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Die Gegner stehen links

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Am kommenden Sonntag, drei Wochen vor der Bundestagswahl, wählen die Bayern ihren neuen Landtag: Eine „ghnahte Wies’n“ für die CSU?

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Am kommenden Sonntag, drei Wochen vor der Bundestagswahl, wählen die Bayern ihren neuen Landtag: Eine „ghnahte Wies’n“ für die CSU?

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Nicht nur Wien, auch Bayern ist anders. Während der „Spiegel“ in diesem Frühjahr noch gegen die Amigo-Partie trommelte, zimmerten die Strauß-Erben Edmund Stoiber, Theo Waigel und Co., darunter auch Finanzminister Georg von Waidenfels (Nachfolger des in der Amigo-Affäre politisch beschuldigten Gerold Tandler) bereits an ihrem Ziel, einer neuen „Absoluten“. „Spiegel“-Herausgeber Rudolf Augstein, der den 1988 verstorbenen Landesfürsten Franz Josef Strauß mit Blick auf die jetzige CSU-Mann- schaft als „Oberammergauner-Amigo“ titulierte, gab seinem Kommentar über bayerische Korruption, Spendenaffären und Filz jenes Motto, das offenbar bayerische Wähler motiviert; er zitierte aus der* „Süddeutschen Zeitung“: „Bewundert vielleicht jemand die Braven? Nein: Man bewundert lieber die, die es nicht nötig haben, brav zu sein. Man bewundert die Gauner.“

In der Tat, wer dieser Tage München besucht, erkennt, daß die Amigo-Affäre der CSU überhaupt nicht geschadet hat. Was machte sich der „Spiegel“ nicht Mühe, Stoiber, den Saubermann, der am Strauss-Image zu kratzen wagte, als Heuchler zu entlarven. Die CSU kann, das bestätigen Umfragen, 50 plus x-Prozent am kommenden Wahlsonntag erwarten. „Augen zu - CSU“, heißt die augenzwinkernde Parole in München.

Die bayerische SPD-Spitzenkandidatin Renate Schmidt, an der die Münchner „tz“ die drei „Fehler“ ausmacht, daß sie als Frau in die Po

CSU-Staat, mit der gebotenen Aufdringlichkeit dem Wähler schulterklopfend als Erfolgsrezept verkauft. Wenn Bayern Schule macht, dann ist auf Bonn übertragen eine Große Koalition nicht mehr ausgeschlossen. Die Nervosität der Kinkel-FDP ist in der Luft zu spüren; manche glauben dennoch (oder ist es Wunschdenken?), daß Helmut Kohl knapp, aber doch mit den Liberalen die Mehrheit schaffen wird.

Wie in Bayern versucht die CDU bundesweit auf der rechten Seite abzusahnen. CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Schäuble, erst unlängst durch seine Kerneuropa- Thesen europaweit ungut aufgefallen, setzt auf das „nationale Element“: das bedeutet, kurz gefaßt, Absage an die Methoden der radikalen litik, dazu noch in die falsche Partei und ins falsche Bundesland gegangen sei, darf mit etwa 26 Prozent Stimmenanteil rechnen. Da nützt auch nicht, daß ihr der „Spiegel“ bei einer angenommenen Direktwahl des Ministerpräsidenten umfragegemäß sechs Prozentpunkte vor Stoiber zumaß.

Ein „gesundes Maß“ an Populismus, so heißt es in München, wird geschätzt; g’standene Politiker, die sich nehmen, was ihnen zusteht, die „das Maß“ auf der Wies’n (,,0’zapft is“, das interessiert viele Münchner mehr als der ganze Wahlkampf) nicht verachten. Deshalb ist momentan auch rechts von der CSU nicht viel zu holen. Die Republikaner werden knapp,.vor der WahLmit etwa vier Prozent eingeschätzt, womit sie ebenso wie die dreiprozentigen Liberalen nicht in den Landtag einziehen würden.

Das „Weiter wie bisher“ des Bundestagswahlkampfs der Kohl-CDU wird in Bayern, dem Rechten, aber Hinwendung zum Nationalen, das zwecks Ausgrenzung und Abgrenzung gegen Fremde (so Schäuble diese Woche im „Spiegel“) nicht anderen überlassen werden dürfe. Die Nation wird von Schäuble als Schutzgemeinschaft gegen alle Gefährdung von Frieden und Freiheit verstanden.

Der „Feind“ steht für die CDU eigentlich nicht auf der Rechten. Kampf ist den Reformkommunisten angesagt. Der Einzug der PDS in den Bundestag ist über Direktmandate (Erststimmen) ziemlich sicher. Es kommen wenig Signale von den Regierungsparteien, die auf klare Bekämpfung der Rechtsradikalen schließen lassen. Die „Richtungswahl“ (Helmut Kohl) soll gegen die Linken, als eigentliche Gefahr für die Demokratie apostrophiert, gehen. Es gehe um den „demokratischen Konsens“, so Helmut Kohl, den die SPD Rudolf Scharpings bereits auf- ■gekündigt habe, auf den sich die PDS nie eingeschwore:: habe, so Wolfgang Bergsdorf in der neuesten Ausgabe der deutschen Monatszeitschrift „Die politische Meinung“. Nicht von rechts, sondern von links sei die deutsche Demokratie bedroht, ist die Grundüberzeugung der großen Regierungspartei. Elisabeth Noelle-Neumann (77), deutsche Ober-Demoskopin, sieht Deutschland überhaupt vor der Wahl zwischen Demokratie und Totalitarismus: die Ostdeutschen zeigten immer weniger Demokratiebegeisterung, warnt sie, materielle Angleichung an den Westen sei vorrangig, geistig drifte aber der Westen immer mehr in den Osten ab. Das rechte Bedrohungsbild wird gar nicht erst aufgehängt. Kämpft die CDU gegen den falschen Feind? Jedenfalls hat sie, anders als die hiesige ÖVP-Führung, erkannt, daß mit (Links)Intellektua- lismus beim Wähler nichts zu holen ist, daß umfassende nationale Sicherheit mehr zählt als irgendwelche ethischen Appelle an internationale Solidarität. Kann man nur solcherart heute Wahlen gewinnen?

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