologischpädagogische Führung durch den — sagen wir einmal — Dschungel der jugendlichen Verliebtheit, einige Aufklärungen und einige Warnungen und eine kleine Hilfe für jene, doch meistens jungen Leute, die zum erstenmal jenes Erhabene genießen, das man unter Menschen „Liebe“ nennt. Und was erhält man? Etwas ganz anderes. Die ersten drei Seiten gehen zwar stracks auf das Thema los, aber dann auf einmal wird mit einer Anekdote abgeschwenkt, es geht in einer anderen Richtung weiter und von den Mädchen ist fernerhin nicht mehr die Rede und von den Burschen ebensowenig. Es wird dann von der Kirche geschrieben und von Christus, von der Erschaffung der Welt und von überindividuellen Lebenseinheiten, vom biologischen Gleichgewicht und von den Propheten, von Konversionen und von der Gehirnmasse, von den Hormonen und vom Licht der Erkenntnis, vom Unglauben und den Gaskammern der SS; von den molekularen und atomaren Gebilden des unlebendigen Stoffes und vom König David. Jede einfältige Taube wird sich also nach dreißig Seiten fragen: Wo bin ich nun eigentlich hingeraten? Was hat das alles mit dem Titel zu tun? Nichts hat es mit ihm zu tun, rein gar nichts. Der Titel war nur ein Blickfang, eine Schlaumeierei, ein Köder. Es steht zwar allerlei Erwägenswertes in dem Büchlein, aber das Ganze ist ein uferloser Sermon, der vom Hundertsten ins Tausendste gerät. Es ist zwar einzusehen, daß man manchmal eine kleine List gebrauchen muß, um die säkularisierten Leutchen unserer Tage ins Geistliche hineinzulocken (sie haben nun einmal einen Horror vor allem Erbaulichen und mit Bibelsprüchen ist ihnen nicht beizukommen), aber was zuweit geht, geht zuweit. Ich frage mich, ob ein offenes und ehrliches Gemüt solche Winkelzüge einer religiös-erbaulichen Buchproduktion nicht etwas seltsam finden wird, und es macht keinen guten Eindruck, wenn man sich der Kniffe der „Weltleute“ bedient — um Religionsunterricht an den Mann zu bringen ...

Ins Herz hinein. Ein Handbuch für Feier und Besinnung in der Schule; herausgegeben von Helmut Langenbucher. Band I: Tage und Wochen. Verlag Leitner & Co., Wels. 655 Seiten. Preis 140 S. Band II: Monate und Jahreszeiten. Verlag Neue Schule, Anton Leitner, Bad Reichenhall. 683 Seiten. Preis 160 S.

So gutgemeint die vielen Anthologien sind, welche nach verschiedensten Gesichtspunkten geordnet und ausgewählt, hauptsächlich für den Unterricht, aber auch für öffentliche Feiern vorgelegt wurden — es mangelte ihnen an der durchgehenden gedanklichen Linie und am methodischen Aufbau.

Die vorliegende Sammlung hält sich von diesen Nachteilen frei. Nur derjenige, der — ob als Pädagoge, als Vorstand einer kulturellen Vereinigung, als Schriftsteller, als Vortragender einer Volkshochschule — gezwungen gewesen ist, zu einem bestimmten Sachgebiet Lyrik auszusuchen, wird wissen, welche Unsumme von Zeit (oft fruchtlos) dabei verloren ging. Viele Lehrer fürchten beinahe die Feste und Feiern. Es werden ihrer von Jahr zu Jahr mehr. Es wird verlangt ,zum Tag des Baumes, zum Tag der Fahne, zum Staatsfeiertag am 1. Mai, zum Muttertag, zum Welttierschutztag, zum Tag der Vereinten Nationen und so weiter etwas Lyrisches, einen Leitspruch bereit zu haben.

Ein Leitspruch. Ja, eigentlich sollte jeder Schultag unter einem Leitspruch stehen. Warum nicht nach dem Gebet und nach einem Hinweis auf den Sinn unseres Wirkens für Gemeinschaft und Persönlichkeit die Worte eines Dichters das sagen lassen, was in vielen Herzen unausgesprochen schlummert. „Ins Herz hinein“ schauen, ins Herz hinein sprechen, und nicht zum Fenster hinaus. Dazu geben die zwei Bände, welche aus der Arbeit einiger Lehrer entstanden, die immer treffenden Wegweiser. Ein Spiegel des Ewigen im Vergänglichen. Eine Kundgebung geistiger Bekennerschaft. Ein Bindeglied zwischen Erde und Wolken.

Im einzelnen ist auf die Fassungskraft der Jugendlichen gerechterweise Rücksicht genommen worden. Es ist so ziemlich für alle Lebensverhältnisse das Passende vorhanden. Zeitbezogenheit, Volksbrauch, religiöses Lebensgefühl, sozialer Gedanke (ohne abgegriffene Phrasen), Humanitätsidee und NaturSymbolik sind von beglückender Reichweite. Es ist ferner festzustellen, daß heimische Dichter, daß österreichisches Schrifttum und unsere verschiedenen Sammlungen berücksichtigt wurden. Wir möchten nicht verfehlen, auch lobend hervorzuheben, daß die Namen Banat, Siebenbürgen, Böhmen, Mähren, Schlesien mittelbar und unmittelbar ergreifend aufsteigen: daß eine unaufdringliche, aber echte Frömmigkeit zwischen den Dingen und ihrer Erscheinung, zwischen Erde und Wolken leuchtende Brücken schlägt. Man kann annehmen, daß die beiden gewichtigen Bände über die Schule hinaus wirken werden, ins Heim, in den Kreis der Familie, wo das Schicksal der Dichtung entschieden wird und das aufschließende Zauberwort zu den Herzen und dringlichen Gebilden tausendfach ausgesprochen wird. „Schläft ein Lied in allen Dingen“, sagte Eichendorff. „Und die Welt hebt “an zu klingen, triffst du nur das Zauberwort.“ Hier tönt es hinaus über Tag und Jahr.

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