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Die Christen in Israel

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Die Kampfhandlungen in Palästina haben den heiligen Stätten des Landes und der christlichen Bevölkerung schwerste Heimsuchungen gebracht. „Unser Werk im Heiligen Land ist in kleine Stücke gebrochen, die wir jetzt wieder zusammensetzen müssen. Aber vielleicht wird es darum ein um so schöneres Bild ergeben, so wie die kostbarsten Mosaike aus den kleinsten Splittern zusammengesetzt sind“, sagte mir der apostolische Bevollmächtigte in Jerusalem P. Terrence Khiien O. F. M. im Zuge einer Überschau über die Lage der palästinensischen Christen. Der apostolische Bevollmächtigte wohnt im großen Terra Santa College an der King Georgs Avenue im neuen Jerusalem. Die „Terra Santa“ war einst die größte christliche Mittelschule des Heiligen Landes. Nun ist das Hauptgebäude an die hebräische Universität vermietet, die hier den Studienbetrieb fortsetzt, soweit das ohne die jenseits der arabischen Linien auf dem Skopus liegenden Institute und Laboratorien möglich ist. Von einem typischen Schulkorridor, auf dem geräuschvolle Jugend sich tummelt, führt eine kleine Türe, bezeichnet „Monastery“ in englischen und hebräischen Lettern, in die stille Klausur der drei amerikanischen Franziskaner, die im jüdischen Jerusalem leben. Diese Symbiose bewährt sich hier (jüngst promovierte ein katholischer Priester an der hebräischen Universität). Man würde sie gerne als, ein Symbol des künftigen Zusammenlebens im Staate Israel akzeptieren.

Heute funktioniert dieses Zusammenleben in größerem Rahmgn noch nicht völlig. Im großen und ganzen sind die zivilen Behörden Israels — in diesem Falle das Ministerium für die Minderheiten und vor allem die katholische Abteilung des Ministeriums für Religion — wohl uneingeschränkt verständnisvoll und entgegenkommend. Aber ihr Machtbereich ist durch d’-e Armee, mit der sich die Kompetenzen dauernd überschneiden, empfindlich eingeengt. Die höheren Kommandos stehen den Bedürfnissen der Katholiken und ihrer Seelsorger noch ziemlich verständnislos und mißtrauisch gegenüber. Dafür ist von den lokalen Subalternen meist Besseres zu berichten. Die Notstände im Lande sind für die christliche Bevölkerung groß. In Jaffa ist der Bestand der katholischen Schule in Frage gestellt, weil nur etwa dreißig Schüler zurüdtgeblieben sind; deren Eltern sind mittellos. Dasselbe gilt vom Spital, das nur vierzig von ihren fliehenden Angehörigen zurückgelassene Greise beherbergt. Die Nonnen verteilen Hilfssendungen aus Amerika, sind aber selbst in großer Bedrängnis, da sie ihre Arbeit in den Orangenhainen noch nicht wieder aufnehmen konnten.

In Ramie ist die Lage besser. Vor allem ist es für die Christen dort leichter, Arbeit zu finden. Hier ergibt sich die Schwierigkeit, daß Christen mit Juden gemeinsam beschäftigt sind, deren Ruhetag der Samstag ist, und daß erstere daher nicht in der Lage sind, am Sonntag die Messe zu besuchen. Typisch für die Kompetenzstreitigkeiten zwischen Zivil und Militär war es hier, daß sich die Verteilung von Decken verzögerte, bis der Winter vorüber war, weil nicht Margestellt werden konnte, ob das Kloster oder das Kommando die Verteilung durchführen sollte.

In großer Not sind die katholische Landwirtschaftsschule in Rafat und das Salesianerwaisenhaus in Beth Jamal. Die Dörfer des Umkreises sind verlassen und es gibt keine Arbeitskräfte zur Bestellung des ausgedehnten Landbesitzes. In A i n Karim, der Geburtsstätte Johannes des Täufers, sind nur zehn uralte christliche Frauen zurückgeblieben.

In Haifa ist die Lage der Christen günstiger, weil ausreichend Arbeit vorhanden ist. Doch Nazareth ist das besondere Sorgenkind. Die Stadt ist mit christlichen Arabern aus dem ganzen Land überfüllt, die nur bei Notstandsarbeiten beschäftigt werden können. Es ist als eine psychologische Folge der wirtschaftlichen Lage anzusehen, wenn die kleine kommunistische Partei Israels unter der christlichen Bevölkerung Nazareths eine überraschend starke Gefolgschaft gefunden hat.

Die Brüder auf dem T abor leben ungestört und in monastischer Weltabgeschiedenheit vom Ertrag ihrer Gärten. Die Mönche des Petersklosters in Tiberias flohen mit der ganzen arabischen • Bevölkerung, als in der Stadt eine Panik ausbrach. Als sie zurückkehrten, fanden sie das Kloster völlig ausgeplündert. Pater Pi eter L oy dagegen, der berühmte Franziskanerarchäologe von Kapernaum, weigerte sich, seinen Posten zu verlassen, und hütet ungestört die herrlichen Ruinen, deren Erhaltung sein Lebenswerk darstellt.

Die Benediktiner von T a b g h a, der Stätte der Speisung der 5000, und die Nonnen auf dem Berg der Seligpreisungen hatten während der Kämpfe schwere Zeiten. Schweren Schaden durch Beschießung hat nur die Dormitioabtei auf dem Zionsberg erlitten, deren Insassen, deutsche Benediktiner, nun in großer Not im katholischen Hospital der ehemaligen deutschen Kolonie leben.

Das Problem, das die katholische Seelsorge in Israel am meisten bewegt, ist nicht so sehr, ob in Zukunft die heiligen Stätten geschützt sein werden, denn deren Respektierung will der Staat Israel garantieren. Der neue Staat wird auch die Pilgerfahrten nicht erschweren, sondern schon aus wirtschaftlichen Gründen fördern. Mit tiefer Sorge dagegen istdieZukunft der katholischen Gemeinden in Israel zu beurteilen, deren Bewohner heute zum größten Teil landflüchtig sind, und das Schicksal all der katholischen Institutionen, Pfarreien, Schulen, Spitäler, die in diesen Gemeinden bestanden haben. All das hätte seine Daseinsgrundlage verloren, wenn die Flüchtlinge nicht zurückkehren. Der Klerus ins Heiligen Lande würde sich dann auf das Amt der Behütung der heiligen Stätten und der Fürsorge für die Pilger beschränkt sehen und den lebenden Kontakt mit großen eingeborenen Gemeinden vermissen.

Die große Frage, von der die Befriedung des Mittleren Ostens enscheidend abhängt, ist das Schicksal Jerusalems und die damit eng verbundene Rückkehr der Flüchtlinge. Daß sich die Lage der zurückgebliebenen Christen bald entscheidend bessern wird — schon jetzt dürfen sich die Araber des jüdischen Jerusalems frei in der Stadt bewegen — und daß sie ihr religiöses Eigenleben werden frei organisieren dürfen, darf man als sicher annehmen. Aber es werden sehr kleine Gemeinden sein…

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