"... die Form verliert die Fassung"

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Ingram Hartingers Gedichtband "Spätes Argument".

Die Erprobung der Sprache ist es, die sich durch Ingram Hartingers Arbeiten zieht - in zwei Richtungen, denn zum einen soll diese als Erkenntnisinstrument dienen, dann aber auch über ihre Belastungsgrenzen geführt werden, da das Andere von der Sprache nicht nur einem Schatz gleich gehoben, sondern auch leicht bis zur Unkenntlichkeit nivelliert wird. Dabei überlässt es die sensible Sprache Hartingers dem Leser, welches Moment jeweils zum Tragen komme - er muss antworten: Ingram »Milgram« Hartinger. Dies ist dann der Beginn für weitere Sprachdekonstruktionen, die(se) Sprache entlässt den Leser nicht, wenngleich sie Autor und Leser auch nicht so völlig einlässt, dass hier Meta-Literatur vorläge.

All das erinnert an Paul Celan, nicht in dem Sinne, dass sich Hartinger anlehnte, sondern in der Schwebe einer Sprache, die die Konzepte, denen sie sich annähert, auflöst, Intentionen sichtbar macht und Eigentlichkeiten der ihnen angemessenen Fragwürdigkeit überantwortet. Demgemäß finden sich einige Wörter aus dessen Werk wieder, die Prägung "Genicht" etwa. Die Form verschwindet hier in ihrer puren Funktion, ist Sinn oder dessen Auflösung. "Und die Form / Verliert die Fassung / Als hätte es sie nie gegeben", so heißt es in unermüdlicher Spracharbeit, die spielerisch bleibt - bleiben kann, weil der Ernst des Spiels klar ist, bleiben muss, da allein das Tödliche und der "Tod [...] hart und äußerst verbissen" arbeiten.

Nicht die letzte Identität, die so exploriert ins Wanken gerät, ist die des Menschen - vor allem: des lyrischen Ichs -, als Maschine oder "Apparat" gerade über die "Zeichenrückmeldung" als nicht formalisierbar doch quasi-formalisiert.

Interessant schließlich die Arbeit mit Fußnoten, zum einen für geordnete Referenzen und Reverenzen, dann aber auch für Gegendiskurse, die die Sprachbewegung der Gedichte fortführen, die es ja immer auf sich selbst abgesehen zu haben scheinen, um mit sich dann auch Momente von Wahrheit zu erbeuten, als "Räuber am Weg, die bewaffnet hervorbrechen und dem Müßiggänger die Überzeugung abnehmen", wie es bei Benjamin heißt ...

Insgesamt also liegt hier ein Gedichtband vor, der das, was wir der Sprache schulden, aber auch das, was die Sprache uns schuldet, aufleuchten lässt - einer der wenigen Bände also, bei denen die Paketaufschrift "Vorsicht, Bücher!" keine Übertreibung darstellt.

Spätes Argument

Gedichte von Ingram Hartinger

Kitab Verlag, Klagenfurt 2005

119 Seiten, kart., e 10,-

Tipp:

Ingram Hartinger liest am 13.2. um 19.00 in der Alten Schmiede in Wien. www.alte-schmiede.at

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