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Die Casinos liegen voll im Trend der Freizeitgesellschaft

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Jeden Abend trägt eine Woge der Hoffnung, als reicher Mensch nach Hause zu gehen, ein immer zahlreicher werdendes Publikum in die Casinos. Es gibt wahrscheinlich soviele Gründe zu spielen, wie Chancen im Roulettekessel. Von der Chance auf ein arbeitsloses Einkommen, über den gesellschaftlichen Adel des Geldes, bis zu dem Gefühl, vom Glück geliebt zu werden.

Es ist kein Zufall, daß die Bewerber um die Gunst des Zufalls heute aus allen Gesellschaftsschichten, beiderlei Geschlechts kommen. Es ist Erfolg eines zielstrebigen Marketings, das die Spielstätten vom Geruch des Verworfenen und Gefährlichen befreit und zur leichtgängigen Daseinsfreude umfunktioniert hat. Der Finanzminister weiß das zu schätzen, er darf sich heute über Einkünfte in Milliardenhöhe freuen.

Die Casinos wissen, wie man es macht und kleiden ihre Geldaufbringung nach der aktuellen Frei-zeitmode. Freudig erregte Gesichter versprechen einen unterhaltsamen Abend in gehobener Atmosphäre. So ganz nebenbei wird noch ein materieller Gewinn in Aussicht gestellt. „Soft and light”, so läßt man es sich gefallen.

Viel Geld kommt allerdings von den Leidenschaftlichen und Süchtigen, denen, für die das tägliche Wetter im Casino gemacht wird. Diese sind allerdings von zäher Natur, Goldgräber am Yukon von heute. Es ist möglich, ein Casino während einiger Jahre nicht zu betreten und bei der Wiederkehr alte Bekannte zu treffen. Die freundlich-ironische Bezeichnung der Chasseure (Saaldiener) für diese Truppe: „Der harte Kern.” Hin und wieder verschwindet eines dieser Gesichter. Meist wegen Privatkonkurs, selten aus Einsicht. Für Nachwuchs ist gesorgt, oft geht es übergangslos vom ersten Lustgewinn zur dauerhaften Sehnsucht.

Viele neue Spieltempel

Das Unternehmensziel ist klar definiert: Gewinnmaximierung durch Nutzung der Spielleidenschaft. In den vergangenen Jahren gab. es nicht nur einen Bauboom und Modernisierungsschub bei den Spieltempeln, ebenso zügig wurden neue Spiele erfunden. Pokern hat seinen „harten Kern” gefunden. Auch Kleinvieh macht Mist. Daher wurden die einarmigen Banditen vom Spielhallengeruch des Praters desinfiziert und zeigen jetzt ihre Fruchtpalette auf, nur für Krawattenträger zugänglichem, Teppichboden.

Wer häufig kommt, muß einen Einkommensnachweis erbringen. Ein Feigenblatt. Es ist kein Kunststück, bei einem einzigen Besuch unbemerkt ein mehrfaches Monatseinkommen zu verlieren.

Mit dem verfügbaren Kapital steigt in der Regel der Einsatz. Die Folge sind häufig Schicksale, die sich nur darin unterscheiden, daß ein kleineres Einkommen 100.000 Schilling Schulden hat und der Geschäftsführer eines Betriebes vier Millionen. Der Durchschnittsspieler „ißt” nicht so heiß, er lebt trotzdem an der Grenze zwischen Trinker und Säufer, es werden eben die gestrichenen Urlaube immer häufiger.

Spielerschicksale gelangen selten an die Öffentlichkeit. Nicht umsonst heißt ein Hilfsverein „anonyme Spieler”, ein Verlierer schweigt aus Scham. Nur die kriminellen Geldbeschaffungen Verfallener gelangen in die Medien. Kleine Betriebsunfälle im System.

Natürlich liegen die Casinos voll im Trend. Der moderne Freizeitmensch legt Wert auf hedonistische Alternativen zum täglichen Robot ... Überhaupt, wenn sie zum Alltagsvergnügen „silanisiert” worden sind. Paradoxerweise wird dieses Vergnügen aber schnell zu freiwilliger Zwangsarbeit.

Der homo ludens austriacus braucht sich jedoch keine Srogen zu machen, daß er sich oder anderen schadet. Er kann heute im Bewußtsein ins Casino gehen, die Lebensfreude und das Selbstvertrauen des freien und selbstorganisierten Menschen des 20. Jahrhunderts zu dokumentieren. Zumal er dazu beiträgt, daß die Casinos zum nationalen Aushängeschild der kaufmännischen Tüchtigkeit österreichischer Unternehmen geworden sind.

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